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# taz.de -- Glamour beim Filmfest Emden: Tee statt Schampus
> Das Filmfest Emden bezaubert mit seiner eher heimeligen Atmosphäre. Für
> Preisträger Moritz Bleibtreu gibt‘s eine Teezeremonie in der
> Volkshochschule.
Bild: Fest vor Ort verankert: Filmfest-Fahnen in Emden
Bremen taz | Zuerst kommt der Kluntje in die Tasse, dann wird der Tee
eingegossen und in diesen wird dann mit einer kleinen Schöpfkelle die Sahne
getröpfelt. Und bloß nicht umrühren. In diese [1][ostfriesische
Teezeremonie] wird Moritz Bleibtreu am Samstag zur nachmittäglichen Teatime
auf der Bühne der Emder Volkshochschule eingeführt.
Im Saal vor ihm werden dann mehr als 100 Emder Bürger*innen sitzen, die
ebenfalls Teekannen und -tassen vor sich haben und wie bei einem
Initiationsritual gemeinsam mit ihm ihren Tee trinken werden. Erst am Tag
darauf, am Sonntag, wird Bleibtreu dann bei der Abschlussgala des 33.
Internationalen Filmfest Emden-Norderney in der Johannes a Lasco Bibliothek
noch offiziell der Emder Schauspielpreis übergeben werden. Aber was zählt,
ist das gemeinsame Teekränzchen mit dem Publikum.
Das Filmfest Emden-Norderney ist ein Publikumsfestival, und der „Film-Tee
im VHS-Forum“ (so heißt es im Programm) ist dafür ein schönes Beispiel.
Denn bei anderen Filmfestivals mutet man den Preisträger*innen nur
selten zu, so auf Tuchfühlung mit den Festivalbesucher*innen zu
gehen. Da gibt es meist eine Pressekonferenz, die feierliche
Preisverleihung und dann ist der Star auch ganz schnell wieder weg.
Manchmal erfüllt er oder sie selbst dieses minimalistische Pflichtprogramm
nur mit Widerwillen.
Als Bruno Ganz im Jahr 2008 beim Internationalen Filmfest Braunschweig mit
dem Europäischen Schauspielpreis „Europa“ ausgezeichnet wurde, stellte er
dabei die Bedingung, dass er abweichend vom üblichen Ablauf der
Abschlussgala den Preis schon zum Beginn der Veranstaltung überreicht
bekommen würde. Und den Grund dafür nannte er dann in seiner „Dankesrede“
auch selber von der Bühne herunter: Er wolle um 22.00 Uhr wieder im Hotel
sein, weil er im Fernsehen „den Krimi mit der schwedischen Kommissarin“
sehen wollte.
So etwas passiert, wenn sich Filmfestivals mit den Namen von berühmten
Preisträger*innen schmücken wollen, aber in [2][Emden] ist das anders.
Hier achtet man eher auf die Popularität als auf den Ruhm der Geehrten, und
wenn man sich die Reihe der bisher Ausgezeichneten ansieht, dann vereint
Martina Gedeck, Katharina Thalbach, Armin Rohde, August Diehl, Anna Maria
Mühe, Karoline Herfurth, Ulrich Tukur, Julia Jentsch, Jürgen Vogel und
Meret Becker eine Bodenständigkeit, die zu Emden passt.
Es gibt auch kleine Werkschauen mit den Filmen, die den Karrieren der
Preisträger*innen einen entscheidenden Schub gegeben haben, und bei
einigen Vorführungen sind diese in den Kinos dabei und erzählen Anekdoten
von den Dreharbeiten. Von Moritz Bleibtreu, aktuell in der [3][Netflixserie
„Transatlanic“] als Walter Benjamin zu sehen, werden „Knockin´On Heaven�…
Door“, „Lola Rennt“, „Soul Kitchen“, „Lammbock“ und „Lommbock�…
Gott kann mich richten“ gezeigt.
Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird von der Emder „Dirks Group“
gestiftet, also einem örtlichen Unternehmen, und auch dies ist typisch fürs
Filmfest. Die Preise werden dort von lokalen Förderern oder Organisationen
gestiftet. So gibt es einen „DGB-Filmpreis“, denn als VW-Produktionsstätte
ist Emden immer noch eine „Gewerkschaftsstadt“. Auch die örtliche
Sparkasse, die Stadtwerke und eine regionale Versicherung haben Preise
gestiftet und die regionale Tankstellenkette Score ist dafür
verantwortlich, dass der Bernhard Wicki Preis für den besten Film des
Festivals mit 15.000 Euro außergewöhnlich hoch dotiert ist.
Auch über diesen Preis wird, wie bei den meisten anderen in Emden, vom
Publikum entschieden. Ein spezieller Preis ist „Ein Schreibtisch am Meer“,
mit dem auch die Partnerinsel des Festivals [4][Norderney] ein wenig in den
Fokus gerückt wird. Die Preisträger*innen gewinnen einen einwöchigen
Arbeitsurlaub in einem der Hotels der Insel, das so dann natürlich auch als
Förderer des Filmfests genannt wird.
Auch der originellste Wettbewerb des Filmfest hat einen örtlichen
Sponsoren: Der [5][Emder Drehbuchpreis] wird zwar in Zusammenarbeit mit dem
Grimme-Institut in Marl organisiert. Das beruft die Jury, die darüber
entscheidet, welche der vielen eingereichten Drehbücher prämiert werden.
Doch der mit 10.000 Euro – und je 1.000 Euro für Platz zwei und drei –
ebenfalls üppig dotierte Preis für ein bisher noch nicht verfilmtes
deutschsprachiges Drehbuch wird laut offiziellem Programm von der Emder
Seehafenspedition Jakob Weets „ausgestattet“.
Auch bei dieser Auszeichnung hat sich in Emden über die Jahre ein Ritual
entwickelt, bei dem das Publikum einbezogen ist: Die Verleihung am
Freitagnachmittag findet jeweils in der Form einer szenischen Lesung statt.
In diesem Jahr werden die Schauspielerin, Kabarettistin und Sängerin Gisa
Flake und der Schauspieler Dejan Bućin Kernpassagen aus den nominierten
Drehbüchern vortragen. So erhält das Publikum zumindest eine Ahnung davon,
was die Skripte preiswürdig macht. Zum Publikum gehören dort aber auch die
Drehbuchautor*innen selber. Für die ist es eine ganz spezielle
Erfahrung, die von ihnen geschriebenen Worte aus den Mündern
professioneller Darsteller*innen zu hören. Das toppt sogar noch die
Teezeremonie.
7 Jun 2023
## LINKS
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[4] /Norderney/!t5618810
[5] /Emder-Drehbuchpreis-2021/!5804296
## AUTOREN
Wilfried Hippen
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Emden
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Deutscher Film
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Norderney
Schwerpunkt Klimawandel
Emden
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