# taz.de -- Radfahren auf dem Land: Der Strich des Anstoßes | |
> Fahrradfahrer sind selten auf dem Land. Und die wenigen von ihnen, zeigen | |
> sich engagiert in der Gestaltung von Fahrradwegen. | |
Bild: Manche fahren Rennrad, manche, na ja, chauffieren ihre Hunde über Brande… | |
Radler sind im Umland immer noch in der Minderheit. Mag sein, dass am | |
Wochenende die Städter ihre Manufakturräder aus der S-Bahn wuchten, um sie | |
um unseren See zu bewegen. Mag auch sein, dass diverse Rennrad-Cordons über | |
die Landstraße heizen, um ihre beachtliche Beinmuskulatur öffentlich | |
vorzuführen – der Dörfler mag es immer noch gern motorisiert. Doch auch | |
hier bleibt die Zeit nicht stehen. | |
Die Verwaltung unserer Kleinstadt hat am Pendlerbahnhof ein todschickes | |
Fahrradparkhaus gebaut. Obwohl ich dachte, dass dies nur dazu führen würde, | |
dass bockige Provinzler ihre Möhren nun massenhaft an umliegenden | |
Geländern, Bäumen und Straßenschildern anbinden würden, wird das Parkhaus | |
sehr gut angenommen. Fast wie in Amsterdam, nur ohne die dort anzutreffende | |
Fahrradfahrerfreundlichkeit. An der arbeiten wir Brandenburger noch. | |
Und wie in Berlin oder Amsterdam gibt es auch hier BürgerInnen, die es | |
besser wissen. Einer dieser Kleinstädter kennt sich sehr gut aus mit | |
sämtlichen Normen für Radwege: Markierungen, Trixie-Spiegel, Kurvenverläufe | |
– der Mann weiß Bescheid. Und natürlich saust er auf einem E-Lastenrad | |
durch die Botanik. Dabei ist ihm aufgefallen, dass an einer schlecht | |
überschaubaren Stelle eine Markierung für Radler gut täte. | |
Sein Vorschlag: einen Strich ziehen, damit einander entgegenkommende | |
Pedalisten erkennen, wo ihre Strecke verläuft. Briefchen an den | |
Bürgermeister – Problem erkannt, Problem gebannt. Im Grunde simpel. | |
## Engagierter Bürger | |
Die Stadtverwaltung fand das gut – und unternahm dann genau nichts. Bevor | |
da eine verkehrsrechtliche Anordnung erfolgen könne, müsse geprüft und | |
geplant werden, erst dann könne eine Genehmigung erfolgen und die Umsetzung | |
in Angriff genommen werden. Was Büroklammern halt so sagen, wenn sie einen | |
zehn Meter langen weißen Strich malen sollen. | |
Irgendwann reichte es dem engagierten Bürger. Nach einem Jahr des Zuwartens | |
wuchtete er einen Eimer weiße Wandfarbe in sein Lastenrad, müllerte damit | |
zu der im Begegnungsfall ziemlich heiklen Stelle und malerte einfach selbst | |
den Markierungsstrich auf den Asphalt. | |
Schock! Anarchie! Die Stimmung zwischen Verwaltung und Bürgerlein wurde | |
auch deshalb nicht besser, weil dessen Versprechen, der nächste Regen werde | |
seine Straßenmalerei hinfortwaschen, nicht eintraf. Der Stadthof musste | |
ausrücken. Anschließend tauchte tatsächlich eine autorisierte Firma auf und | |
brachte den gewünschten Markierungsstrich auf. Und auch die Verwaltung | |
blieb nicht untätig; sie schickte dem anarchischen Radfahrer eine | |
Reinigungsrechnung über 422 Euro. | |
Im Nu fanden sich andere Bürger, legten ein paar Taler auf den Tisch und | |
schon war die Summe beisammen. Und statt die Sache als ironische | |
Kommentierung eigenen Verwaltungshandelns abzubuchen, gefällt sich die | |
Bürgermeisterei seither in Zeigefinger-Rhetorik und | |
Könnte-ja-jeder-Ermahnungen. Kann man so machen, ist aber offenbar aus | |
einem Denken geboren, an dem wir Brandenburger – ich erwähnte es – noch zu | |
arbeiten haben werden. | |
3 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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