# taz.de -- Umstrittene Todesstrafe: Singapur wird wieder exekutieren | |
> Der südostasiatische Stadtstaat Singapur will einen Cannabisschmuggler | |
> hängen – ein Jahr nach der Exekution eines geistig Behinderten. | |
Bild: Die Familie von Tangaraju Suppiah in Singapur, Schwester Leela hält ein … | |
BERLIN taz | Gibt es nicht noch ein Wunder, wird an diesem Mittwoch in | |
Singapurs Changi-Gefängnis der 46-jährige Tangaraju Suppiah gehenkt. Den | |
Termin erfuhr die Schwester des singapurischen Tamilen von der Justiz. | |
Bisher bat sie vergeblich um Gnade für ihren 2018 wegen „Verschwörung zum | |
Schmuggel“ von 1.017,9 Gramm Cannabis verurteilten Bruders. | |
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Staatspräsidentin, die 68-jährige | |
frühere Arbeitsrechtlerin Halimah Yacob, ihn noch begnadigen wird, nachdem | |
ein Berufungsgericht die Todesstrafe schon bestätigte. | |
Die Exekution ist die erste in dem wohlhabenden südostasiatischen | |
Stadtstaat seit Oktober. Letztes Jahr wurden dort insgesamt elf Personen | |
hingerichtet, alles verurteilte Drogenschmuggler. In den zwei Jahren zuvor | |
gab es coronabedingt keine Exekutionen. | |
Nach Angaben der lokalen Antitodesstrafengruppe [1][Tranformative Justice | |
Collective] sitzen derzeit fünf Personen wegen Cannabis in Todeszellen. | |
## Todesstrafe bei Schmuggel ab 500 Gramm Cannabis | |
Singapur hat die Todesstrafe aus der britischen Kolonialzeit übernommen und | |
1973 auf Drogendelikte ausgeweitet. Heute hat der Stadtstaat mit die | |
schärfsten Antidrogengesetze der Welt. Sie schreiben die Todesstrafe nicht | |
nur bei Heroinschmuggel und -handel vor, sondern auch bei mehr als 500 | |
Gramm Cannabis. Dabei sehen immer mehr Länder Cannabis als Gesundheits- und | |
nicht als Kriminalitätsproblem. | |
Besonders an Tangarajus umstrittenen Fall ist, dass ihm nie vorgeworfen | |
wurde, die Droge besessen oder selbst geschmuggelt zu haben. Vielmehr soll | |
er „verschwörerisch“ einen entsprechenden Deal organisiert haben. | |
Als Beweis diente dem Gericht seine Handynummer, die in Mobiltelefonen | |
zweier Personen gespeichert gewesen sein soll, die mit dem Cannabis | |
erwischt wurden. | |
Tangaraju saß wegen Kiffens schon mehrere Jahre im Gefängnis. Er hat stets | |
bestritten, mit dem beschlagnahmten Kilo Cannabis etwas zu tun zu haben und | |
hatte nach eigenen Aussagen zu der fraglichen Zeit gar keinen Zugang zu der | |
ihn belastenden Telefonnummer. | |
## Zweifel an Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens | |
Unterstützer verweisen darauf, dass er während des Verhörs weder einen | |
Dolmetscher noch einen Anwalt und auch bei der Berufungsverhandlung gar | |
keinen Rechtsbeistand gehabt habe. Auch der Sprecher des Büros des | |
UN-Menschenrechtskommissars (OHCHR) [2][äußerte am Dienstag entsprechende | |
Bedenken]. | |
Singapurs konservative Regierung weist die Vorwürfe zurück und verteidigt | |
das Verfahren als rechtsstaatlich und „in Einklang mit den lokalen | |
Gesetzen“. Der Kritik aus westlichen Ländern hält Singapurs Regierung stets | |
vor, einem zum Tode verurteilten Drogenhändler nachzuweinen, aber das | |
Schicksal von Hunderten Opfer seines Drogenhandels zu ignorieren. | |
Die Regierung behauptet zudem, ihre harte Politik verhindere den | |
Drogenhandel, was laut OHCHR von der Forschung widerlegt werde. | |
Laut Regierung begrüßen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung Singapurs die | |
Todesstrafe. Doch einheimische Todesstrafengegner verweisen auf die | |
Einseitigkeit der von der Regierung beschränkten Debatte. | |
## In Thailand ist Cannabis inzwischen legal | |
Diese hat sich in Südostasien in letzter Zeit verändert. So hat Thailand | |
letztes Jahr [3][Cannabis legalisiert]. Und das Parlament in Malaysia, wo | |
seit 2018 ein Hinrichtungsmoratorium gilt, hat im April die Zahl der | |
Straftatbestände für die Todesstrafe reduziert. Doch in den Philippinen | |
nimmt Präsident Ferdinand Marcos Jr weiter extralegale Hinrichungen im | |
„Krieg gegen die Drogen“ in Kauf“, den sein Vorgänger Rodrigo Duterte | |
begonnen hatte. | |
Singapurs Behörden wählten mit dem 26. April für Tangarajus | |
Exekutionstermin jetzt genau den ersten Jahrestag der [4][Hinrichtung des | |
geistig Behinderten Malaysiers Nagaenthra Dharmalingam], der Heroin | |
geschmuggelt hatte. | |
Dessen Exekution hatte weltweit Kritik ausgelöst und in Singapur, wo | |
Proteste selten und meist verboten sind, zu einer Solidaritätsdemonstration | |
mit 400 Teilnehmenden geführt. | |
25 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://transformativejusticecollective.org/ | |
[2] https://www.ohchr.org/en/press-briefing-notes/2023/04/singapore-imminent-ex… | |
[3] /Abkehr-von-repressiver-Drogenpolitik/!5860164 | |
[4] /Harte-Anti-Drogen-Gesetze-in-Singapur/!5847316 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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