# taz.de -- Frauenhäuser in Hamburg: Schutzraum ist knapp | |
> In Hamburg waren die Frauenhäuser 2022 im Durchschnitt zu 95 Prozent | |
> belegt. Immer wieder werden Frauen in andere Bundesländer verteilt. | |
Bild: Häufig ohne Schutz: Plätze in Frauenhäusern sind rar | |
HAMBURG taz | Es mangelt an Geld und Personal: Die Frauenhäuser in Hamburg | |
stießen vergangenes Jahr an ihre Kapazitätsgrenzen. Im Schnitt waren sie zu | |
95 Prozent belegt, vier von sechs Frauenhäusern in einzelnen Monaten über | |
100 Prozent ausgelastet. Dies geht aus einer Antwort des Senats auf eine | |
Anfrage der CDU hervor. Die Zahlen überraschen nicht – das Problem | |
überlasteter Frauenhäuser besteht schon seit Jahren, [1][nicht nur in | |
Hamburg]. | |
In der Hansestadt stehen Frauen 244 Plätze in sechs Häusern zur Verfügung. | |
Ihre Standorte sind geheim. Frauen, die vor Gewalt in der Partnerschaft | |
oder Familie fliehen, können hier unterkommen. Laut Senatsantwort | |
verweilten Frauen und Kinder im vergangenen Jahr durchschnittlich 223 Tage | |
in den Einrichtungen. In der Notaufnahme der Hamburger Frauenhäuser waren | |
es 6,58 Tage. Klingt wenig, ist aber mehr als vorgesehen. | |
„Eigentlich bleiben die Frauen nur drei bis fünf Tage bei uns“, sagt Maike | |
Osterhoff, die in der Notunterkunft arbeitet. „In dringenden Fällen – zum | |
Beispiel wenn die Frau einen Job in Hamburg hat oder mit mehreren Kindern | |
nirgends unterkommt – bleibt sie ein bis zwei Wochen.“ Die | |
Mitarbeiter*innen vermitteln die Frauen an die Frauenhäuser in der | |
Stadt. Die Auslastungsquote der Notaufnahme lag 2022 bei 92,5 Prozent. | |
„Eigentlich streben wir eine Auslastung von 60 Prozent an“, sagt Osterhoff. | |
Denn: „Unsere Arbeit ist sehr intensiv. Bei uns ist immer – wirklich immer | |
– Krise“, sagt sie. Die hilfesuchenden Frauen müssen teilweise in andere | |
Bundesländer geschickt werden, weil alle Plätze belegt sind, schreibt der | |
Senat. 2022 wurden demnach 280 Frauen und Kinder in andere Bundesländer | |
vermittelt, größtenteils aus der Notaufnahme. Die meisten gingen nach | |
Schleswig-Holstein. | |
## Vorgaben der Istanbul-Kovention nicht erfüllt | |
In ganz Deutschland kämpfen Frauenhäuser mit ihren Kapazitäten. Dabei trat | |
bereits vor fünf Jahren die [2][Istanbul-Konvention des Europarats] in | |
Deutschland in Kraft: Sie verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zu | |
umfassenden Maßnahmen der Gewaltprävention. Dazu gehört auch die Schaffung | |
von Frauenhausplätzen: Auf 10.000 Einwohner*innen soll demnach ein | |
Familienplatz geschaffen werden, also Platz für eine Frau und 1,5 Kinder. | |
Viele Länder beklagen, dass diese Vorgabe bei weitem nicht erfüllt werde, | |
darunter Berlin. Dort wären bei ordnungsgemäßer Umsetzung der Konvention | |
920 Plätze vorhanden – tatsächlich sind es aber nur rund 450. | |
Eine [3][Recherche von Correctiv] legte im März offen, dass die | |
ausgewerteten Frauenhäuser in 13 Bundesländern an durchschnittlich 303 | |
Tagen in 2022 keine Frauen aufnehmen konnten. Oft ist auch ein Problem, | |
dass die Frauen mit Kindern kommen. Osterhoff sagt: „Ab zwei Kindern haben | |
die Frauen auf jeden Fall Probleme, einen Platz zu bekommen.“ | |
In Schleswig Holstein waren die Frauenhäuser laut Correctiv-Recherche | |
durchschnittlich zu 90 Prozent belegt. „Es gibt ein Riesen-Loch in | |
Schleswig-Holstein“, sagt auch Beate Raudies, SPD-Landtagsabgeordnete in | |
Schleswig Holstein. „Die Mietkosten von Frauenhäusern werden hier teilweise | |
nicht übernommen. Die müssen betteln gehen.“ | |
Aber: Aktuell wird eine Gesetzesänderung diskutiert, nach der mehr Geld für | |
Frauenhäuser und Beratungsstellen zur Verfügung gestellt werden soll. | |
Raudies wünscht sich mehr Plätze und den flächendeckenden Ausbau von | |
Beratungsangeboten. „Wenn die Frau im Frauenhaus mit blauem Auge steht, ist | |
das nur die Spitze des Eisbergs“, sagt sie. Das geplante Kompetenzzentrum | |
soll klare Strukturen schaffen: „Zum Beispiel sollen Konzepte für die | |
Polizei erarbeitet, und ein Fortbildungssystem für Richter*innen | |
eingeführt werden.“ | |
Diese spielen zum Beispiel eine Rolle, wenn eine Frau zurück in ihre | |
Wohnung – aber nicht zu dem Täter – will. Man kann den [4][Gewalttäter ü… | |
einen Eilrechtsantrag aus der Wohnung bekommen.] | |
## Keine einheitliche Finanzierung | |
Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung die Finanzierung von | |
Frauenhäusern in einem bundeseinheitlichen Rahmen regeln. Bis jetzt ist | |
jedes Bundesland selbst dafür verantwortlich. Laut der Hamburger | |
Senatsantwort erhalten die Hamburger Frauenhäuser und die Zentrale | |
Notaufnahme 2023/2024 Bewilligungen in Höhe von gut neun Millionen Euro. | |
Die Festschreibung einer einheitlichen Regelung im Koaltionsvertrag wird | |
als großer Schritt gewertet, Raudies aber warnt: „Das ist gut. Wir müssen | |
aber aufpassen, dass wir nicht in den guten Sachen, die wir bereits haben, | |
beschnitten werden.“ | |
24 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Frauenhaus-Chefin-ueber-Gewalt-an-Frauen/!5893992 | |
[2] /Streik-der-Frauenhaeuser/!5918315 | |
[3] https://correctiv.org/aktuelles/2023/03/06/haeusliche-gewalt-frauenhaus-pla… | |
[4] /Urteil-im-Goettinger-Femizid-Prozess/!5917038 | |
## AUTOREN | |
Nina Spannuth | |
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