| # taz.de -- Familie zur Weihnachtszeit: Kinder, Kinder, Kinder | |
| > Ihr Kinderlein kommet? Moment, wer sind jetzt die Kinder!? Über | |
| > weihnachtliche sprachliche Herausforderungen in der Familie. | |
| Bild: Passt zu Nussbraten oder Wiener: Weihnachtsbaum auf einem Weihnachtsmarkt | |
| Oh, wie schön, eine Einladung aus dem Nachbardorf für den Weihnachtsabend! | |
| „Wir sehen uns am Feuer bei Wildgulasch und Glühwein.“ Meine Antwort: | |
| „Tausend Dank! Ich schätze aber, dass es bei uns nix wird; an dem Tag | |
| kommen die,Kinder' zu uns.“ Und dann noch dieser Nachsatz: „Unglaublich, | |
| dass ich mal so eine Formulierung verwenden würde – die Kinder.“ | |
| Tatsächlich fühlt es sich seltsam an, die eigene Brut sprachlich in dieser | |
| Weise zu subsumieren. Eben lagen „die Kinder“ noch zitternd vor | |
| Weihnachtsvorfreude in ihren Kinderzimmerbetten – und heute fordern sie vor | |
| ihrer Anreise für den eigenen Nachwuchs ein Reiseklappbett an. Und einen | |
| Maxi-Cosi für das kleine sowie den uralten Tripp-Trapp-Stuhl für das große | |
| Enkelkind. | |
| Wo sind die Jahre hin? Und wo der stilsichere Sprachgebrauch, wenn es um | |
| Kinder und Kindeskinder geht? Aus den Töchtern sind mittlerweile erwachsene | |
| Leute geworden, die bei uns für die spätweihnachtsabendlichen Cocktails | |
| Manufaktur-Gin und Tonic zu Mondpreisen vorbestellen. Und was ist aus uns | |
| geworden? Oma und Opa, die sich – lächerlicherweise auf einem letzten | |
| Quäntchen Würde beharrend – bei ihren Vornamen nennen lassen. | |
| Was mögen da erst unsere eigenen Eltern denken? Die fühlen sich wie das | |
| demografische Pleistozän und werden am Heiligabend von ihren Enkeln im | |
| [1][Carsharing-E-Auto] abgeholt, um dem halben Dutzend Urenkeln dabei | |
| zuzusehen, wie sie lautstark technisch ausgefeilte Spielzeuge aus dem | |
| Papier reißen. | |
| ## Pro Nussbraten! Contra Gulasch! | |
| Unsere Eltern werden sich fragen, was der entwickelte Kapitalismus sich | |
| dabei nun wieder gedacht haben mag. Und was genau eigentlich passiert ist, | |
| dass Siebenjährige sich auf einer ganz persönlichen ethischen Grundlage zu | |
| Vegetarier*innen entwickeln konnten. Pro Nussbraten! Contra Gulasch! Was | |
| verdammt noch mal ist falsch an einer anständigen Wiener? | |
| „Die Kinder“ dieser Urgroßeltern sind witzigerweise wir. Wer hätte das vor | |
| fünfzig Jahren ahnen können. | |
| Spätabends dann wackelt der komplette Familienverband durch die Dunkelheit | |
| zum Dorfplatz, wo die Mitglieder des Posaunenchores Liedgut vortragen und | |
| die Thermoskannen rumgehen. Um uns herum wuseln „die Kinder“, also unsere | |
| Töchter und Söhne, mit wiederum ihren Töchtern und Söhnen. Sie sind hier in | |
| aller Abgeschiedenheit aufgewachsen und dann hinaus in die Welt gegangen, | |
| um von dort Sitten und Gebräuche wie das Trinken von Bioglühwein und den | |
| Verzehr von veganem Nussbraten mitzubringen, die wir ihnen zubereiten. So | |
| ist es gute Sitte im ländlichen Bereich. | |
| Ebenso, dass schon zum fünften Mal die Zugezogenen aus dem längst zu | |
| Wohnungen umgebauten einstigen Flüchtlingsheim dabei sind, ihren | |
| alkoholfreien Punsch mit uns teilen und ein, zwei Heimatlieder in die | |
| Brandenburger Nacht singen. Zu Hause, das sind nämlich wir alle. Hier. | |
| Frohe Weihnachten! | |
| 17 Dec 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
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