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# taz.de -- Robuster Stil in den Fußballarenen: Viel Autsch und Aua
> Der Spitzenfußball tritt wieder ein in eine Ära des superrobusten Duells.
> Die Barcelonisierung des Spiels ist von gestern, Treter sind Trendsetter.
Bild: Hart und kompromisslos: Daniel Carvajal (o., Real) bringt Jack Grealish (…
Könnte gut sein, dass die Zeit der Knochenbrecher im Fußball wieder
angebrochen ist. Die Halbfinals in der Champions League ließen das erahnen.
Der Ruf, den sich Andoni Goikoetxea, Roy Keane, Emilio Butragueño oder
Vinnie Jones ([1][„Die Axt“]) einst erworben haben, wird heute wieder
gehört – und für gut befunden. Gut eineinhalb Jahrzehnte ging der
kontinentale Fußball in eine etwas andere Richtung.
Fast schon körperloser One-Touch-Fußball, das berüchtigte Tikitaka des FC
Barcelona, setzte sich durch, aber auch nur, weil die Erfolge der
Stafettenpassler und Seidenfüßlein für sich sprachen. Das Muster wurde
unzählige Male kopiert. Zwei Trainergenerationen waren fast nur damit
beschäftigt, die Ballkontaktzeiten und die Länge des Ballbesitzes zu
messen.
Die Kicker schienen in dieser Phase des Technikprimats auch immer schmaler
und hagerer zu werden, der robuste Stoßstürmer drohte auszusterben, weil
sich die flinken Kleinen bis vors Tor kombinierten und dann (kraft- und
schonungslos) einschoben. Doch nun ist das alles mehr oder weniger obsolet:
Der Paradigmenwechsel im Spitzenfußball hin zum Mix aus radikaler
Robustheit und Zack-zack-Effektivität ist vollzogen. Interessanterweise ist
gerade Real Madrid, dieses vermeintlich überalterte Team, zum Pionier des
aktuellen Stils geworden, dem sich andere wie Manchester City anpassen.
Real Madrid hat aus nationaler Konkurrenz die Exzesse des FC Barcelona nie
mitgemacht, umso besser passen sie jetzt in die fußballerische Zeit. Auf
Ästhetik und Körperlosigkeit geschulte Zuschauer rümpfen ob der
Gladiatorenkämpfe teilweise die Nase. Sie geißeln die strategische
Treterei, fiese Fouls und absichtsvolles Abräumen.
## Ringen und Wrestling
Und ja, es ist nicht schön anzuschauen, wenn zum Beispiel Real-Verteidiger
Daniel Carvajal wie ein Wiedergänger von Uli Borowka auftritt, seinen
Gegner Jack Grealish in die Werbebande knallt oder ihm die Schienbeine blau
massiert – und dafür nicht einmal eine Gelbe Karte sieht. [2][Ähnlich
Antonio Rüdiger], der mit Erling Haaland wrestlete und dafür so
überschwänglich gelobt wurde, als hätte er eine Lösung für den Weltfrieden
gefunden.
Vor einiger Zeit noch wären die Königlichen von der Fachpresse gerügt
worden, der Schiedsrichter hätte beherzt eingegriffen, aber den Fußballfans
steht offensichtlich nach Jahren der Barcelonisierung des Fußballs der Sinn
nach rauflustigen, kompromisslosen Profis, die vor einer physischen und
verbalen Einschüchterung des Gegners nicht zurückschrecken. Und sie wollen
Schiedsrichter, die auch mal ein Auge zudrücken oder zwei.
Vor etlichen Jahren galt es als unerhört, dass die mit wirklich allen
Wassern gewaschenen Real-Profis wie Sergio Ramos den Gegner (siehe Mo Salah
und Loris Karius) brutal angingen, jetzt scheint ein anderer Wind zu wehen.
Der Referee bekam fast durchweg gute Noten, die Experten waren voll des
Lobs ob des Laisser-faire. Und Real gilt als ausgebufft und schlitzohrig.
Darauf können sich Mannschaften mit dem alten Barça-Gen nur versuchen
einzustellen. Und Manchester City hat das getan, nahezu eine 180-Grad-Wende
hingelegt. Mit Haaland steht ein Wuchtbolzen vorn drin. Das Team ist, will
es nicht schon wieder in der Champions League versagen, dazu verdammt, das
physische, bisweilen unfaire Spiel anzunehmen.
Und hier liegt wohl auch die Ursache für die Renaissance des italienischen
Fußballs. Da ist natürlich nicht nur Robustheit und der intrinsische
Catenaccio-Moment, nein, die Serie-A-Teams um Inter Mailand oder AS Rom
verkörpern die Moderne: eine Vielgestaltigkeit der Spielinterpretation, wie
sie auch bei der WM in Katar vom marokkanischen Team so erfolgreich
umgesetzt wurde. Derzeit ist also wieder viel Autsch und Aua für die
Superverdiener angesagt. Unterhaltsam ist dieser Clash-Crash-Kick allemal.
13 May 2023
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=vdQwYAyPGUo
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_R%C3%BCdiger
## AUTOREN
Markus Völker
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