# taz.de -- Gedenken an Femizid: „Wir werden jedes Mal laut“ | |
> Das Solidaritätsnetzwerk Berlin ruft zum kämpferischen Gedenken an einen | |
> Femizid in Lichtenberg auf. Schon 55 Femizide in Deutschland in diesem | |
> Jahr. | |
Bild: Auf einer Demo gegen Femizide im Oktober 2022 in Berlin-Lichtenberg | |
BERLIN taz | In dem grauen, zehnstöckigen Plattenbau in Lichtenberg öffnet | |
sich ein Fenster, ein Mann rastet aus und brüllt aggressiv, dass die | |
Demonstrierenden vor der Tür endlich Ruhe geben sollen. Sie schreien | |
zurück. Es ist kalt und langsam brechen die Stimmen der Redner:innen. | |
Doch leiser werden sie nicht. Es ist der 7. Januar, am Tag zuvor wurde in | |
der Paul-Zobel-Straße 5 die 52-jährige Diana ermordet. Laut und wütend | |
spricht die Rednerin der [1][Frauenorganisation Zora], die die Kundgebung | |
organisiert hat, darüber, dass schon wieder eine Frau aufgrund ihres | |
Geschlechts getötet wurde. | |
Der [2][Femizid] an Diana ist genau ein halbes Jahr her. An diesem | |
Donnerstag um 18 Uhr organisiert das Solidaritätsnetzwerk Berlin ein | |
kämpferisches Gedenken vor dem Tatort Paul-Zobel-Straße 5 in Lichtenberg. | |
Anouk Spilker vom [3][Solidaritätsnetzwerk] sagt: „Solche Fälle geraten | |
sehr schnell in Vergessenheit. Doch wir wollen keine Gewalttat an einer | |
Frau unkommentiert lassen. Sondern zeigen: Wir werden jedes Mal laut, wenn | |
ihr uns eine Frau nehmt.“ Das Solidaritätsnetzwerk ist eine | |
Stadtteilorganisation, die im Fennpfuhl in Lichtenberg für | |
Geschlechtergerechtigkeit kämpft. | |
Als der Täter in der Nacht mit einer Kettensäge in die Wohnung einbrach, | |
war Dianas Lebenspartner ebenfalls dort und stellte sich ihm in den Weg. | |
Dabei wurde er schwer verletzt, überlebte jedoch. Später gab er vor Gericht | |
zu Protokoll, dass der Mann, der Diana ermordet hat, kurz vor der Tat | |
schrie: „Scheiß Weiber! Die müssen alle umgebracht werden!“ | |
Für Spilker ist das ganz klar Frauenhass. „Er wollte nicht irgendjemanden | |
töten. Er hat auch nicht irgendjemanden getötet. Er hat eine Frau getötet.“ | |
Sie ordnet die Tat als Femizid ein und erklärt, dass man darunter Morde an | |
Frauen aufgrund ihres Geschlechts versteht. Die Polizei sah das anders und | |
teilte den Organisator:innen am Telefon mit, dass es sich beim Mord | |
an Diana nicht um einen Femizid handele. Die Organisator:innen lassen | |
sich von dieser Aussage nicht beirren. | |
Die [4][Initiative Femizide stoppen!] zählte dieses Jahr bereits 55 | |
Femizide in Deutschland. Nur 15 Minuten zu Fuß von Dianas ehemaligem | |
Wohnhaus entfernt befindet sich schon der nächste Tatort. „Wir müssen daran | |
erinnern, dass es etwas Alltägliches ist, obwohl wir nicht mehr täglich | |
daran denken“, sagt Anouk Spilker. „Das heißt, dass wir Dianas gedenken, | |
aber wir sagen auch: Unsere Trauer wird zur Wut und wir nutzen diese Wut, | |
weil wir etwas verändern wollen und zeigen wollen, keine mehr.“ | |
5 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://zora-online.org/ | |
[2] /Haeusliche-Gewalt-in-Berlin/!5900980 | |
[3] https://soli-net.de/berlin/ | |
[4] https://www.instagram.com/femizide_stoppen/ | |
## AUTOREN | |
Kajo Roscher | |
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