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# taz.de -- Neue Achse Iran-Saudi-Arabien: Verhängnisvoller Bruderkuss
> Iran ist wohl bald in der Lage, eine Atombombe herzustellen. Israels
> Premier Netanjahu hat fast alle Freundschaften verspielt und kann nur
> zusehen.
Bild: Von Irans Regierung veröffentlichtes Foto von Ajatollah Ali Chamenei mit…
Im Nahen Osten wird es nicht langweilig. Während sich die Augen der Welt
auf das Drama in der Ukraine richten, verändert sich zwischen dem
Mittelmeer und dem Persischen Golf die geopolitische Landkarte. Iran
entwickelt sich Schritt für Schritt zur Atommacht. Aktuell sieht es nicht
so aus, als würde das noch jemand verhindern können. Die zweifellos
beeindruckenden Operationen des Mossad konnten die iranische
Kernentwicklung allenfalls verzögern. Ähnlich auch die Kontrollen der
Internationalen Atomenergie-Organisation.
[1][ExpertInnen gehen davon aus, dass Iran in erschreckend kurzer Zeit in
der Lage sein wird, eine Atombombe herzustellen]. Die USA und Europa
streben nach einer Wiederaufnahme der Atomvereinbarungen, und offenbar gibt
es an dieser Front einen deutlichen Fortschritt. Wobei Staatsoberhaupt
Ajatollah Ali Chamenei jüngst bekanntgab, dass selbst eine Wiederaufnahme
der Verhandlungen Iran nicht daran hindern werde, das
Atomforschungsprogramm fortzusetzen.
Teheran könnte so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: das Ende der
wirtschaftlichen Sanktionen und trotzdem Fortschritte auf dem Weg zur
Atombombe.
Überraschend kommt das jüngste Kooperationsabkommen zwischen Teheran und
Riad. Saudi-Arabien und Iran sind erbitterte Feinde, die um die
Vorherrschaft und Einfluss im Nahen Osten ringen. Der Krieg im Jemen – in
dem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate Präsident Abed
Rabbo Mansur Hadi gegen die schiitischen Huthi-Rebellen stützten, die
praktisch als ein verlängerter Arm Teherans fungieren – gehört dazu.
## Ein klares Schwächezeichen
Saudi-Arabien verhedderte sich in dem Krieg, der Riad Milliarden Dollar
kostete und der schwere Schäden unter anderem an der Ölinfrastruktur
hinterließ, ohne dass es gelang, die verhältnismäßig überschaubaren
gegnerischen Truppen zu schlagen. Ein klares Schwächezeichen. Das
andauernde Blutvergießen, gepaart mit der kalten Schulter, [2][die die USA
– eigentlich ein Verbündeter] – Riad zeigten, brachte den energischen
Regierungschef, Kronprinz Mohammed bin Salman, zu einer dramatischen
Kehrtwende: Er reichte dem Erzfeind die Hand zum Frieden. Inzwischen
flirtet bin Salman auch mit den Chinesen. Mit Verpflichtungen zu
traditionellen Bündnissen nimmt es der Kronprinz offensichtlich nicht
so genau.
Was den Iran betrifft, so mögen dem Kooperationsabkommen ein langfristiges
Kalkül zugrunde liegen oder politische Intrigen. Vermutlich aber war es
reiner Pragmatismus. Iran agiert hier nicht aus Verstocktheit und
Eifersucht, sondern als ein Land, das Chancen ergreift. Die internationalen
Sanktionen haben der Wirtschaft Irans schweren Schaden zugefügt, dazu
kommen die inländischen Proteste. Die Annäherung an Saudi-Arabien und in
der Folge vielleicht an weitere Golfstaaten stärkt das Land und führt zu
mehr Stabilität. Und sie ist eine sicherere Karte, als sich im Krieg gegen
die Ukraine an der Seite Russlands zu positionieren.
All diese Entwicklungen werden mit Sicherheit Folgen für Israel haben,
trotzdem ist das Interesse hier eher gering. Die Schlagzeilen werden
unverändert [3][von der Justizreform und den Protesten dagegen] beherrscht.
Für Benjamin Netanjahu ist es ganz praktisch, dass niemand sein komplett
gescheitertes „Iranprojekt“ thematisiert. Auch seine Annäherungsversuche an
Saudi-Arabien tragen keine Früchte. Netanjahu ist ein Mann, mit dem niemand
mehr gern Geschäfte macht. Es scheint, dass er Israel peu à peu zu einem
eher unbedeutenden Land werden lässt. Netanjahu hat versucht, den Nahen
Osten in Gute und Böse zu ordnen. Jetzt muss er zusehen, wie die Guten den
Bösen in die Arme fallen.
Aus dem Hebräischen von Susanne Knaul
18 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.n-tv.de/politik/EU-will-weitere-Sanktionen-article917844.html
[2] /Joe-Biden-in-Saudi-Arabien/!5865463
[3] /Schlappe-fuer-Netanjahus-Justizreform/!5937739
## AUTOREN
Hagai Dagan
## TAGS
Kolumne Fernsicht
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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