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# taz.de -- Berliner Datenschutz-Jahresbericht: Alle Hände voll zu tun
> Auch 2022 dokumentierte die Landesbeauftragte zahlreiche Verstöße, etwa
> bei Parteiwerbung. Zudem bemängelt die Behörde fehlende
> Handlungsmöglichkeit.
Bild: Datenschutzrechtlich bedenklich: Berliner Briefkästen wurden Opfer perso…
Berlin taz | In Sachen Datenschutz hat Berlin weiterhin großen
Nachholbedarf. Das legt der Inhalt des Jahresberichts „Datenschutz und
Informationsfreiheit“ nahe, den die Berliner Datenschutzbeauftragte Meike
Kamp am Montag im Abgeordnetenhaus offiziell vorstellte.
Vor allem bei der schleppend vorangehenden Digitalisierung der Verwaltung
sowie der Kontrolle der Datenverarbeitung durch Polizei und Justiz gibt es
weiterhin großen Handlungsbedarf. Auch Datenschutzbedenken bei
personalisierter Parteiwerbung beschäftigt die Landesbeauftragte.
Insgesamt wurden knapp 4.500 Beschwerden eingereicht und rund 1.500
Verfahren eröffnet. Die Zahl ist nach wie vor hoch, allerdings ein wenig
niedriger als im Vorjahr, als besonders viele Beschwerden im Zusammenhang
mit der Coronapandemie eingingen.
Insgesamt wurden 269 Verwarnungen gegenüber privaten und öffentlichen
Stellen ausgesprochen und Bußgelder in Höhe von insgesamt 716.575 Euro
erlassen.
## Stelle ein Jahr unbesetzt
Die unabhängige Landesbehörde kontrolliert die Einhaltung des Datenschutzes
in Politik, Verwaltungsbehörden, Unternehmen, [1][Bildungsinstitutionen]
und Vereinen, berät und informiert zu Fragen des Datenschutzes. Kamp
bekleidet seit November 2022 das Amt, das nach dem Rücktritt ihrer
Vorgängerin Maja Smoltczyk über ein Jahr lang unbesetzt blieb.
Durch die voranschreitende Digitalisierung steigen auch die Bereiche, die
für Datenschutz relevant werden. Besonders die Digitalsierung der
Verwaltung werde eine enorme Aufgabe darstellen, sagt Kamp bei der
Pressekonferenz. „Es besteht weiterhin großer Aufholbedarf“, beim
Transformationsprozess Datenschutz zu berücksichten sei „essentiell für das
Vertrauen in der Bevölkerung“.
Insbesondere wünscht Kamp die Verabschiedung des seit 2016 geplanten
Transparenzgesetzes. Demnach sollen Verwaltungsbehörden sämtliche
Datensätze in einem zentralen Portal offen zugänglich machen.
Ein solches Transparenzgesetz stärke nicht nur die Rechte der
Bürger:innen auf Informationsfreiheit, sondern könne Abläufe politischen
und administrativen Handelns deutlich beschleunigen. So könnten Behörden
problemlos auf Daten anderer Behörden zugreifen. „Die Verwaltung ist selber
ihr bester Gast“, fasst Kamp zusammen.
## Problemfall Polizei
Auch in diesem Jahr dokumentiert der Bericht [2][zahlreiche
Datenschutzverstöße von den Polizeibehörden]. Insgesamt hat die
Datenschutzbeauftragte 18 Verfahren gegen Polizist:innen eingeleitet,
die den Zugriff auf die Polizeidatenbank missbrauchten, um etwa Daten von
Familienmitgliedern, Freund:innen oder Nachbar:innen abzufragen.
Auf der Pressekonferenz versprach Kamp, Polizeibehörden in Zukunft stärker
in den Fokus zu nehmen. Diesbezüglich kritisierte sie fehlenden
Handlungsspielraum ihrer Dienststelle. Gegenüber Polizei und
Staatsanwaltschaft könne sie lediglich eine Beanstandung aussprechen,
rechtlich wirksame Anordnungsbefugnisse, mit denen etwa das Löschen von
bestimmten Datensätzen erwirkt werden könne, seien derzeit nicht möglich.
„Das Problem ist, dass Datenschutzverstöße so nur politisch gelöst werden
können“, sagt Kamp auf Nachfrage. Da diese Regelung gegen EU-Recht
verstößt, hat die Europäische Kommission bereits ein
Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Einen weiteren Schwerpunkt will Kamp bei personalisierter Parteiwerbung
setzen. Die Dienststelle erreichte im Zuge der Bundestagswahl zahlreiche
Beschwerden von Bürger:innen, die auf sie zugeschnittene, personalisierte
Wahlwerbung in ihren Briefkästen vorgefunden hätten.
## Gefährdete Grundrechte
Bei dieser als [3][„Microtargeting“] genannten Praxis kaufen Parteien
gezielt Adressen nach bestimmten Selektionskriterien und stimmen Inhalte
auf diese ab. Laut Kamp würden alle großen Parteien mittlerweile auf
Microtargeting zurückgreifen.
„Wir sehen bei dem Thema hohe Grundrechtsrelevanz“, sagt Kamp. Durch diese
Art der Werbung werde „Manipulation Tür und Tor geöffnet“. Durch
Microtargeting sei es möglich, dass dieselbe Partei sich gegenüber zwei
Personen komplett unterschiedlich darstellt. Dies habe dann mit dem im
Grundgesetz verankerten Auftrag der politischer Willensbildung nichts mehr
zu tun.
22 May 2023
## LINKS
[1] /Datenschutz-im-oeffentlichen-Dienst/!5823701
[2] /Polizei-gibt-persoenliche-Daten-weiter/!5799055
[3] /Forscher-ueber-Wahlen-und-Algorithmen/!5492369
## AUTOREN
Leonel Steinbrich
Jonas Wahmkow
## TAGS
Datenschutz
Datenschutzbeauftragte
Digitalisierung
Gesundheitsdaten
Datenschutz
Videokonferenz
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