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# taz.de -- Leiterin Rotes Kreuz über Dammbruch: „Viele wollen nicht gehen“
> Die humanitäre Lage in Cherson ist dramatisch, sagt Natalja Schatilow.
> Der Regionalleiterin des Roten Kreuzes fehlen die Worte für die Barbarei.
Bild: Helfer evakuieren die Bewohner Chersons aus den überschwemmten Gebieten
taz: Frau Schatilow, wie stellt sich die Lage am Mittwochmorgen in Cherson
dar?
Natalja Schatilow: Der Wasserpegel ist über Nacht weiter gestiegen, das tut
er auch jetzt noch. Nach Angaben der ukrainischen Militärverwaltung könnte
er in den kommenden 20 Stunden noch einmal um ein bis zu anderthalb Meter
steigen. Die Straße in den Vorort Kamyschany ist blockiert. Zum Mikrobezirk
Ostrow gibt es ebenfalls keinen Zugang.
Der staatliche Rettungsdienst ist mit Booten im Einsatz, aber die Menschen
können zu einigen Orten nicht alleine gelangen. Panik herrscht nicht.
Meinen Unterlagen zufolge gibt es bislang keine Verletzten. Viele Leute
wollen eigentlich gar nicht aus [1][Cherson] gehen. Diejenigen, die das
brauchen, befinden sich an speziell ausgestatteten sicheren Orten in
Cherson. Jetzt muss das Problem gelöst werden, Familien mit warmen
Mahlzeiten und Hygieneartikeln zu versorgen. Wir erhalten bereits
humanitäre Hilfe aus unterschiedlichen Regionen in der Ukraine, aber auch
aus Europa.
Was wird jetzt am meisten gebraucht?
Tabletten, um Wasser zu desinfizieren. Denn es besteht die Gefahr, dass
sowohl Kläranlagen als auch Friedhöfe überflutet werden. Und das wird sich
auf die Wasserqualität auswirken. Doch wie ich schon sagte: Die
Bewohner*innen von Cherson haben die Besatzung und den Beschuss
überlebt. Jetzt wollen sie warten, bis das Wasser nachlässt, um dann
möglichst schnell nach Hause zurückzukehren. Wir reagieren jetzt auf die
aktuellen Bedürfnisse der Menschen. Gleichzeitig ist klar, dass es
Konsequenzen geben wird, die morgen, übermorgen, in einer Woche oder erst
in einem Monat sichtbar werden. Wir verfolgen das alles genau.
Es gibt Kläranlagen, die bereits überflutet, und Friedhöfe, die bereits
weggeschwemmt worden sind. Es gibt viele Faktoren, die sowohl das
Grundwasser als auch das Wasser im Dnipro betreffen. Wir haben bereits um
Wasser gebeten. Aktuell gibt es noch Trinkwasser, aber wer weiß, wie lange.
Auch gibt es ein großes [2][Problem mit Tieren], die wir versuchen zu
retten. Wir suchen nach Möglichkeiten, wie man sie da herausholt und
füttert.
Sind bereits viele Tiere gestorben?
In den überschwemmten Gebieten haben unsere Freiwilligen und Bürger mit dem
Boot oder zu Fuß Tiere auf eigene Faust gerettet – Hunde und Katzen. Sie
haben sie in Autos gezerrt, in Notunterkünfte oder an trockene Orte
gebracht und gefüttert. Die Beschaffung von Tierfutter ist vordringlich.
Sind Apotheken und Geschäfte geöffnet?
Ja, das gilt für alle Läden, die außerhalb der Risikozone liegen.
Geht der Beschuss weiter?
Gerade wird nicht geschossen. Aber am Mittwochmorgen sind die Evakuierungen
unter Beschuss erfolgt. Es gab beängstigende Momente. Die Leute wollten
weggehen, gerieten dabei jedoch immer wieder in lebensgefährliche
Situationen.
Haben Sie damit gerechnet, dass die Russen den Damm sprengen würden?
Wir sind bereits sehr stressresistent und wissen, wie man sich in
Sicherheit bringt und versteckt. Bei uns macht gerade ein Witz die Runde:
Selbst wenn Außerirdische kämen, wären wir nicht überrascht. Aber was jetzt
passiert ist, eine solche [3][Öko-Katastrophe], das war nicht zu erwarten.
Ich verstehe diese Barbarei nicht, das ist grausam. Mir fehlen die Worte.
Aus dem Russischen: Barbara Oertel
8 Jun 2023
## LINKS
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[2] /Zoologe-ueber-Tiere-im-Krieg/!5680844
[3] /Aktivistin-ueber-Umweltzerstoerung/!5841446
## AUTOREN
Juri Larin
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