Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Untersuchungsausschuss zum NSU: „Ich war nur der dumme Laufjunge�…
> Zum ersten Mal sagt der NSU-Helfer André Eminger aus - im bayrischen
> U-Ausschuss zur Terrorserie. Er beschreibt sich als unpolitisch und
> versoffen.
Bild: Weiter offene Fragen zum NSU-Terror: zivilgesellschaftlicher Protest im N…
München taz | Es ist der letzte Zeuge, und natürlich haben die Mitglieder
des NSU-Untersuchungsausschusses im bayerischen Landtag einige Hoffnung auf
die Aussage von [1][André Eminger] gesetzt. Schließlich wurde der Mann
mitunter sogar als der [2][vierte Mann des NSU] bezeichnet, und es hieß, er
sei mittlerweile aus der Neonazi-Szene ausgestiegen.
Beste Voraussetzungen eigentlich dafür, dass da mal einer wirklich
auspackt. Doch dass mit dieser Aussage nicht viel anzufangen sei, wurde bei
der Befragung schon recht schnell deutlich. Und während der ersten
anderthalb Stunden der Befragung bleibt sie auch sehr unergiebig.
Während des gesamten NSU-Prozesses hatte Eminger geschwiegen, ein Recht,
dass ihm als Angeklagtem zustand. Auch am Montagnachmittag will Eminger
zunächst von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen – mit Verweis
darauf, dass ein Verfahren gegen seine Frau noch nicht eingestellt sei.
Doch dann muss er sich vom Ausschussvorsitzenden Toni Schuberl erst einmal
darauf aufmerksam machen lassen, dass er ein solches Recht vor dem
Ausschuss gar nicht habe. Er könne nur die Aussage auf einzelne Fragen
verweigern, sollte er sich mit der Antwort selbst belasten.
## Opfer waren entsetzt
An wenig will sich Eminger dann noch erinnern können und an das Wenige auch
nur vage. „Das hätten wir vor 15 oder 20 Jahren mal besprechen müssen“,
sagt er einmal zu Schuberl. „Aber jetzt ist das zu lange her.“ Vor allem
scheint es dem 43-Jährigen darum zu gehen, seine Rolle zu relativieren.
Unzählige Male sagt er: „Ich war da 18.“ Damals, als er das bereits im
Untergrund lebende Terroristentrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate
Zschäpe kennengelernt hat.
Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft war Eminger jedoch eine zentrale Figur
im NSU-Umfeld. Er hatte die Terroristen 13 Jahre lang unterstützt, für sie
Wohnmobile angemietet, eine Wohnung und Bahncards besorgt, am Ende auch
Beate Zschäpe bei der Flucht geholfen. Wegen Unterstützung einer
terroristischen Vereinigung wurde er vor fünf Jahren zu zweieinhalb Jahren
Gefängnis verurteilt, aber schon vorzeitig entlassen.
Die Opferfamilien waren [3][über das milde Urteil entsetzt]. Die
Bundesanwaltschaft hatte zwölf Jahre Haft gefordert. Das Gericht wollte der
Argumentation der Anklage jedoch nicht folgen, und auch der
Bundesgerichtshof [4][lehnte Ende 2021 eine Revision gegen das Urteil ab].
Aus Sicht des Oberlandesgerichts München war alles halb so wild, Eminger
habe lange Zeit gar nichts von dem wirklichen Treiben des Mördertrios
gewusst und beispielsweise geglaubt, die Wohnmobile dienten Urlaubsreisen.
## Seit einem Jahr im Aussteigerprogramm
Wenn auch über die Beteiligung Emingers Uneinigkeit bestand, an seiner
Gesinnung bestanden keine Zweifel: Eminger wurde von seinen eigenen
Anwälten im Prozess [5][als „Nationalsozialist mit Haut und Haaren“
bezeichnet], und das scheint keine Übertreibung gewesen zu sein. In der
Neonazi-Szene war er tief verwurzelt, seinen Körper „zierten“ viele
rechtsextreme, zum Teil auch strafbare Tattoos. So hatte er sich auf seinen
Bauch die Worte „Die Jew Die“ tätowieren lassen.
Die [6][Süddeutsche Zeitung] berichtete im Mai, Eminger befinde sich seit
Juli 2022 im sächsischen Aussteigerprogramm. Zunächst habe er im Rahmen der
Gerichtsauflagen zur Haftverschonung, dort drei Gespräche geführt. Dann sei
Eminger allerdings freiwillig im Programm geblieben. Inzwischen habe er
seine Kontakte zur Szene gekappt, höre keinen Rechtsrock mehr, und seine
Tätowierungen habe er entfernen oder unkenntlich machen lassen.
Kariertes Hemd, blaue Jeans, breites Sächsisch: Eminger sitzt im
Zeugenstand, seinen Anwalt neben sich, und will die Parlamentarier etwa
glauben machen, dass er sich den Spruch „Die Jew Die“ nur habe tätowieren
lassen, weil ihm ein gleichlautendes Lied einer englischen Band gut
gefallen habe. So gut Englisch habe er gar nicht gekonnt, dass er das
übersetzen hätte können. Er sei eben der dumme Zwilling, sagt er in
Anspielung auf seinen ebenfalls szenebekannten Zwillingsbruder. „Ich war
18, ich war ein Skinhead. Ich bin viel saufen gegangen, hatte eigentlich
nur Interesse an Konzerten.“
## „Vermutlich verblendet“
Würde er sich heute nicht mehr als Nationalsozialist mit Haut und Haaren
bezeichnen, fragt Schuberl. „Ganz im Gegenteil“, behauptet Eminger. „Ich
bin unpolitisch. Ich will ein ganz normales Leben führen. Ich habe mich
wirklich gewandelt.“ Dass ihm das nicht jeder abnimmt, will er nicht
verstehen. „Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient. Wenn ich
Linksextremist gewesen wäre, hätte ich jetzt wahrscheinlich eine Anstellung
im Bundestag.“ Irgendwann sagt Schuberl über Emingers Versuch, sich als
gänzlich unpolitischen Menschen hinzustellen: „Da fühle ich mich verarscht,
Entschuldigung.“
Und als Schuberl ihn nach verschiedenen Personen aus Szene und NSU-Umfeld
fragt, sagt Eminger, die Namen sagten ihm nichts, aber vielleicht könne er
sich erinnern, wenn er Bilder sehe. Als man ihm schließlich Bilder zeigt,
entschuldigt er sich: Gesichter könne er sich leider schlecht merken.
Von den Morden habe er nichts mitbekommen. Er sei nur der „dumme Laufjunge“
gewesen. Ob er denn Fragen gestellt habe, warum das Trio untergetaucht sei?
Fehlanzeige. Es habe wohl mal geheißen, dass einer von ihnen,
wahrscheinlich Böhnhardt, einen Haftbefehl habe. „Ich bin nicht so ein
Mensch, der viel nachfragt.“ Erst 2007 habe ihm Zschäpe dann von den
Banküberfällen des NSU erzählt. „Ich weiß auch nicht, warum ich nicht zur
Polizei gegangen bin. Das muss Verblendung gewesen sein.“
19 Jun 2023
## LINKS
[1] /NSU-erneut-vor-Gericht/!5815879
[2] /Andre-Eminger-im-NSU-Prozess/!5432565
[3] /Revision-zu-NSU-Urteil-abgewiesen/!5822522
[4] /Das-NSU-Urteil-gegen-Andre-Eminger/!5819357
[5] /Andre-Eminger-im-NSU-Prozess/!5432565
[6] https://www.sueddeutsche.de/politik/nsu-terror-andre-eminger-neonazi-resozi…
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Rechtsextremismus
Untersuchungsausschuss
Bayerischer Landtag
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Rechter Terror
Rechter Terror
Zschäpe
## ARTIKEL ZUM THEMA
Mutmaßliche NSU-Helferin: Anklage gegen Zschäpe-Vertraute
Susann Eminger war die engste Vertraute der NSU-Terroristin Zschäpe. Nun
klagt die Bundesanwaltschaft sie doch noch wegen Terrorhilfe an.
NSU-Terroristin vor U-Ausschuss: Zschäpe verneint Tatort-Helfer
Der bayerische NSU-Ausschuss befragte Beate Zschäpe als Zeugin. Die bleibt
bei früheren Aussagen zu der Rechtsterrorserie.
Waffenlieferant muss Reststrafe verbüßen: NSU-Helfer Wohlleben wieder in Haft
Der frühere NPD-Mann besorgte die NSU-Mordwaffe, nun muss er in der JVA
Burg seine Reststrafe verbüßen. Dort saß auch der Halle-Attentäter ein.
NSU-Ausschuss in Bayern: Wunsch nach Entschuldigung
Das erste NSU-Opfer hat vor dem Untersuchungsausschuss des bayerischen
Landtags ausgesagt. Seine Geschichte ist häufig unter den Tisch gefallen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.