# taz.de -- Joe Biden in Saudi-Arabien: Ein weltpolitischer Faustschlag | |
> Der US-Präsident macht bei seinem Besuch in Saudi-Arabien den | |
> berüchtigten Kronprinzen Bin Salman hoffähig. Der lässt ihn selbstbewusst | |
> auflaufen. | |
Bild: Symbolische Begrüßung im saudischen Jiddah per Faust: Joe Biden und Muh… | |
BAGDAD taz | Für den saudischen Kronprinzen war der Zweck des Besuchs des | |
US-Präsidenten schon in dem Moment erfüllt, als Joe Biden und [1][Muhammad | |
Bin Salman (MBS)] im Corona-Begrüßungsstil ihre Fäuste aneinanderstießen | |
und sich dabei fest in die Augen blickten, der US-Amerikaner ernst, der | |
Saudi ein Lächeln unterdrückend. | |
Bidens Faustschlag hat MBS auf der internationalen Bühne wieder salonfähig | |
gemacht. Da hilft auch nicht, dass es zuvor aus dem Weißen Haus hieß, dass | |
es auf dieser Reise nicht um „greetings“, sondern um „meetings“ gehe, a… | |
um Inhalte und nicht um den Begrüßungsstil. | |
Für Biden war die Reise nach Saudi-Arabien wie ein Gang nach Canossa. Als | |
Präsidentschaftskandidat 2020 hatte er MBS noch ziemlich direkt für den | |
[2][Mord an dem saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi] verantwortlich | |
gemacht. Auch die CIA hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass nach ihrer | |
Überzeugung die Killertruppe, die Khashoggi 2018 im saudischen Konsulat | |
in Istanbul auflauerte und anschließend seine Leiche zersägte, im Auftrag | |
des Kronprinzen handelte. | |
In Zeiten des Ukrainekriegs und der damit einhergehenden Energiekrise | |
braucht die USA nun aber zusätzlich gepumptes saudisches Öl, um den Preis | |
des schwarzen Goldes zu kontrollieren. Auch die Loyalität Saudi-Arabiens | |
ist gefragt im Streit mit Russland und in der Konkurrenz mit China. MBS | |
kostet die erneute Anerkennung aus und präsentiert sich wieder als | |
regionales Schwergewicht. | |
## Öffentliche Statements zur Gesichtswahrung Bidens | |
Das Treffen des US-Präsidenten mit dem Kronprinzen dauerte drei Stunden, | |
doppelt so lange wie geplant. Was davon an die Öffentlichkeit kam, diente | |
vor allem der Gesichtswahrung Bidens. Er habe den Mord an Khashoggi direkt | |
angesprochen, erklärte der US-Präsident gegenüber der Presse. | |
„Sich in einem solchen Fall still zu verhalten ist nicht vereinbart, mit | |
dem, was wir sind und was ich bin. Ich stelle mich immer hinter unsere | |
Werte“, erklärte Biden. Der Kronprinz habe ihm gesagt, dass er nicht | |
persönlich für den Mord an Khashoggi verantwortlich sei. „Ich habe darauf | |
hingewiesen, dass ich glaube, er ist es doch“, schildert der US-Präsident | |
das Gespräch. Die entscheidende Frage, wer denn nun für den Mord an | |
Khashoggi zur Rechenschaft gezogen wird, blieb unbeantwortet. | |
Khashoggis einstige Verlobte, [3][Hatice Cengiz], schrieb in einem Tweet, | |
was Khashoggi ihrer Meinung nach selbst zu Biden gesagt hätte: „Ist das die | |
Rechenschaft, die du mir für den Mord an mir versprochen hast? Das Blut des | |
nächsten Opfers von MBS klebt an deiner Hand.“ | |
Cengiz wurde dafür vom US-Kongressabgeordneten Brad Sherman kritisiert. Er | |
wies darauf hin, dass vor allem ärmere Länder unter einem hohen Ölpreis zu | |
leiden hätten und warnte vor daraus folgenden Hungerkatastrophen. „Es ist | |
leicht für Khashoggis Verlobte, zu sagen: Vergesst die Tausenden Menschen, | |
die bei einem hohen Ölpreis sterben werden, und rächt den Tod meines | |
Verlobten. Wir müssen hier erwachsen handeln“, sagte Sherman in einem | |
BBC-Interview. | |
## Saudis verweisen auf Doppelmoral der USA | |
Währenddessen führten die Saudis Biden nach seinem Treffen mit MBS | |
genüsslich vor. Der Kronprinz habe den Mord an Khashoggi als bedauerlich | |
bezeichnet, aber Biden darauf hingewiesen, dass auch an anderen Orten der | |
Welt Journalisten ermordet werden, etwa die Palästinenserin Schirin Abu | |
Akleh in den israelisch besetzten Gebieten, die auch US-Staatsbürgerin war. | |
Andere saudische Offizielle sprachen unschuldige Opfer von | |
US-Drohnenangriffen weltweit an, für die nie jemand zur Rechenschaft | |
gezogen wurde. Es war eine öffentliche Aufrechnung, die auch zeigt, wie | |
geschwächt die Position der USA im Nahen Osten ist, seit sich das Land | |
militärisch und politisch immer mehr zurückgezogen hat. | |
Genau diesem Eindruck wollte Biden am zweiten Tage seines Besuchs | |
entgegenwirken. „Lassen Sie mich klar sagen, dass die Vereinigten Staaten | |
ein aktiver, engagierter Partner im Nahen Osten bleiben werden“, sagte er | |
beim Gipfel des Golf-Kooperationsrats, an dem neben den Königen, Emiren und | |
Sultanen vom Golf auch die Präsidenten Ägyptens, Iraks und Jordaniens | |
teilnahmen. „Wir werden nicht weggehen und ein Vakuum hinterlassen, das von | |
China, Russland oder Iran ausgefüllt wird“, fügte Biden hinzu. | |
Dafür nahm er dann ganz im Sinne seiner Gastgeber das Thema Iran auf, wie | |
schon zu Beginn seiner Nahostreise in Israel. Er betonte erneut, dass Iran | |
die Beschaffung einer Atomwaffe verwehrt bleiben müsse. Dazu wolle er eng | |
mit den Staaten der Region zusammenarbeiten. Mit Diplomatie werde die USA | |
versuchen, das iranische Atomprogramm wieder einzuschränken. | |
## Biden bettelte letztlich um erhöhte Ölproduktion | |
All das wirkte wie eine Nebelkerze, um den Hauptzweck seiner Reise zu | |
verschleiern: den saudischen Kronprinzen um eine erhöhte Ölproduktion | |
anzubetteln. Mit scheinbarem Erfolg: MBS kündigte an, Saudi-Arabiens | |
Förderkapazität um 1 Million auf 13 Millionen Barrel pro Tag zu erhöhen. | |
Zu Beginn von Bidens Amtszeit hatten die arabischen Autokraten noch | |
befürchtet, dass ihnen in Sachen Menschenrechte vielleicht doch ein | |
schärferer Wind aus dem Weißen Haus entgegenschlagen könnte. Der | |
amerikanisch-saudische Faustschlag zeigt, dass sie in dieser Hinsicht | |
nichts zu befürchten haben. | |
17 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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