# taz.de -- Mercosur-Gipfel zum Handelsvertrag: Lula lässt sich nichts aufzwin… | |
> Die Mercosurstaaten bekennen sich zum Abkommen mit der EU – mit großen | |
> Einschränkungen. Strittig ist vor allem eine Zusatzerklärung zur Umwelt. | |
Bild: Beim Mercosur-Gipfel in Puerto Iguazu, Argentinien, am 04.07.2023 | |
BUENOS AIRES taz | Mit einem eindeutigen Bekenntnis zum geplanten | |
Freihandelsabkommen zwischen dem Mercosur und der EU hat Luiz Inácio Lula | |
da Silva den sechsmonatigen Vorsitz der südamerikanischen | |
Wirtschaftsgemeinschaft übernommen. Wie die Verhandlungen abgeschlossen | |
werden sollen, ließ der brasilianische Präsident jedoch offen. | |
„Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir in diesen sechs Monaten das | |
Abkommen mit der Europäischen Union abschließen“, sagte Lula auf dem | |
Gipfeltreffen der Mercosur-Mitgliedstaaten am Dienstag in der | |
argentinischen Kleinstadt Puerto Iguazú. „Wir wollen über das Abkommen | |
diskutieren, aber wir wollen uns nichts aufzwingen lassen.“ | |
Ein Abkommen müsse ausgewogen sein und deshalb sei die von der EU | |
geforderte Zusatzerklärung zum Wald- und Klimaschutz schlicht | |
„inakzeptabel“, so Lula. Den [1][bereits vor Wochen angekündigten | |
Gegenvorschlag] stellte er nicht vor. Er betonte nur erneut, dass der | |
Mercosur eine „schnelle und energische Antwort“ auf die europäischen | |
Forderungen vorlegen müsse. | |
Der gastgebende argentinische Präsident Alberto Fernández äußerte sich | |
ähnlich. „Die Präsentation neuer Umweltforderungen durch die EU“ sei nicht | |
auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet, sondern das Ergebnis einer | |
„protektionistischen Haltung“ der europäischen Länder, insbesondere in der | |
Landwirtschaft, so Fernández. Wie Lula sprach auch er sich für das Abkommen | |
aus, ohne jedoch deutlich zu machen, wie eine Einigung aussehen könnte. | |
## Abkommen würde größte Freihandelszone der Welt schaffen | |
Der Mercosur besteht aus Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Das | |
Abkommen mit der EU würde die größte Freihandelszone der Welt mit 780 | |
Millionen Menschen schaffen, es soll vor allem Zölle abbauen und damit den | |
Handel in Schwung bringen. | |
Besonders die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten rief | |
Verhandlungen über das Abkommen erneut auf den Plan. Sie verbietet die | |
Einfuhr und den Verkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie | |
Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Holz oder Sojabohnen, die auf nach dem 31. | |
Dezember 2020 [2][abgeholzten Waldflächen angebaut oder hergestellt | |
wurden]. | |
Dass die argentinische Position in Richtung einer vollständigen | |
Neuverhandlung des Abkommens geht, wurde am Vortag beim Treffen der | |
Außenminister deutlich. „Damit das Abkommen gute Ergebnisse für beide | |
Seiten bringt, müssen die Texte von 2019 überarbeitet und aktualisiert | |
werden“, erklärte Argentiniens Außenminister Santiago Cafiero. 2019 hatten | |
sich der Mercosur und die EU auf einen Vertrag geeinigt, der aber von den | |
Parlamenten der Unterzeichnerstaaten bisher nicht bestätigt wurde. | |
Ob das Vertragspaket aufgeschnürt und neu verhandelt oder lediglich durch | |
Zusatzabkommen flankiert werden soll, ist noch unklar. „In wenigen Tagen | |
werden wir einen Gegenvorschlag zum Zusatzbrief der Europäischen Union | |
vorlegen, um die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen“, sagte Brasiliens | |
Außenminister Mauro Viera im Einklang mit seinem Präsidenten. | |
## „Ein wenig Optimismus“ | |
Während sich die beiden Schwergewichte im Mercosur – Argentinien und | |
Brasilien – so gegenseitig die Stichworte liefern, äußern sich die | |
kleineren Mitgliedstaaten Uruguay und Paraguay weniger laut. Beide sind | |
jedoch für das Abkommen und setzen ihre Erwartungen ganz auf Lula. „Ich | |
bitte Lula, ein wenig Optimismus in meinen ohnehin schon großen Pessimismus | |
bezüglich dieses Abkommens zu bringen, denn 25 Jahre Verhandlungen sind in | |
der modernen Welt nicht logisch“, sagte Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou | |
über die Ende der 1990er Jahre begonnenen Verhandlungen. | |
Für [3][den scheidenden Präsidenten Paraguays], Mario Benítez, war der | |
Gipfel Teil seiner Abschiedstournee. Benítez und Lacalle Pou brachten | |
jedoch eine politische Note in die vor allem von Wirtschaftsthemen | |
beherrschte Veranstaltung. Beide übten heftige Kritik an der | |
venezolanischen Regierung. | |
Diese verstoße gegen die Menschenrechte, wenn sie | |
Oppositionspolitiker*innen wie María Corina Machado die Teilnahme | |
an der kommenden Präsidentschaftswahl verbiete. „Die Einschränkungen der | |
politischen Rechte durch administrative Mittel von Seiten einer Regierung | |
kollidiert mit den Menschenrechten“, sagte Benítez. Das gehöre | |
ausschließlich in die Kompetenz der Justiz. | |
Venezuela, einst ein Vollmitglied des Mercosur, wurde 2016 suspendiert. | |
Grund dafür waren Verstöße gegen Demokratie und Menschenrechte durch die | |
Regierung in Caracas. Eine Rückkehr Venezuelas in den Mercosur steht nach | |
wie vor außer Frage, obwohl Brasiliens Präsident Lula da Silva versuchte, | |
die Isolation von Staatschef Nicolás Maduro mit einer [4][Einladung zu | |
einem Südamerikagipfel in Brasilien Ende Mai] zu mildern. | |
5 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Von-der-Leyen-in-Suedamerika/!5940685 | |
[2] /Bedrohter-Trockenwald-in-Argentinien/!5933034 | |
[3] /Neuer-Praesident-in-Paraguay/!5931313 | |
[4] /Lateinamerika-Gipfel-in-Brasilien/!5937914 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
## TAGS | |
Mercosur | |
Freihandelsabkommen | |
Lieferketten | |
Luiz Inácio Lula da Silva | |
Freihandelsabkommen | |
Brasilien | |
Lateinamerika | |
Brasilien | |
Mercosur | |
Mercosur | |
Freihandelsabkommen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wirtschaftsweise über Mercosur-Abkommen: „China läuft uns den Rang ab“ | |
Die neue Weltlage mahnt zur Eile beim EU-Abkommen mit den | |
lateinamerikanischen Mercosur-Staaten, meint die Ökonomin Veronika Grimm. | |
Mord an Stadträtin in Brasilien: Kronzeuge bringt Ermittlungen voran | |
In Brasilien beschuldigt ein Ex-Polizist als Kronzeuge einen Ex-Kollegen | |
als Vermittler des Mordes an der linken Stadträtin Marielle Franco in Rio. | |
Abkommen zwischen EU und Lateinamerika: Es geht um Rohstoffe | |
Die Nachfrage an Lithium in Europa steigt. Der Abbau zerstört in | |
Lateinamerika Lebensgrundlagen. Zum Freihandelsabkommen kam es (noch) | |
nicht. | |
EU-Mercosur-Freihandelsabkommen: Südamerika geht einen eigenen Weg | |
Das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen hängt weiter in der Luft. Denn die | |
Differenzen der Verhandlungspartner sind in den vergangenen Jahren eher | |
gewachsen. | |
EU-Mercosur-Handelsvertrag: Kommt die Rindfleischschwemme? | |
Der Deutsche Bauernverband sorgt sich, dass durch das EU-Mercosur-Abkommen | |
heimische Produkte verdrängt werden könnten. Was ist dran? | |
Kritik am EU-Mercosur-Abkommen: „Das Abkommen bedroht die Wälder“ | |
Das EU-Mercosur-Abkommen untergrabe Präsident Lulas Pläne zum Stopp der | |
Entwaldung, meint Yannick Jadot. Es könnte die Rückkehr Bolsonaros fördern. | |
EU-Mercosur Handelsvertrag: Ringen um „Voldemort-Abkommen“ | |
Die EU-Kommission macht Druck, Deutschland hadert mit Waldschutz, und in | |
den Mercosur-Ländern sind Politiker genervt von den vielen Vorgaben der EU. |