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# taz.de -- Sorben fordern Anerkennung: Ultimatum abgelaufen
> Die Sorben fordern Anerkennung als indigenes Volk nach UN-Konvention. Mit
> einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wollen sie Druck machen.
Bild: Sachsen, Schleife, 2018: Eine junge Sorbin in traditioneller Tracht
Berlin taz | Eigentlich ist Sorben nur zu Ostern der große Auftritt sicher.
Da zeigt die „Tagesschau“, wie sorbische Männer hoch zu Ross über kahle
Felder ziehen und die Auferstehung des Herrn verkünden – [1][Osterreiten in
der Oberlausitz], Brauchtum vom östlichsten Rand Sachsens.
An diesem Montag bekommen Sorben zusätzliche Aufmerksamkeit. In Berlin
werden Vertreter des [2][Serbski Sejm, des sorbischen Parlaments], mit
Anwälten eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland ankündigen. Der
Grund: Der Serbski Sejm, die 2018 erstmals gewählte sorbische
Volksvertretung, fordert vom deutschen Staat die Anerkennung der Sorben als
indigenes Volk nach der [3][ILO-Konvention 169], die die Bundesrepublik
2021 ratifiziert hat. Die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation, ist
eine Organisation der Vereinten Nationen zur Förderung sozialer
Gerechtigkeit, der Menschen- und der Arbeitsrechte.
Klare Worte fand Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) damals [4][bei der
Ratifizierung]: „Indigene Völker, die überall auf der Welt in ihrer
Existenz bedroht sind, werden oft vom politischen, wirtschaftlichen und
kulturellen Leben ihrer Länder ausgeschlossen.“ Vermutlich hatte der
Bundesarbeitsminister Ethnien jenseits der Ozeane im Blick. Doch die Sorben
sind in Deutschland seit Langem bedroht: durch Sprachverlust, Abwanderung,
Assimilierung und das [5][jahrzehntelange Abbaggern sorbischer Dörfer für
die Braunkohlegewinnung.]
## Ernüchternde Bilanz nach Ultimatum
Neu ist das nicht. Neu ist die Wucht, mit der der Serbski Sejm von der
Bundesregierung die Anerkennung des kleinsten slawischen Volks, dem etwa
60.000 Menschen in Brandenburg und Sachsen angehören, als indigenes Volk
fordert. Es geht um Selbst- und Mitbestimmung, es geht um Mitsprache und um
Geld.
Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, hatte der [6][Serbski Sejm]
Ende März ein Ultimatum gestellt. Sollte die Bundesregierung nicht binnen
dreier Monate die Sorben als indigenes Volk anerkennen, werde sich der
Serbski Sejm an die ILO, die EU-Kommission und den Europarat wenden, damit
diese Einfluss auf „den deutschen Staat“ nehmen.
Die Bilanz ist ernüchternd. Zwar haben sich einzelne Abgeordnete erkundigt,
doch „offizielle Reaktionen gab es keine“, stellt Kerstin Aldenhoff,
Sprecherin des Serbski Sejm, fest. Das Ultimatum ist nun abgelaufen, jetzt
übernehmen Anwälte einer Londoner Kanzlei, spezialisiert auf Menschen- und
Völkerrecht. Sie werden Schritte darlegen, wie der Serbski Sejm vor
deutschen und internationalen Gerichten die Anerkennung erreichen kann, die
ihm von Berlin verwehrt wird.
Diesen fordernden Ton von sorbischer Seite sind die Landesregierungen und
die Bundesregierung nicht gewohnt: Von einem „verbalen Schienbeintritt“ war
zu lesen. Kritisch äußert sich auch die Domowina, der [7][Dachverband
sorbischer Vereine] und bisher alleinige Ansprechpartnerin für sorbische
Interessen. Die Domowina, 1913 gegründet, beharrt darauf, bereits die
Interessen des sorbischen Volkes zu vertreten. Und so erklärte sie, dass
sie sich nicht an einer Klage beteiligen werde. Also Gegenwind für den
Serbski Sjem. Mit ihrem Ultimatum haben die 22 demokratisch gewählten
Abgeordneten Erstaunliches geschafft. Sie haben Aufmerksamkeit erzeugt –
dieses Mal nicht nur zu Ostern.
3 Jul 2023
## LINKS
[1] /Osterreiten-in-der-Lausitz/!1725609/
[2] /Abgeordneter-ueber-Sorben-im-Landtag/!5609869
[3] /Schutz-von-indigenen-Voelkern/!5859839
[4] /Deutschland-ratifiziert-UN-Vertrag/!5763149
[5] /Anti-Kohleproteste-in-der-Lausitz/!5940021
[6] /Erstes-Sorben-Parlament-Serbski-Sejm/!5542139
[7] /Nationale-Minderheit-in-der-Lausitz/!5868146
## AUTOREN
Thomas Gerlach
## TAGS
Sorben
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Anerkennung
Bundesregierung
Ultimatum
Sorben
Minderheiten
Schule und Corona
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