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# taz.de -- Naturschutz oder Wohnungsbau: Die Moorlinsen sind in Bedrängnis
> In Berlin gibt es noch zwei intakte Moore in Buch. Ein Rahmenplan des
> Senats sieht vor, direkt daneben 2.700 Wohnungen zu bauen.
Bild: Das Feuchtbiotop Moorlinse
Berlin taz | Die Wiedervernässung von Mooren zählen Naturschützer in
Deutschland zu den Eckpfeilern der Klimapolitik. Wiederhergestellte Moore
binden Kohlenstoff, sind also CO2-Senken. Erst recht gilt das für intakte
Moore.
Berlin hat exakt zwei solcher intakter Moore. Es sind die Große und Kleine
Moorlinse in Buch. Wer mit der S-Bahn von Pankow nach Norden fährt, sieht
sie aus dem Fenster. Silber schimmert das stehende Wasser auf den Wiesen.
Intakte, naturnahe Landschaft, wie sie die Stadt nur noch selten zu bieten
hat.
Leider sind unbebaute Flächen wie diese heiß begehrt. Wer in den kommenden
Jahren nach Buch mit der S-Bahn fährt, könnte neben den Moorlinsen vor
allem eines sehen: Häuser. 2.700 Wohnungen will der Senat dort genehmigen.
Das Projekt „Buch – Am Sandhaus“ ist eines von 16 neuen Stadtquartieren, …
denen Rot-Schwarz in den kommenden Jahren 200.000 Wohnungen errichten will.
Sowohl SPD-Bausenator Christian Gaebler als auch CDU-Umweltsenatorin Manja
Schreiner drücken nun aufs Tempo.
Bereits im Juni hat der Senat einen Rahmenplan für das Projekt
verabschiedet, in dem einmal bis zu 5.000 Menschen leben sollen. Laut
Gaebler könnten die Bauarbeiten Ende 2024 starten und 2026 die ersten
Wohnungen fertig sein. Gegen Ende des Jahrzehnts könnte der neue Stadtteil
komplett sein.
## Protest gegen die Planungen
Doch gegen das Vorhaben regt sich schon lange Protest. Gegen die
Verabschiedung des Rahmenplans haben 600 Menschen demonstriert. Seit Montag
liegen die Pläne nun in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am
Fehrbelliner Platz aus. Weil die Pläne nur in den Ferien einsehbar sein
sollen, sprechen Gisela Neunhöffer und André Fabian von der „Initiative
Buch Am Sandhaus“ von einer „Beteiligungssimulation“. „Die Senatsverwal…
will offenbar ein Häkchen hinter den Punkt Information der Öffentlichkeit
machen“, schreiben sie in einer Mitteilung. „An einem echten Austausch mit
den Bürger*innen hat sie kein Interesse.“
Seitdem die Berliner SPD mit der CDU koaliert, muss die SPD-geführte
Bauverwaltung auch keinen Widerstand aus der Umweltverwaltung mehr
fürchten. Noch im Januar hatte Christian Gaebler, da war er noch
Staatssekretär eines rot-grün-roten Senats, im Stadtentwicklungsausschuss
des Abgeordnetenhauses Verständnis für die Kritik gezeigt. „So richtig
finde ich Zehngeschosser um einen Abenteuerspielplatz auch nicht“, wird
Gaebler vom nd zitiert. Grüne und Linke hatten da eine Änderung des
Flächennutzungsplans von 2019 gefordert, der die Bebauung in Buch möglich
machte. Die Bürgerinitiative wiederum fordert seit Langem eine Reduzierung
des Bauvolumens auf 1.000 Wohnungen.
Nun schreiten SPD und CDU Seit an Seit. „Die Planungen des ‚Rahmenplans
Buch – Am Sandhaus‘ sehen keine Bebauung von Moorflächen oder
trockengelegten Moorböden durch das Neue Stadtquartier vor“, heißt es kurz
und knapp in der Antwort der Umweltverwaltung auf eine schriftliche Anfrage
des grünen Stadtentwicklungspolitikers Julian Schwarze. Auch seien keine
Querungen der Moorlinsen geplant. Der Abstand zur bebauten Fläche soll
„mindestens 100 Meter“ betragen.
Was heißt das für das Moor? Was für die 76 Brutvogelarten, die dort
nachgewiesen wurden und allesamt besonders geschützt sind? Zum Beispiel
Rothalstaucher, Zwergtaucher, Rohrweihe, Große Rohrdommel, Zwergrohrdommel,
Löffelente, Knäkente, Tafelente, Kleines Sumpfhuhn, Kuckuck, Braunkelchen,
Drosselrohrsänger, Rohr- und Feldschwirl. Was für die Zugvögel, die hier
rasten?
Auch die Umweltverwaltung weiß um die ökologische Bedeutung der beiden
Moore. „Im Verbund mit den Gewässern der nahegelegenen Karower Teiche (…)
stellen die Moorlinsen einen überregional bedeutenden Schwerpunkt für
Wasservögel und andere Feuchtgebietsarten“, [1][heißt es in der Antwort.]
„Für Berlin sind sie die wichtigsten Lebensräume für Sumpf- und
Wasservögel.“
## Nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen
Umso unverständlicher ist es allerdings, dass die Große und die Kleine
Moorlinse bislang nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind. Die Große
Moorlinse ist lediglich als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Die Kleine
Moorlinse ist nicht einmal das. Sie unterliegt keinem Schutzstatus.
Für Julian Schwarze ist das nicht hinnehmbar. „Der aktuelle Schutzstatus
wird der Bedeutung der letzten Berliner Moorflächen nicht gerecht und weist
eine große Schutzlücke auf“, sagt Schwarze der taz. „Die Große und Kleine
Moorlinse müssen endlich den Schutzstatus des Naturschutzgebiets
bekommen.“
Im neuen Stadtquartier Am Sandhaus sollen einmal bis zu 5.000 Menschen
leben. Investoren sollen die landeseigene Howoge sowie die Deutsche Wohnen
sein. Mit den Menschen werden auch Hunde nach Buch ziehen. Was, wenn sie
sich den Brutvögeln nähern oder den Zugvögeln? Werden die in den Jahren
darauf zurückkommen?
Die Antwort von Britta Behrendt, Staatssekretärin von Umweltsenatorin Manja
Schreiner (CDU), ist auf Fragen wie diese eher schwammig. „Der Bezirk
Pankow als untere Naturschutzbehörde lässt zurzeit in enger Zusammenarbeit
mit der obersten Naturschutzbehörde (Senatsverwaltung für Mobilität,
Verkehr, Klimaschutz und Umwelt) und dem Forstamt Pankow den Pflege- und
Entwicklungsplan für das LSG Buch erstellen“, heißt es. „In dieser Planung
werden auch die Kleine Moorlinse sowie die umgebenden Freiflächen
einbezogen.“
„Die Antworten des Senats können die bisherigen Bedenken nicht ausräumen“,
ärgert sich Julian Schwarze. „Die bisherigen Planungen bedrohen weiterhin
Moorflächen, Feuchtgebiete und die dortige Tierwelt.“
Schwarze fordert nun, dass der Abstand zwischen Moor und Bebauung
vergrößert werden soll. Doch darüber, so hat er es aus der Antwort der
Umweltverwaltung erfahren, haben der Senat und die Investoren noch gar
nicht gesprochen.
21 Jul 2023
## LINKS
[1] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-15…
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Wohnungsbau
Naturschutz
Moor
Renaturierung
Moor
Schwerpunkt Stadtland
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