# taz.de -- Verkehrswende in Brandenburg: Hinterherradeln | |
> Lange war Brandenburg ein Radlerparadies. Inzwischen sind andere | |
> Bundesländer weiter. Nun will die Kenia-Koalition durchstarten. Zweifel | |
> bleiben aber. | |
Bild: Rennradler brauchen keine Radwege. Pendler schon | |
GRUNOW taz | Am 17. Juni ist Anradeln auf einem der neuen touristischen | |
Radwege in Brandenburg. Der [1][„Heideradweg“] verläuft auf der Trasse der | |
1996 stillgelegten Bahnverbindung von Grunow nach Cottbus und wird die | |
Lieberoser Heide mit dem Spreewald und dem [2][Naturpark Schlaubetal] | |
verbinden. Es ist eines der wenigen großen Radwegeprojekte, die zuletzt in | |
Brandenburg umgesetzt wurden. Finanziert wurde er allerdings nicht vom | |
Land, sondern vom Bund. Strukturwandel in der Lausitz heißt da das | |
Zauberwort. | |
Es ist lange her, dass Brandenburg eine Top-Adresse für Radlerinnen und | |
Radler war. 2022 kamen nur noch 12,7 Prozent der deutschen Radreisenden ins | |
Land zwischen Elbe und Oder. Zwei Jahre vorher waren es noch 17 Prozent | |
gewesen. Das geht aus der [3][„Radreiseanalayse 2023“] hervor, die der | |
Fahrradclub ADFC im März vorgestellt hat. Nicht einmal mehr unter den Top | |
zehn der beliebtesten Fernreiserouten ist die Mark dabei. Schon 2019 war | |
der Oder-Neiße-Radweg aus dem Ranking rausgerutscht. | |
Es ist deshalb kein Zufall, dass die Kenia-Koalition aus SPD, CDU und | |
Grünen Nachholbedarf sieht. Am Dienstag hat nun Infrastrukturminister Guido | |
Beermann (CDU) eine [4][„Radverkehrsstrategie 2030“] vorgelegt. Von elf | |
Prozent der mit dem Rad zurückgelegten Wege soll sich der Radverkehrsanteil | |
auf 20 Prozent verdoppeln. Es geht also nicht nur um den Radtourismus, | |
sondern auch um den Umstieg vom Auto aufs Rad. | |
Das ist das Ziel. Die Etappen auf dem Weg bleiben freilich vage. Das | |
kritisiert auch der ADFC. „Das Ziel unterstützen wir“, sagt der | |
stellvertretende Landesvorsitzende des ADFC Brandenburg, Christian Wessel. | |
„Wir sehen aber nicht, wie man dorthin kommen will, wenn man im gleichen | |
Tempo weiter macht.“ Eine neue Radverkehrsstrategie bezeichnete Wessel als | |
„Werkzeug von gestern, mit dem man die Dinge nicht zügig in Bewegung | |
bringt“. Für die anvisierte Verdopplung des Radverkehrs fehlten konkrete | |
Maßnahmen, Verantwortlichkeiten und Zeiten. | |
## Problem bei Landesstraßen | |
Vor allem straßenbegleitende Radwege an Landesstraßen fehlen in | |
Brandenburg. Darauf wies der verkehrspolitische Sprecher der | |
oppositionellen Linksfraktion, Andreas Büttner, hin. Der Anteil von | |
Landesstraßen mit einem ausgebauten Radweg sei in der laufenden Wahlperiode | |
um gerade einmal von 14 auf 15 Prozent gestiegen. „Papier ist geduldig“, | |
kritisierte Büttner. „Eine klare Prioritätensetzung pro Radverkehr ist | |
weder im Landeshaushalt, noch beim Landesbetrieb Straßenwesen erkennbar.“ | |
Solange sich das nicht ändere, blieben die Ziele der Radverkehrsstrategie | |
ein „frommer Wunsch“. | |
Tatsächlich kann auch die Landesregierung nicht sagen, welchen Bedarf an | |
neuen Radwegen es derzeit gibt und wie viele davon vom Land finanziert | |
werden sollen. Diese Zahlen, so Guido Beermann, würden erst 2030 | |
feststehen. Das geplante Konzept für ein landesweites Radwegenetz soll zwar | |
2024 stehen, mit der Umsetzung rechnet der Minister aber erst 2045. | |
Der grüne Verkehrspolitiker Clemens Rostock weiß, dass es in Brandenburg | |
viel nachzuholen gibt. Andere Bundesländern hätten dem Radverkehr in der | |
Vergangenheit mehr Priorität eingeräumt, sagt er der taz. Nicht an | |
ambitionierten Zielen fehle es derzeit, sondern an einer | |
„Umsetzungsperspektive“. Auch Rostock wünscht sich deshalb vom | |
Infrastrukturministerium „mehr Priorität für den Radverkehr“. | |
Tatsächlich ist Geld in Brandenburg nicht das vorrangige Problem. Standen | |
2022 38 Millionen Euro für den Radwegebau zur Verfügung, sind es in diesem | |
Jahr 44 Millionen. 2024 werden es 45 Millionen sein. Damit lassen sich laut | |
Rostock sowohl neue Radwege an Landesstraßen, kommunale Radwege und | |
Abstellanlagen an Bahnhöfen bauen. Während beim Straßenbau die Mittel | |
allerdings zügig abgerufen würden, hake es beim Radverkehr. | |
Touristische Radwege wie der „Heideradweg“ fallen nicht in die | |
Zuständigkeit des Infrastrukturministeriums. Dass Brandenburg nicht überall | |
hinterherradeln muss, zeigt das [5][Seenland Oder-Spree] im Osten des | |
Landes. Als eine von nur acht Regionen bundesweit wurde es vom ADFC als | |
offizielle [6][„RadReiseRegion“] zertifiziert. | |
4 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.naturwelt-lieberose.de/projekte/detail/heideradweg | |
[2] https://www.schlaubetal-naturpark.de/ | |
[3] https://www.adfc.de/artikel/adfc-radreiseanalyse-2023 | |
[4] https://mil.brandenburg.de/mil/de/presse/detail/~02-05-2023-radverkehrsstra… | |
[5] https://www.seenland-oderspree.de/ | |
[6] https://www.adfc-radtourismus.de/radtouren/radreiseregionen/ | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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