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# taz.de -- Preiskampf im Möbelhaus: 5.100 Euro Rabatt fürs Sofa
> Wenn man endlich angekommen ist, kommen neue Schwierigkeiten: Möbel
> müssen her. Aber welche? Man könnte fragen. Aber welche Fragen sind die
> richtigen?
Bild: Vielleicht hat ja dort jemand seine Euros gehortet?
Vor Kurzem bin ich in eine neue Wohnung gezogen. Es ist nicht mein erster
Umzug. Aber dieser war mehr als vier Kartons von einem Ort zum anderen zu
schleppen. Mein bisheriges Wohnen glich eher einem aus dem Koffer heraus
leben. Dieses Mal will ich bleiben.
Jetzt sitze ich in meiner neuen Küche, blicke in einen schönen grünen Hof
und denke mir als jemand, der bisher in einem Durcheinander aus
Ebay-Kleinanzeigen-Möbeln gelebt und bei jeder Gelegenheit über seine ach
so vergebliche postmigrantische und postproletarische Suche nach einem
endgültigen Zuhause philosophiert hat: Scheiße, ist das stressig, eine
Wohnung einzurichten!
Letztes Wochenende zum Beispiel laufe ich in einen Möbelladen, [1][sehe ein
schönes Sofa], setze mich drauf, um es zu testen. Auf einmal kommt ein Mann
um die Ecke und fragt mich, ob ich einen Kaffee oder eine Cola trinken
möchte. Hä, ist das gar kein Möbelgeschäft, sondern ein Café?, denke ich,
und bitte um ein Wasser. Aber es werden hier tatsächlich Möbel verkauft und
das Preisschild des Sofas verrät mir, dass die Drinks nicht umsonst sind.
Ein sehr gut gelaunter Mann in meinem Alter, zerzauste Haare, Laufschuhe,
Typ netter Erdkundelehrer, tritt in den Laden. Er zieht die Schuhe aus und
macht sich auf dem Sofa breit, auf dem gerade eben noch ich saß. Dann
beginnt ein Beratungsgespräch zwischen ihm und dem Verkäufer, das ich mit
Befremden und Faszination zugleich beobachte und das mit jedem Satz ein
bisschen vertrauter wird. Irgendwann wirken die beiden wie zwei alte
Freunde, die sich nach langer Zeit zufällig wiedergetroffen haben. Über das
dänische Ecksofa „Douglas“ mit Récamiere in der Farbe „Agnes Brown“,
Preis 1.699 Euro, unterhalten sie sich so liebevoll und heiter wie über
einen gemeinsamen Freund, mit dem sie früher ganz viel Spaß hatten. Aber
ja, wenn man schon so viel Geld für eine Sitzgelegenheit ausgibt, sollte
man sich auch nicht genieren, ein paar Fragen zu stellen. Die Frage ist:
[2][Welche Fragen sind die richtigen?]
## Sofa-Set in Taubenblaugrau
In einem anderen Möbelladen, der im Industriegebiet liegt und etwas
bodenständiger daherkommt, fühle ich mich zunächst sicher. Dann spricht
mich eine Verkäuferin von der Seite an, die von meiner Antwort, dass ich
mich nur umsehen möchte, darauf schließt, dass ein ganz besonders tolles
Modell im ersten Stock bestimmt genau das ist, was ich suche.
Ich folge ihr eingeschüchtert und stehe dann vor einem altbackenen Sofa-Set
in Taubenblaugrau mit elektrischer Verstellfunktion: Von 8.000 Euro auf
2.900 Euro reduziert! Ein Schnäppchen! Ich lehne dankend ab, fühle mich
danach in dem Laden jedoch beobachtet. Als die Verkäuferin kurz von einem
mittelalten Ehepaar mit zahlungskräftigerer Ausstrahlung abgelenkt ist,
nutze ich die Gelegenheit und fliehe.
Am nächsten S-Bahnhof setze ich mich auf eine Edelstahlbank. Ich atme
durch, versuche mich zu beruhigen und denke: Gar nicht so übel, das
Sitzerlebnis.
23 Jun 2023
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## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
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Wohnen
Möbelhaus
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