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# taz.de -- Finanzierung der Fraunhofer-Gesellschaft: Zoff um eine Milliarde Eu…
> Die Fraunhofer-Gesellschaft soll rechtswidrig mit Staatsgeld umgegangen
> sein, beklagt der Bundesrechnungshof. Und das ist nicht seine einzige
> Kritik.
Bild: Hoffentlich sorgt die AR-Brille für mehr finanzielle Transparenz
Berlin taz | Der Bundesrechnungshof hat die Fraunhofer-Gesellschaft schon
länger auf dem Kieker. Fraunhofer ist die größte Organisation für
angewandte Forschung in Deutschland und erhielt 2021 977 Millionen Euro vom
Bund. Die Forschungsgesellschaft wurde vom Bundesrechnungshof intensiv
durchleuchtet, als es um überzogene Spesenabrechnungen des inzwischen
zurückgetretenen Präsidenten Reimund Neugebauer ging.
Jetzt hat sich die Prüf-Behörde die großen Geldströme der
Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) vorgenommen und wirft der FhG unter anderem
die „rechtswidrige Praxis“ vor. Der Bericht, der der taz exklusiv vorliegt,
erhebt auch massive Vorwürfe gegenüber der Aufsicht durch das
[1][Bundesministerium für Bildung und Forschung] (BMBF), das 90 Prozent der
Staatsgelder an Fraunhofer stellt. Die FhG antwortete der taz in Bezug auf
die Vorwürfe des Bundesrechnungshofs: „Das können wir nicht kommentieren.“
Für den Bundesrechnungshof (BRH) gestaltete sich die „Prüfung von
Instrumenten des organisationsinternen Wettbewerbs der
Fraunhofer-Gesellschaft“, so der Titel der Untersuchung, im BMBF nicht ganz
einfach. Dort waren die elektronischen Akten zur FhG „zum Teil leer und
nicht vollständig“, teilweise wurde auch der „Zugang zum Laufwerk des
Fachreferates“ verweigert. „Das BMBF hat damit die Prüfung des
Bundesrechnungshofes erheblich behindert“, heißt es wörtlich.
Der BRH prüfte die Verwendung von Geldern, mit denen intern in der FhG ein
Wettbewerb unter den 76 Instituten angereizt werden soll. Generell verfügt
Fraunhofer pro Jahr über knapp drei Milliarden Euro an Einnahmen, die zu
jeweils einem Drittel aus der Grundfinanzierung von Bund und Ländern,
eingeworbenen Forschungsprojekten von öffentlichen Mittelgebern wie etwa
der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie Forschungsaufträgen aus der
Wirtschaft, der so genannten „Industrieforschung“, stammen.
Während die Mittel für die Grundfinanzierung über den „Pakt für Forschung
und Innovation“ jährlich um drei Prozent anwachsen, schwanken die
Industriemittel je nach Konjunkturlage. In der Corona-Pandemie etwa gingen
die Ausgaben für [2][Forschung und Entwicklung] der Wirtschaft teils massiv
zurück, was auch einige der Fraunhofer-Institute unter Stress setzte.
Bei der Grundfinanzierung von Bund und Ländern sieht der BRH das Problem,
dass für diesen Betrag im Zuwendungsbescheid des BMBF zwar eine Obergrenze
festgelegt wird, allerdings unter Verzicht darauf, „den tatsächlichen
Bedarf festzustellen“. Die Forscher bekommen ihre Staatsknete und jährlich
drei Prozent mehr, müssen aber nicht verdeutlichen, wofür sie gebraucht
wird. Eine Form von finanzieller Wissenschaftsfreiheit, die den
BRH-Kontrolleuren erkennbar Akzeptanzprobleme bereitet.
## Der Bundesrechnungshof erhebt schwere Vorwürfe
Der BRH bemängelt zudem die Gesamtbilanz von Fraunhofer: „Die vorgesehene
Verknüpfung zwischen Zuwendungshöhe und den sonstigen Einnahmen der FhG
stellte das BMBF nicht her“, schreiben die Prüfer. Im Gegenteil, die
Finanzierung der FhG werde „im Bundeshaushalt intransparent und
unvollständig dargestellt“. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte
nach dem letzten Rechnungshof-Bericht zu den Fraunhofer-Spesen eine
striktere Kontrolle durch das BMBF angemahnt. Dieser wird solche Sätze mit
Aufmerksamkeit lesen.
Weiter heißt es, dass die FhG ihre jährlichen Zuwendungen aus dem BMBF
immer in vollem Umfang abrief, auch um damit „externe Projekte
vorzufinanzieren“. Dies sei im Prinzip zulässig, stellt der Rechnungshof
fest – wenn dafür ein Bedarf bestehe. Nur sei das im Prüfzeitraum nicht der
Fall gewesen.
Denn die Fraunhofer-Zentrale in München verfügte über „umfangreiche
Rücklagen und Finanzreserven“ in Höhe von 250 Millionen Euro. Sie stammen
aus Mitteln, die übers Jahr nicht ausgegeben werden konnten und dann ins
Folgejahr verschoben wurden. „Das BMBF muss umgehend dafür sorgen, dass die
FhG die rechtswidrige Praxis des nicht bedarfsgerechten Mittelabrufs
einstellt“, fordern die BRH-Prüfer in aller Klarheit. Notfalls müsse das
Ministerium seinen Zuwendungsbescheid widerrufen und eine Rückzahlung plus
„Verzinsung des Erstattungsbetrages“ verlangen.
Kritisch beäugt wird vom BRH auch die „Zukunftsstiftung“ der
Fraunhofer-Gesellschaft, die dem Vernehmen nach künftig von Ex-Präsident
Neugebauer geführt werden soll. Die Stiftung, die „renditeversprechende
Projekte“ der Fraunhofer-Institute finanziert, besitzt einen Kapitalstock
von 73 Millionen Euro. Der taucht allerdings nicht in der FhG-Bilanz auf.
Für den BRH ein nicht zu akzeptierender Schatten-Haushalt: „Die
Fraunhofer-Zukunftsstiftung stellt eine weitere Finanzreserve dar, die
verschleiert, über welche Finanzkraft die FhG im Gesamten verfügt und
welcher Grundfinanzierung sie bedarf.“
## Versäumnis im Ministerium
Außerdem sei die Bildung von finanziellen Reserven bei den Instituten, wenn
die Auftragslage gut ist, in dieser Form nicht in Ordnung. Das BMBF habe es
versäumt, Obergrenzen und Verwendungszweck für diese Rücklagen zu benennen.
„Der Bundesrechnungshof bezweifelt ihren Nutzen und ihre Wirtschaftlichkeit
für den Bund“, wird deutlich formuliert.
Weiter heißt es: „Die fehlende bilanzielle Ausweisung der Institutsreserven
widerspricht einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung“. Dabei wird das BMBF
mit Bettina Stark-Watzinger von einer Politikerin geleitet, die zuvor am
Aufbau eines Finanz-Forschungsinstituts mitwirkte und im vorherigen
Bundestag dem Haushaltsausschuss angehörte.
Vielleicht fließt diese Finanzkompetenz an der Spitze des BMBF in die
Stellungnahme des Ministeriums zu den BRH-Kritikpunkten, die gerade
erarbeitet wird. Einen finanziellen Dämpfer muss das BMBF ohnehin
hinnehmen: In der anstehenden Etat-Runde 2024 ist eine finanzielle Einbuße
in Höhe von 355 Millionen vom Finanzminister vorgesehen. Aber auch der neue
Fraunhofer-Chef Holger Hanselka wird sich Gedanken machen müssen, wie die
Geldflüsse seiner Forschungsorganisation transparenter und regelkonformer
gestaltet werden sollen.
29 Jun 2023
## LINKS
[1] /Kuenftige-Forschungspolitik-der-Bundesregierung/!5892422
[2] /Wissenschaft-und-Politik/!5932301
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
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Forschungsförderung
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