# taz.de -- Ohne Geld kein linker Jourmalismus: Jung, brutal, mittellos | |
> „Straßen aus Zucker“, die größte linke Jugendzeitung Deutschlands, kä… | |
> ums Überleben. Jetzt sammelt sie Spenden. | |
Bild: Spendenaktion „Druck gegen Rechts“: Künstler*innen stellen ihre Moti… | |
Als die linke Jugendzeitung Straßen aus Zucker (SaZ) im Zuge der | |
[1][Finanzkrise 2009] gegründet wurde, wollte sie vor allem eine | |
„niederschwellige“ linke Stimme sein und junge Menschen ansprechen. Doch | |
jetzt steht das Projekt auf der Kippe – und sammelt Spenden. | |
Die SaZ entsteht nach dem Motto: Man muss nicht mit Begriffen wie | |
„Degrowth-[2][Kommunismus]“, „postfaschistisch“ oder „cisgeschlechtli… | |
jonglieren können, um gesellschaftliche Verhältnisse infrage zu stellen. | |
„Da die Verhältnisse kompliziert sind, ist es nicht leicht, sie einfach zu | |
beschreiben. Aber es ist nicht unmöglich“, sagt SaZ-Redakteurin Jenny | |
Kiekbusch* über den Ansatz. Bisher sind 18 Ausgaben erschienen, mit Titeln | |
wie „Nationalismuskritik“, „[3][Religionskritik]“ und „Gefühle in Ze… | |
der kapitalistischen Produktionsweise“. | |
Die SaZ bezeichnet sich selbst als „anspruchsvoller als die taz, größer als | |
die Welt, zeitgemäßer als Konkret – und prekärer als die Frankfurter | |
Rundschau“. Wie viele linke Projekte ist auch die SaZ finanziell schlecht | |
aufgestellt. Deshalb hat sie einen Spendenaufruf gestartet und sich an | |
andere Medien gewandt. Unter anderem an die taz, der sie schon viele Male | |
beilag. Während der Pandemie seien wichtige Einnahmequellen wie Partys oder | |
Festival-Jobs der Redaktionsmitglieder weggebrochen, sagt Kiekbusch. | |
## Teurer Tortenwurf | |
Bis 2016 wurde die SaZ außerdem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert, | |
die der Linkspartei nahesteht. Doch dann gab es den [4][berüchtigten | |
Tortenwurf auf Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht] auf dem Magdeburger | |
Parteitag. Diese Torte soll von einer Person geworfen worden sein, die sich | |
über die SaZ akkreditiert haben soll. Daraufhin stellte die Stiftung die | |
ausgabengebundene Förderung ein. Die Redaktion bestreitet ihre Beteiligung | |
an der Aktion und bedauert, dass von der Stiftung kein Geld mehr kommt. | |
Seitdem ist das Zeitungsprojekt fast ausschließlich auf Spenden angewiesen. | |
Die SaZ betreibt kein klassisches Anzeigengeschäft, sondern schaltet | |
lediglich Austausch-Anzeigen, die in der Regel kein Geld einbringen. Druck | |
und Versand kosten pro Ausgabe rund 12.000 Euro. Laut Redakteurin Kiekbusch | |
hat die SaZ Schulden. | |
Um die nächste Ausgabe zum Thema „Protest“ dennoch drucken und verteilen zu | |
können, hat die Redaktion eine Spendenaktion namens „Druck gegen Rechts“ | |
gestartet. Künstler*innen stellen dabei ihre Motive kostenlos für Drucke | |
zur Verfügung, die in Berlin, Hamburg und Leipzig erworben werden können – | |
beispielsweise in der Schwankenden Weltkugel im Prenzlauer Berg und im | |
Spielzeugladen Wonnecitz in Leipzig. Die Erlöse gehen an die SaZ. | |
## Geld bekommt hier niemamd | |
Der Spendenaufruf soll nicht nur die nächste Ausgabe sichern, sondern | |
Straßen aus Zucker wieder bekannter machen. Die Redaktion sei wieder | |
gewachsen, berichtet Kiekbusch, und bestehe aus etwa zehn Mitgliedern | |
zwischen Anfang 20 und Ende 30. Sie alle schreiben, ohne Geld dafür zu | |
bekommen. Mal argumentieren sie, dass Klimaprotest antinationalistisch sein | |
muss, mal beschreiben sie, warum Arbeit im Kapitalismus krank macht, mal | |
interviewen sie [5][Martin Sonneborn]. | |
Und das alles „ohne den Duktus der Linken“, wie Kiekbusch es beschreibt, um | |
möglichst viele Menschen zu erreichen. „Wer mal ein Flugblatt einer linken | |
Unigruppe in der Hand hatte, weiß, was ich meine. Manchmal fragt man sich: | |
Was wollen die mir eigentlich sagen?“ Im Gegensatz dazu will die SaZ ohne | |
viele Fremdwörter, Szenecodes und Schachtelsätze auskommen. | |
Wichtig ist ihr, Milieus zu erreichen, die man sonst nicht mit einem | |
linksradikalen Debattenmagazin in Verbindung bringen würde. „Es lohnt sich, | |
nicht mit verschränkten Armen vor dem Rest der Gesellschaft zu stehen“, | |
sagt Kiekbusch. „Wir verteilen unsere Zeitung auch auf Demos, dir wir als | |
teilweise bürgerlich begreifen. Bestimmte Klimaproteste zum Beispiel, an | |
denen wir auch Kritik üben.“ Gerade dort sei es wichtig, in Austausch zu | |
treten. | |
Ansonsten wird die bemerkenswerte Auflage von 150.000 Stück deutschlandweit | |
an Unis, Schulen und auf Veranstaltungen verteilt. Laut Kiekbusch ordern | |
hunderte Menschen Exemplare, um sie in ihrem Umfeld zu verteilen. „Viele | |
Leute schreiben uns: Durch euch bin ich politisch geworden!“ | |
*Name auf Wunsch der Person geändert | |
2 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Schweizer-Bankenkrise/!5920059 | |
[2] /68er-Film-im-Historischen-Museum/!5928981 | |
[3] /Sozialismus-und-Religion/!5765812 | |
[4] /Kommentar-Tortenwurf-auf-Wagenknecht/!5308127 | |
[5] /Rassismusstreit-um-Martin-Sonneborn/!5744181 | |
## AUTOREN | |
Luise Mosig | |
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