# taz.de -- Die SPD in Rheinland-Pfalz: Neustart nach dem Desaster | |
> Die Mainzer SPD wählt nach der Ahrkatastrophe ein neues Vorstandstandem. | |
> Für Aufregung sorgt die Zukunft von Ministerpräsidentin Malu Dreyer. | |
Bild: Regierungschefin Malu Dreyer hält sich bedeckt. Selbst in ihrer engeren … | |
MAINZ taz | Nur am Rande des Parteitags der Mainzer SPD fällt der Name von | |
Malu Dreyer, ihrer prominentesten Genossin. Seit dem [1][Missmanagement der | |
Landesregierung bei der Flutkatastrophe im Ahrtal] ist die | |
Ministerpräsidentin, lange Garant für strahlende Wahlsiege, in ihrer Partei | |
nicht länger sakrosankt. Viele machen sie insgeheim für das Desaster der | |
SPD in der Landeshauptstadt verantwortlich. | |
Im Oktober letzten Jahres hatte Dreyer ihren langjährigen Weggefährten | |
[2][Innenminister Roger Lewentz] entlassen müssen. Verstörende | |
Videoaufnahmen aus einem Polizeihubschrauber hatten belegt, dass das Ausmaß | |
der Katastrophe den Behörden [3][in der Flutnacht] früher hätte bekannt | |
sein müssen als behauptet. Es zeigte Menschen auf den Dächern ihrer Häuser, | |
die mit Taschenlampen verzweifelt Notsignale aussendeten. Viele der 136 | |
Todesopfer an der Ahr hätten gerettet werden können, wenn aus den Aufnahmen | |
zeitnah Konsequenzen gezogen worden wären. | |
Die Bilder waren erst nach über einem Jahr aufgetaucht. Lewentz erklärte | |
seinen Rücktritt, weil sie in seinem Verantwortungsbereich nicht | |
weitergegeben worden seien. Um die Lücke schnell zu füllen, hatte Dreyer | |
Michael Ebling, 56, als ihren neuen Innenminister präsentiert – zum | |
Verdruss der Mainzer GenossInnen, die über Nacht ihren just in seinem Amt | |
bestätigten Oberbürgermeister verloren. | |
## Über die Niederlage möchte keiner sprechen | |
In Mainz folgte das Desaster mit Ansage. Bei der fälligen Neuwahl vor drei | |
Monaten scheiterte die Oberbürgermeisterkandidatin der SPD, Mareike von | |
Jungenfeld, schon im ersten Wahlgang. Nach nur einem Jahr im Amt trat sie | |
als Parteivorsitzende des Unterbezirks zurück. Deshalb mussten nun am | |
vergangenen Mittwoch im Mainzer Unterhaus die fast vollzählig erschienenen | |
140 Delegierten zu einem Parteitag zusammenkommen, um ein neues | |
Vorsitzendentandem für den Unterbezirk wählen. | |
Das berühmte Kellertheater ist Heimat des Deutschen Kabarettpreises, doch | |
zu lachen gab es an diesem Abend wenig. 78 Jahre lang hatte die SPD den | |
Mainzer Oberbürgermeister gestellt. Nun muss die Partei als Juniorpartner | |
in einer grün-geführten Ampelkoalition mit dem neuen, unabhängigen | |
Oberbürgermeister Nino Haase zurechtkommen. Im Juni 2024 stehen Kommunal- | |
und Europawahlen an. Bei einer Niederlage könnte die SPD auch ihre | |
Regierungsbeteiligung in der Landeshauptstadt verlieren. | |
Mit Bob Marleys Liedzeile „Get up, stand up, don’t give up the fight“ | |
machte der neue Vorsitzende Ata Delbasteh sich und den Mainzer GenossInnen | |
Mut. Mit 91 Prozent wurde der 44-jährige Unternehmer, mit 85 Prozent die | |
Chefin der Stadtratsfraktion Jana Schmöller zur Co-Chefin gewählt. | |
Doch über die Niederlage mag keiner so recht sprechen. „Ich finde es gut, | |
dass wir nach vorne schauen“, sagte der frühere Mainzer Finanz- und | |
Sozialdezernent Kurt Merkator, der die denkwürdige Versammlung leitete. | |
Nach der Ursache der Wahlniederlage gefragt, blieb der neue Mainzer | |
SPD-Chef Delbasteh vage: „Unsere Kandidatin hatte einfach nicht genug Zeit, | |
sich bekannt zu machen.“ Merkator wurde deutlicher: „Dass sie uns den | |
Oberbürgermeister geklaut haben, fand ich nicht gut.“ Ein anderer Genosse | |
sagte: „Die Leute hier sind stinksauer.“ | |
## Dreyer schweigt beharrlich zu allen Spekulationen | |
Immerhin scheint die personelle Neuaufstellung des wichtigen Mainzer | |
SPD-Unterbezirks geklärt. Fragen zur Zukunft der Landespartei waren nur | |
inoffiziell Thema an diesem Abend. Im November läuft die Amtszeit das | |
Landesvorsitzenden Roger Lewentz ab. Der 60-Jährige kann sich eine erneute | |
Kandidatur vorstellen. Viele aus der Partei hätten ihn gebeten, noch einmal | |
zu kandidieren. „Ich überlege noch“, zitierte ihn jüngst die | |
Nachrichtenagentur dpa. | |
„Der Roger ist gut drauf und es tut der Partei gut, dass er nach seinem | |
Rücktritt wieder mehr Zeit hat für die Parteiarbeit“, sagt eine aus seiner | |
Umgebung. Seine Fans erinnern sogar an Parteiikone Willy Brandt. Der habe | |
doch auch nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler jahrelang an der Spitze | |
der Partei gestanden. Andere finden den Vergleich vermessen. | |
Regierungschefin Malu Dreyer schweigt beharrlich zu allen Spekulationen. | |
Selbst in ihrer engeren Umgebung rätseln sie über die Zukunftspläne der | |
Ministerpräsidentin, die im Januar ihr zehnjähriges Jubiläum in diesem Amt | |
feierte. | |
Tritt sie bei der nächsten Landtagswahl 2027 noch einmal an? Will sie ihr | |
Amt nach der Kommunalwahl im nächsten Jahr abgeben, um einem Nachfolger | |
oder einer Nachfolgerin genügend Zeit zur Profilierung zu geben? Alle | |
denkbaren KandidatInnen halten sich bedeckt, Superminister Alexander | |
Schweitzer, zuständig für Digitales und Arbeit, und Landtagsfraktionschefin | |
Sabine Bätzing-Lichtenthäler ebenso wie der neue Innenminister Ebling. Er | |
gilt vielen als Dreyers Favorit. | |
„Die Vorstandswahl auf dem Parteitag im November kommt für ihn zu früh“, | |
sagt ein verdienter Genosse, ein anderer ergänzt: „Der muss erst mal | |
[4][die Dinge im Ahrtal] hinbekommen“, und spielt damit auf die | |
Krisenbewältigung an. Mit einer erneuten Kandidatur würde Lewentz der | |
Partei und der Ministerpräsidentin Zeit verschaffen. Eine | |
Nachfolgediskussion, rund um den zweiten Jahrestag der Flutkatastrophe im | |
Juli, kann sie nicht gebrauchen. Die Fragen nach ihrer eigenen | |
Verantwortung haben ihr zugesetzt. Immer wieder betont sie ihre Anteilnahme | |
am Leid der Opfer und ihrer Angehörigen. | |
Zu Lewentz’ möglicher erneuter Kandidatur sagt Innenminister Ebling | |
schmallippig: „Der Landesvorsitzende hat angekündigt, dass er sich bis zur | |
Sommerpause erklären wird; lassen wir ihm die Zeit!“ Allein Merkator | |
spricht Klartext: „Ich glaube nicht, dass Malu sich damit einen Gefallen | |
tut.“ Eine erneute Kandidatur von Roger Lewentz als Landesvorsitzender, | |
nachdem er als Innenminister zurücktreten musste, hält er für keine gute | |
Idee. Der neue Mainzer SPD-Chef Delbasteh, bekennender Fassenachter, | |
wiegelt ab: „Sicher ist nur, am 11. 11. beginnt die neue Kampagne!“ | |
25 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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gedacht. Mit dabei: Erfolgsgeschichten, aber auch Frust. |