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# taz.de -- Die Wahrheit: Muttimäßig mit Macbook
> Wie bloß mit dem verschnarchten Gebärerinnen-Ehrentag umgehen? Eine
> Mutter ging jüngst mit Hafermilch und mehr in die Offensive.
Bild: Unsere Autorin kann auf das von der Floristikbranche erfundene Ritual ger…
Muttertag 2022 ist auch nicht so wie früher. Statt handgeschöpfter Lyrik
(„Bist mein liebes Mütterlein / tust doch alles für mich so fein / putzt
meinen kleinen Hintern rein“) oder selbstzerdrückter Blumen gibt es seit
dem Ende des Kindergartens mal Schokoherzen und mal warme Worte, aber
meistens gar nichts. Ich habe mich daran gewöhnt, zumal der Nachwuchs und
ich uns längst einig sind, dass Muttertag ein Quatsch ist, erfunden von den
Amerikanern, dem Kapitalismus oder von Adolf Hitler, diesem wandelnden
bärtigen Mutterkreuz (Zutreffendes bitte ankreuzen, mir ist das komplett
wumpe). Oder war es Bill Gates? Na, egal.
Nicht wumpe ist mir allerdings, dass ich eine Textnachricht bekomme, in der
steht, ich möge mich am Muttertag mal so richtig muttimäßig gut fühlen. Das
schreibt der boshafte Sohn, damit fein klar ist, wo die Grenze zwischen uns
verläuft, nämlich zwischen den Generationen, während ich doch lieber den
Wahn pflege, überall noch voll dabei zu sein.
Trotz allen Mutti-Gedisses habe ich mich neulich in seinem hippen
Stadtviertel allein in ein Café getraut, aber nur, weil ich ein Macbook auf
den Tisch legen konnte. Alle anderen Gäste waren jünger, hatten jedoch auch
einen Apple dabei, allerdings ein anderes Modell als ich, was mich
verunsicherte.
## Gratislieferung an Mama möglich
Die junge Frau vom Nachbartisch wollte dann mit dem Kellner ein
Health-Start-up gründen, da konnte ich nicht mehr mithalten, während der
junge Mann auf der anderen Seite den Kuchen zum Kaffee ablehnte und damit
praktisch schon ein Health-Start-up gegründet hatte. Um nicht aufzufallen,
bestellte ich Hafermilch-Cappuccino und schickte dem Sohn gleich die
Werbung vom Apple Store: „Lass dein Geschenk für deine Mama kostenlos
liefern!“ Seine Antwort ist nicht zitierfähig, auf jeden Fall wurde nichts
aus dem Muttertagsgeschenk.
Insgesamt ist in der Werbung eine gewisse Verunsicherung zu erkennen, ob
der verschnarchte Gebärerinnen-Ehrentag vornehm zu ignorieren oder
gnadenlos auszuschlachten ist. Haha, wer’s glaubt, in Wahrheit sind sie
doch alle dafür, dass Mutterschwein zu schlachten – aber vielen Dank, ich
möchte weder einen Gleitschirm-Tandemflug noch eine Alpakawanderung
geschenkt haben.
Meine eigene Mutter erklärte früher zu diesem sensiblen Datum, es solle ja
wohl besser jeder Tag Muttertag sein und sie würde sich über fortlaufende
Unterstützung bei ihren vielfältigen Tätigkeiten mehr freuen als über
Kaffee am Bett (einmal im Jahr, von zweifelhafter Qualität). Wir Kinder
schafften es zuverlässig, diesen Appell zu überhören.
Schlau ausgedachte Muttertags-Gutscheine über dreimal Abtrocknen wies sie
mit Verachtung zurück, weil dreißigmal das Minimum gewesen wäre.
Tatsächlich konnten wir uns irgendwann immerhin selbst den Hintern abputzen
– das war es dann aber auch mit der Unterstützung. Und ich hätte den Kaffee
am Bett übrigens gern mit frisch aufgeschäumter Hafermilch.
11 May 2022
## AUTOREN
Susanne Fischer
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