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# taz.de -- Royaler englischer Sport: Denn König Fußball regiert die Welt
> Mit Prinz William steht ein König in spe dem englischen Fußballverband
> vor. Warum ist das denn überhaupt so?
Bild: Prinz und Fußballpräsident: William freute sich mit Jill Scott über de…
In nicht allzu vielen Jahren dürfte der Präsident des englischen
Fußballverbandes (FA) König werden. So munkeln es zumindest geriatrisch
beschlagene Palastexperten. Prinz William, [1][Sohn des neuen britischen
Königs Charles III.,] 74, steht seit 2006 der FA vor. Williams Vorgänger
war sein Onkel Andrew, Duke of York. D[2][er ist bekanntlich tief
verstrickt in die Partys des pädokriminellen Milliardärs Jeffrey Epstein]
und also kein tauglicher Grußaugust für den stolzen englischen Fußball.
Aber warum muss es überhaupt ein Royal sein, der einer Sportart das Gesicht
geben soll, deren Profil doch sonst durch biergesättigte, tätowierte Bäuche
viel hübscher geprägt ist?
Der erste aus dem engsten Kreis der Königsfamilie, dem man das Amt des
Fußballpräsidenten antrug, war tatsächlich Andrew im Jahr 2000. Vor ihm
trieb sich zwar allerlei Hochadel in der 1863 gegründeten FA rum, aber eine
vielleicht auf den ersten Blick als very british anmutende
Selbstverständlichkeit, ist dies keineswegs. Die Linie hochadeliger
FA-Bosse beginnt erst 1939. Zunächst war der Fußball in seinem Mutterland,
wie es so denkwürdig heißt, eine bürgerliche Angelegenheit. Und genau
betrachtet ist der Fußball dies immer noch, denn es ist ja nicht nur so,
dass ein Prinz William in keinem Stadion gebraucht wird. Auf den Rängen
sind die Royals auch nicht wirklich beliebt.
Als am vergangenen Samstag Charles gekrönt wurde, hatte die FA den
Profiklubs der Premier League „dringend empfohlen“, vor dem Anpfiff die
Hymne „God Save the King“ zu spielen. In einigen Stadien hat das halbwegs
funktioniert, etwa bei Tottenham Hotspur oder im Etihad-Stadion von
Manchester City. Aber beim Liverpool FC wurde die Hymne ausgebuht. Mit
Ansage, denn schon vor einem dreiviertel Jahr, beim FA-Cup-Finale, wurde
die Hymne, damals noch „God Save the Queen“, ausgepfiffen.
Noch heftiger geht es in nicht englischen Teilen des Königreichs zu. „Shove
the Coronation up your ass!“, sangen Fans des schottischen Celtic Glasgow
vergangenen Samstag. Das bedeutet sowohl frei als auch wörtlich übersetzt,
dass man sich die Krönung irgendwo hinschieben solle. Als vor wenigen
Monaten Charles’ Mutter, Elisabeth II., gestorben war, hatten Fans von
Dundee United, auch ein schottischer Klub, „Lizzie’s in a box“ skandiert,
was ich jetzt einfach mal nicht übersetze.
## Bühne einer proletarischen Öffentlichkeit
Ist das nun republikanische Militanz oder nationalistische Verachtung?
Vielleicht beides, vielleicht aber auch keins von beidem. Denn die
Fangesänge enthalten vor allem die Botschaft, dass man „die da oben“ nicht
im Stadion haben möchte.
Der englische Fußball ist, seit 1883 mit den Blackburn Olympics erstmals
ein aus Arbeitern bestehender Midlands-Verein den FA-Cup gewann, eine Bühne
proletarischer Öffentlichkeit. Damals kämpften vier Textilarbeiter, drei
Metallarbeiter, ein Angestellter, ein Klempner, ein Wirt und ein
Zahnarzthelfer die großbürgerlichen Old Etonians, Absolventen des
renommierten Eton College, mit 2:1 nieder. Nach dem Triumph der Blackburn
Olympics zogen sich sämtliche Gentlemenklubs aus dem FA-Cup zurück.
Doch das Establishment einmal vertrieben zu haben, ist keine Garantie, dass
es wegbleibt. Britische Klubbesitzer, ergänzt durch solche aus den USA und
arabischen Emiraten, zwischenzeitlich [3][zudem russische Oligarchen],
zeigen an, dass die britische Working Class auch in dem Sport, den sie sich
einst erkämpft hatte, bedroht ist. In dieser Situation den König
auszupfeifen, ist vermutlich das Mindeste, was man tun kann.
10 May 2023
## LINKS
[1] /Kroenung-von-Charles-III/!5932586
[2] /Einigung-im-Missbrauchsprozess/!5831599
[3] /Sanktionen-gegen-Oligarchen/!5838131
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Kolumne Über den Ball und die Welt
Fußball
England
Real Madrid
König Charles III.
Kolumne Frühsport
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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