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# taz.de -- Aufregung um Star des FC Liverpool: Ene, mene, Ökumene
> Fußballer Mo Salah zeigt sich mit der Familie vor einem Weihnachtsbaum
> und wird danach angefeindet. Was ist da eigentlich los?
Bild: Stochern im Nebel: Liverpools Mohamed Salah versucht den Leicester-City-P…
In den Weiten des Netzes ploppen mitunter lustige Fotos auf, auch oder
gerade von Fußballern. Der ehemalige Mittelfeldspieler Mesut Özil scheint
sich laut fotografischer Selbstauskunft nun auf ein Wrestling- oder
Bankdrückduell mit dem ehemaligen Keeper Tim Wiese vorzubereiten. Torwart
Manuel Neuer postet ein Drahtgestell, das wohl einen Weihnachtsbaum
darstellen soll.
Und der Angreifer Mo Salah vom FC Liverpool sitzt mit seiner Familie im rot
karierten Schlafanzug vor einem recht verkitschten Weihnachtsbaum; sie
tragen alle Pyjamas im gleichen Stil. Aber über den Look echauffiert sich
das Netz nicht, sondern mehrheitlich darüber: Wie kann es sein, dass ein
Muslim sich samt Familie vor so einem Symbol der christlichen Tradition
zeigt? Verrät Mo Salah damit nicht seinen Glauben? Warum ist er nicht so
vorbildlich wie Karim Benzema, der sich wieder mit erhobenem Zeigefinger,
dem sogenannten Tauhīd-Finger, hat ablichten lassen?
Es gibt seit Tagen die schlimmsten Verwünschungen in Richtung Salah, und
die folgende eines X-Nutzers ist dabei wohl prototypisch: „Salah, fürchte
den Tag, an dem du den höchsten Schöpfer triffst“, steht da im Duktus einer
Drohung. Was all die Hater und selbst ernannten Hüter religiöser Dogmen
vergessen haben: [1][Der Ägypter Salah spielt seit dem Jahr 2012 in
Europa], erst in der Schweiz, dann in Italien und England.
## Eintauchen ins Brauchtum
Seit 13 Jahren taucht er auch im Dezember ins kontinentale Brauchtum ein.
In England ist es zudem schwierig, zwischen den Jahren nach Hause zu
jetten, denn die Premier League macht keine Pause. Sie spielt auch am
Boxing Day. Warum sollte sich Salah, der im Übrigen weit davon entfernt
ist, ein Renegat zu sein, in diesen Tagen nicht einen Weihnachtsbaum in
sein bescheidenes Heim stellen? Warum nicht ein bisschen „Jingle Bells“
auflegen und die Socken an den Kamin pinnen?
Das hat alles eine christliche Note, das schon, aber gleichzeitig befindet
sich das Weihnachtsfest unter Beimischung von Weichspüler in einer
kulturellen Waschmaschine, [2][die aus dem christlichen Fest mehr und mehr
ein säkulares macht]. Jeder klaubt sich jene Versatzstücke heraus, die ihm
passen, und eignet sich das Brauchtum an. Es ist eine Art cherry picking,
also eine Rosinenpickerei, und jeder macht da auf seine Weise und nach
Gusto mit: der Atheist aus Eisenhüttenstadt, die jüdische Familie in
Berlin-Charlottenburg – oder Türken in Kreuzberg.
Weihnachten ist ein Fest für alle. Es spricht auch für die Wirkmacht dieses
Festes, dass sich alle in ihm wiederfinden können, ohne das Gefühl zu
haben, sie gäben etwas auf oder würden ausgeschlossen von strengen Riten
oder Religionswächtern.
Wer in den vergangenen Tagen so verwegen war und sich den Weihnachtsmarkt
am Berliner Alexanderplatz gegeben hat, der konnte das Amalgam von Menschen
aus aller Herren Länder sehen und wohl auch deren unterschiedliche
religiöse Prägung. Dass da nun auch Dutzende Polizisten am Rand der Buden
unterwegs sein müssen, ist freilich tragisch.
Das von Mo Salah gepostete Bild wirkt daher in diesen Tagen, in denen uns
allen noch die Bilder von Magdeburg durch den Kopf schwirren, durchaus
versöhnlich, sagt es doch all den Verbohrten und Verirrten: Eine, nun ja,
weihnachtliche Ökumene ist möglich, sie ist friedlich und gemeinschaftlich.
28 Dec 2024
## LINKS
[1] https://www.transfermarkt.de/mohamed-salah/profil/spieler/148455
[2] https://www.srf.ch/news/schweiz/fest-der-besinnlichkeit-das-weihnachtsfest-…
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Kolumne Press-Schlag
Salah
FC Liverpool
Mesut Özil
Red Bull
Real Madrid
Frauen-WM 2019
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