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# taz.de -- Oberstes Gericht gegen Affirmative Action: Meritokratie, my ass
> Der US-Supreme-Court hält den leichteren Zugang zu Elite-Universitäten
> für nicht-weiße Menschen für verfassungswidrig. Das lenkt vom
> eigentlichen Problem ab: fehlende Bildungsgerechtigkeit.
Bild: Noch heute haben Schwarze US-Amerikaner:innen deutlich schlechtere Bildun…
Ich möchte mit einem konstruktiven Vorschlag beginnen: Wie wäre es, private
Schulen und Universitäten überall und für alle Zeiten abzuschaffen? Die
frei gewordenen Ressourcen könnten demokratisch verteilt in öffentliche
Bildungseinrichtungen fließen, wovon die große Mehrheit der Bevölkerung
profitieren würde. Keine Toiletten mehr ohne Seife, ein bisschen Schloss
Salem für alle. Ein kleiner Schritt Richtung klassenlose Gesellschaft.
Irgendwo muss man ja anfangen.
Das gegenwärtige System schreit nach Überwindung, so viel steht fest. Und
besonders laut schreien die in Geld schwimmenden Eliteuniversitäten der
USA, von Harvard bis Columbia. Einige Auserwählte dürfen hier unter besten
Bedingungen studieren, zum Beispiel der frühere US-Präsident Donald Trump,
ehe sie dann später, in Machtpositionen gerutscht, andere
Eliteuniabsolventen in Machtpositionen rutschen lassen, zum Beispiel Neil
Gorsuch und Brett Kavanaugh – so heißen zwei rechte Richter des Supreme
Court, die von Trump persönlich nominiert worden waren, ehe der US-Senat
sie bestätigt hat.
Dieser besagte Supreme Court hat vergangene Woche nun beschlossen, das
Bildungssystem der USA noch ungerechter zu machen, als es ohnehin schon
ist. Mit 6:3-Mehrheit [1][stimmte das Oberste Gericht dafür, dass
Universitäten bei der Auswahl ihrer Bewerber:innen praktisch nicht mehr
die Chancengleichheit für nicht-weiße Bewerber:innen berücksichtigen
dürfen]. Die als Affirmative Action bekannte Praxis war seit den 1960er
Jahren zum Einsatz gekommen, um Minderheiten – insbesondere Schwarzen
Menschen – einen faireren Zugang zu ermöglichen. Ein bescheidener Ansatz
der Korrektur also nach Jahrhunderten der Ausbeutung und Unterdrückung.
Schwarze leben bis heute prekärer, haben schlechtere Bildungschancen und
sterben früher als weiße US-Amerikaner:innen.
Der konservative Gerichtspräsident John Roberts begründete das Urteil mit
dem Equal Protection Clause. Kurz zusammengefasst: Der Staat darf nicht
diskriminieren, auch nicht „positiv“. Der schlechte Witz ist natürlich,
dass die Affirmative Action überhaupt erst nötig geworden war, weil der
Staat so lange rassistisch diskriminiert hatte und es immer noch tut.
## Militär darf noch bevorzugen
Affirmative Action an sich scheint auch gar nicht das Problem zu sein.
Ausgenommen von der Entscheidung sind nämlich Militärakademien. Wenn es um
Rekrutierung für den Krieg geht, dürfen Afroamerikaner:innen also
weiterhin „bevorzugt“ werden.
Dass es bei der ganzen Sache nicht um die Schaffung eines fairen
Wettbewerbs geht – den der Supreme Court mit anderen Urteilen ja selbst
dauernd untergräbt –, erkennt man des Weiteren daran, dass Unis in anderen
Belangen immer noch begünstigen dürfen. Bewerber:innen, deren Eltern oder
Großeltern bereits die entsprechende Uni besucht haben, sowie Kinder
großzügiger Spender:innen bleiben im Vorteil. Meritokratie, my ass.
Bemerkenswert ist, dass Universitäten das Thema race in Ausnahmefällen
immer noch berücksichtigen dürfen – dann, wenn Bewerber:innen den
Einfluss auf ihr Leben individuell begründen. Noch wichtiger wird in
Zukunft also sein, dass man in persönlichen Essays erklärt, wie man von
strukturellen Ungerechtigkeiten betroffen ist. Heißt tendenziell: Jede für
sich, keiner für alle.
Ist es wirklich so schlimm, könnte man nun einwenden, wenn sich ein paar
Eliteunis nicht mehr mit ihrer Diversität brüsten können? Zur Wahrheit
gehört, dass den allermeisten jungen Menschen in den USA dieses Urteil in
gewisser Weise egal sein kann. Sie gehen entweder auf das nächstgelegene
College, wo die Lernbedingungen oft spärlich und Aufnahmehürden niedriger
sind, oder direkt in den Job. Sie kommen jedenfalls nicht in die Situation,
sich in Princeton oder Yale zu bewerben.
Womit wir wieder am Anfang wären. Der logischste Schritt Richtung
Bildungsgerechtigkeit? Alle privaten Einrichtungen abschaffen, die
öffentliche Infrastruktur mit gigantischen Investitionen aufwerten.
Nepo-Babys wie Trump haben lang genug vom alten System profitiert.
3 Jul 2023
## LINKS
[1] /US-Urteil-zur-Bevorzugung-von-Schwarzen/!5944320
## AUTOREN
Lukas Hermsmeier
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
USA
Bildung
Gleichberechtigung
GNS
BPoC
Niederlande
soziale Unruhen
Anti-Rassismus
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