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# taz.de -- Die Wahrheit: Mord im Akkord
> Unaufgeklärte tödliche Delikte am Menschen häufen sich in jüngster Zeit
> hierzulande. Verdächtige Arbeitsunfälle nehmen hingegen gewaltig ab.
Bild: Abdrücke der Finger auf der Tatwaffe? Für einen Mord viel zu auffällig
Von Kommissar Kriki
Mord ist kein Arbeitsunfall, wenn der Mord am Arbeitsplatz geschieht,
stellte das Bundessozialgericht in Kassel bereits 1998 in einem Urteil fest
(Aktenzeichen B2 U 27/97). Die Richter ahnten vermutlich nicht, was ihre
leichtfertige Entscheidung damals anrichtete. Denn damit entstand
selbstverständlich ein neuer Markt für vorgetäuschte Mordfälle, denn welche
Unfallversicherung möchte schon für einen Unfall zahlen, wenn sie das
irgendwie umgehen kann?
Was liegt also näher für skrupellose Arbeitgeber und Versicherungen,
Arbeitsunfälle in Mordfälle umzudeuten? Dazu braucht man lediglich einen
gewissenlosen Reprofiler und eine gute Portion an krimineller Energie. Ein
Reprofiler ist ein Ermittlungsvertuscher, der perfide die richtigen
falschen Spuren zu nicht vorhandenen Mördern legt und bei den Behörden eine
Mordermittlung auslöst, die dann im Sande verläuft. In der Folge zuckt der
Kommissar die Achseln, wieder einer dieser mysteriösen Todesfälle …
Die dafür verantwortlichen Reprofiler(-innen sind leider noch selten) sind
für ihre Auftraggeber leicht zu finden und rekrutieren sich aus dem
unübersehbaren Heer der alkoholabhängigen Ex-Polizisten, der frustrierten
pensionierten Fremdenlegionäre und der entlassenen Kaufhausdetektive.
Allesamt skrupellos und gänzlich ohne Gewissensbisse. Ihnen gegenüber steht
ein vom Alltag lädiertes und unterbezahltes Ermittlungspersonal, das auf
seinen guten Riecher vertrauen muss.
## Dunkelziffer im Dunkeln
Eine Nase für das Verbrechen haben Schnüffler aber nur im Fernsehen, wo
grundsätzlich jedes Verbrechen aufgeklärt wird. Es soll sich ja nicht
auszahlen, wie die Lehre des sonntäglichen gesellschaftlichen Moralstücks
„Tatort“ ist. Weil aber so viel im Fernsehen gemordet wird, glauben die
deutschen Kistengucker, dass es jeden Tag in Deutschland Hunderte Morde
gibt. Tatsächlich wurden laut amtlicher Statistik für das Jahr 2022 ganze
211 vollendete Taten registriert. Die Dunkelziffer bleibt im Dunkeln. Auch
wegen der neuartigen Scheinmorde.
Woran aber können die gewieften Ermittelnden einen Scheinmord erkennen? Da
gibt es ein paar klare polizeiliche Paradigmen: Vorsicht ist jedes Mal
geboten, wenn ein Mord zu klar erscheint. Denn wie leicht ist es, der
unschuldigen ’Ndrangheta einen Mord in die nachträglich angefertigten
Betonschuhe zu schieben!
Weitere Anzeichen eines vorgetäuschten Mordes sind unnötige Schusswunden
und lustlos ausgeführte Messerstiche. Tauchen dann noch pubertäre
Begleitzettel („Stirb, du Schwein!“) am Tatort oder mysteriöse Notizen mit
nicht existierenden Telefonnummern auf, ist höchstes Misstrauen geboten!
Liegt der Leiche schließlich ein Streichholzbriefchen einer einschlägig
bekannten Pizzeria bei, ist der Fall schon fast aufgeklärt: ein klassischer
Scheinmord. Wichtige Merkmale sind auch nachträglich ausgeführte
Tätowierungen mit den Abzeichen der „Hells Kitchen Angels“ oder der
„Bandidos sin Skrupolos“. Alles überdeutliche Wegweiser, die überforderte
Ermittler in die Irre führen sollen. Auch sollte ein verdächtiger Fundort
des vermeintlichen Mordopfers argwöhnisch machen: gepflegter Vorgarten,
häufig frequentierte Unterführung und leicht zugängliche Tiefgarage – alles
viel zu offensichtlich.
## Preissschild am Revolver
Gern wird auch eine zusätzliche „Tatwaffe“ am Fundort deponiert, oft klebt
noch das Preisschild am Revolver. Oder es liegt ein achtlos weggeworfener
Zigarettenstummel mit Schmauch- oder Frühstücksrestspuren herum! Ein
Spiegelei am Filter? Hochverdacht!
Sind nur drei der erwähnten Verdachtspunkte erfüllt, dann sollte sich eine
seriöse Mordkommission umgehend aus den Ermittlungen zum Tatgeschehen
zurückziehen und sofort gegen den korrupten Werksarzt vorgehen, der die
Morde bei seinen Werksangehörigen diagnostiziert und die merkwürdige
Häufung der Taten zu verantworten hat.
Sollte dieser mörderische Arzt dann überraschend tot aufgefunden werden,
tippt nicht nur Kommissar Zufall auf einen tragischen Arbeitsunfall! Wenn
es nicht der Gärtner war.
6 Jun 2023
## AUTOREN
Kriki
## TAGS
Mord
Polizei
Unfälle
Wildtiere
Wirtschaftswunder
Katholische Kirche
Die Wahrheit
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