| # taz.de -- Urlaub mit Kindern: Ich hab’s mir nicht so ausgesucht | |
| > Mit Kindern kommt die häufige Enttäuschung. Etwa wenn ständig Termine | |
| > abgesagt werden müssen – oder wenn das Geld wieder nicht für den Urlaub | |
| > reicht. | |
| Bild: Manchmal geht noch nicht mal abtauchen | |
| Heute habe ich geweint, weil ich [1][nicht ins Freibad konnte]. Wie so ein | |
| Kleinkind. Oder eher: wie so eine Mutter. Enttäuschung ist ein | |
| unterschätztes Gefühl, wenn es um Elternschaft geht. Nicht in seiner | |
| Intensität, sondern in seiner Häufigkeit. Ich erinnere mich nicht, dass ich | |
| früher so oft enttäuscht war. Aber all die abgesagten Termine, | |
| Gelegenheiten, all die Unmöglichkeiten – privat und beruflich. Da kann man | |
| sich vorher noch so sehr versprechen, dass sich das Leben nicht ändern | |
| wird. Dass die [2][Kinder] nicht den Ton angeben, dass man die gleichen | |
| Freiheiten haben wird wie früher. | |
| Was dabei übersehen wird: Kinder verändern nicht nur dein Leben, sie | |
| verändern dich. So wie alle tiefen Beziehungen dich ändern. Elternschaft | |
| funktioniert außerdem so gut wie nie über Kontrolle. Wenn das Kind Fieber | |
| hat, kannst du nicht sagen: „Jetzt steh mal nicht so im Mittelpunkt, heute | |
| ist das Beyoncé-Konzert!“ Also kannst du schon, ändert aber nichts. Deshalb | |
| kann der Vorsatz, seine Freiheiten weiterhin zu kontrollieren, nur | |
| scheitern. Planung und Enttäuschung sind ein Paar, das in Familien Hand in | |
| Hand geht. Ständig. So sehr, dass man bei der Planung schon mit der | |
| Enttäuschung rechnet, in der Hoffnung, dass man sie dann leichter | |
| verkraftet. | |
| ## Urlaub für ein paar Stunden | |
| Vor einigen Wochen hat mir der Fünfjährige erzählt, wohin seine | |
| Freund*innen in den Urlaub fahren. Vulkaninseln, Meer, Strand und Palmen | |
| sind Wörter, die gefallen sind. Dann hat er gefragt, ob wir wegfahren. Ich | |
| habe erklärt, dass wir dieses Jahr wieder kein Geld dafür haben. Dann habe | |
| ich von tollen Freibädern und einem Ausflug zum See gesprochen. Das können | |
| wir uns leisten, auch nicht selbstverständlich. | |
| Nun sind die Terminkalender von uns Eltern seit Wochen getaktet wie zwei | |
| Zahnräder. Ich hatte den Tag heute im Blick wie eine Ziellinie. Die Kinder | |
| sollten mal beide Eltern haben, nach Wochen, in denen sie uns vor allem | |
| abgehetzt und einzeln gesehen haben. Beide in der Stadt, beide haben frei | |
| und es regnet nicht. Heute sollte es also passieren: Urlaub für ein paar | |
| Stunden. Ich habe es mir in allen Farben ausgemalt. Freibadpommes und | |
| Ketchupfinger, kleine Füße in Plastiksandalen, der Geruch von Sonnencreme | |
| und Chlor, der sich auf die frischen Handtücher legt, warme Kinderhände, | |
| die sich an einem festhalten, während man durchs Wasser watet. | |
| Als morgens dann der Zweijährige weinerlich, mit einem Ausschlag am ganzen | |
| Körper aufgewacht ist, war ich erst besorgt und dann traurig. Irgendwann | |
| kamen die Tränen. Man muss nicht Psychologie studiert haben, um zu | |
| erkennen, dass es hier nicht ums Freibad geht. Deshalb sind die Sprüche, | |
| die man als Mutter dann oft hört, wie „Du hast es dir ja selbst so | |
| ausgesucht“, nicht nur unsensibel, sondern auch astreines Gaslighting. Denn | |
| ja, ich wollte Kinder. Die habe ich mir „ausgesucht“. Die Kinder sind hier | |
| aber nicht das Problem, sondern alles andere. | |
| 18 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Saskia Hödl | |
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