# taz.de -- Debatte um Muttertag: Nur symbolische Ehrung | |
> Auf Bastelgeschenke für Mutti kann unsere Autorin verzichten. Viel lieber | |
> wäre ihr eine 32-Stunden-Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich. | |
Bild: Unsere Autorin kann auf das von der Floristikbranche erfundene Ritual ger… | |
Am Sonntag ist es wieder so weit: Wenn ich mich morgens in die Küche | |
schleppe, wird an meinem Platz irgendeine gebastelte Kleinigkeit liegen, | |
ein aus Papierstreifen geflochtenes Herz oder schlimmstenfalls eine | |
stereotype, vom Kind ausgemalte Motiv-Vorlage mit Fließband-Spruch: Liebe | |
Mama, schön, dass Du da bist. Na, alles Gute [1][zum Muttertag] aber auch! | |
Ich persönlich kann auf dieses von der Floristikbranche erfundene und von | |
den Nazis etablierte Ritual gern verzichten. | |
Aber in traditionsbewussten Haushalten „gehört es halt dazu“, dass man | |
[2][die Mutti wenigstens einmal im Jahr symbolisch ehrt] und ihr ein | |
Frühstück zaubert, das sie an einem von 365 Tagen dann nicht selber | |
wegräumen muss. Wenn sie Glück hat. Wenn sie Pech hat, auch das – und die | |
lieblos in der Schule gefertigte Bastelarbeit wird sie an der Küchenwand | |
ein ganzes Jahr lang an den missglückten Wertschätzungsakt erinnern. | |
Zum Glück leben wir nicht mehr in den 1980ern und die Kinder werden nicht | |
mehr dazu angehalten, für Mutti Aschenbecher zu töpfern (ich werde nie das | |
Gesicht meiner Mutter vergessen!). Aber wenn jetzt eine Kita aus | |
Diversitätsgründen ganz aufs 14.-Mai-Basteln verzichtet, wie in Fulda | |
geschehen, dann ist das einigen viel zu fortschrittlich. | |
Dem CDU-Politiker Tilman Kuban beispielsweise, der als begabter | |
Jungpopulist sogleich [3][Genderterror]-Verdacht und Traditionszerstörung | |
ins Internet herauskrähte – inklusive Nennung der Adresse der Kita, die | |
dann überraschenderweise von einer Hasswelle überrollt wurde. Kuban ist | |
zwar erst 35, aber im Kopf bereits ganz Boomer. | |
## Briten leben kürzer | |
Und die müssen jetzt ganz tapfer sein, denn viele liebgewordene Routinen | |
aus Nachkriegswestdeutschland (mit Öl heizen, sich halb tot arbeiten und | |
dann zur Erholung „[4][in die Sonne“ fliegen]) beginnen schneller zu | |
bröckeln als ein Fimo-Herz in der Sonne. Jetzt wollen Sozis, Linke und | |
Gewerkschafter sogar die gute alte Arbeitswoche auf vier Tage verkürzen! | |
Gut, so ganz ist noch nicht raus, ob es in Richtung 40 Stunden in vier | |
Arbeitstage quetschen geht oder ob tatsächlich das | |
32-Stunden-Teilzeit-Paradies bei vollem Lohn anbricht wie von der IG Metall | |
gefordert – was übrigens auch viele Mütter zurück in eine | |
familienverträgliche Vollzeitstelle bringen könnte: Mutti könnte sich dann | |
später, wenn die Kinder einmal aus dem Haus sind, von ihrer besseren Rente | |
selbst jeden Sonntag einen Muttertag mit Milchkaffee bescheren. | |
Und auch Vati wäre dann, dank der gesundheitsschonenden Vier-Tage-Woche, | |
noch länger am Start als jetzt: Laut einer aktuellen Umfrage belegen die | |
Deutschen bei der [5][Lebenserwartung] im Vergleich von insgesamt 16 | |
westeuropäischen Ländern den 14. Platz, deutsche Männer liegen sogar auf | |
Platz 15, das heißt: Sie sterben deutlich früher als Spanier oder | |
Italiener. Bei der Todesursache Herz-Kreislauf-Erkrankung liegen die | |
Deutschen vorn – was deutlich dafür spräche, weniger zu arbeiten. | |
## Wer will denn keine zwanzig Prozent mehr Freizeit? | |
In Großbritannien, Schlusslicht bei der Lebenserwartung, experimentieren | |
Unternehmen bereits mit dem „100:80:100-Modell“- 100 Prozent des Lohns für | |
80 Prozent der Zeit, im Gegenzug für die Verpflichtung, mindestens 100 | |
Prozent der Produktivität zu erreichen. Wenn das auch bei uns Schule macht, | |
blieben unterm Strich 20 Prozent mehr Freizeit. | |
Für Traditionsmänner wie Tilman Kuban oder, sagen wir, Kai Diekmann, bieten | |
sich da viele schöne Tätigkeiten an: Den Fußballverein TSV Kirchdorf nach | |
vorne bringen, twittern, Bücher über die Familie Kohl schreiben, die einer | |
Heerschar von Anwälten einige 50-Stunden-Wochen bescheren dürften … | |
Bei näherer Betrachtung ist es vielleicht doch keine gute Idee, die | |
Deutschen weniger arbeiten zu lassen. Zumindest für die männlichen | |
Angehörigen der berühmt-berüchtigten Babyboomer (oder wie in Kubans Fall | |
Boomer im Geiste) dürfte gelten, was der englische Staatstheoretiker Thomas | |
Hobbes in seinem „Leviathan“ feststellte: „Wenn der Mensch Muße und | |
Vermögen im Überfluss hat, ist er am unleidlichsten“. | |
14 May 2023 | |
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[3] /Gendern-als-Ausschlusskriterium/!5782080 | |
[4] /Die-Wahrheit/!5757172 | |
[5] https://www.bib.bund.de/DE/Presse/Mitteilungen/2023/2023-05-10-Lebenserwart… | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
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