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# taz.de -- Machtwechsel in Singapur: Neuer Premier, alter Aufpasser
> Minister und Vizepremier Lawrence Wong wird der erst vierte
> Regierungschef im wohlhabenden asiatischen Stadtstaat Singapur.
Bild: Lawrence Wong, Singapurs neuer Premier
Berlin taz | „4G“ steht in Singapur für die „4. Generation“ von
Premierministern des 59 Jahre alten südostasiatischen Stadtstaates. Der
51-jährige Lawrence Wong wird an diesem Mittwoch als Premier vereidigt und
ist dann erst der vierte seit der Staatsgründung und erst der erste nach
der Unabhängigkeit geborene Regierungschef.
Der erfolgreiche Technokrat und passionierte Gitarrenspieler tritt die
Nachfolge des 72 Jahre alten Lee Hsien Loong an. Dessen Vater Lee Kuan Yew
hatte als Gründer des souveränen Singapurs das Land 31 Jahre lang mit
harter Hand regierte.
Vom verschlafenen Städtchen hat sich Singapur inzwischen zu einer quirligen
Finanz- und Wirtschaftsmetropole mit mondänen Shopping Malls, einem bunten
Nachtleben, einem ordentlichen Bildungs- und Gesundheitssystem entwickelt.
Die Regierungen, besonders die nach Lee Kuan Yew, haben sich immer flexibel
an globale Entwicklungen angepasst, ohne jemals selbst eine Pionierrolle
übernommen zu haben. Nur bei den bürgerlichen Rechten hapert es gewaltig.
Das politische System ist eine gelenkte Demokratie. Mit einem
maßgeschneiderten Wahl- und Rechtssystem verhindert die ununterbrochen
regierende People’s Action Party (PAP) das Aufkommen einer
Oppositionspartei mit einer Machtoption. Singapur ist faktisch ein
Ein-Parteien-Staat, auch wenn die Workers Party inzwischen immerhin einige
Sitze im Parlament hält.
Auch die seltene Bestellung eines neuen Premierministers wird lange geplant
und sorgfältig orchestriert. Allerdings wollte der jetzt scheidende Lee
ursprünglich schon vor seinem 70. Geburtstag am 20. Februar 2020 abtreten.
Aber dann kam Corona und Lee blieb im Amt, um das Land durch die Pandemie
zu steuern.
Damit neue Premier nicht zu eigenmächtig wird, wurde der Posten des Senior
Ministers erfunden. Dieser geht quasi automatisch an Ex-Premiers, die dem
Nachfolger als Ratgeber wie auch als Aufpasser dienen.
Auch wenn es mit der Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht weit her ist,
nutzt die Bevölkerung ausgerechnet Wahlen, um ihre Unzufriedenheit mit dem
autoritären System deutlich zu machen.
Bei den letzten Parlamentswahlen musste die PAP unerwartete Dellen
hinnehmen. Lee hatte in seiner 20-jährigen Amtszeit mit manchen moralischen
Prinzipien seines Vaters gebrochen. So wurden Kasinos erlaubt und [1][sogar
Homosexualität entkriminalisiert]. Unter Lee wurde Singapur für dortige
Verhältnisse etwas liberaler.
Kritische Bürger wie die Journalistin und Aktivistin Kirsten Han können
ihre Vorstellungen von einem demokratischeren Singapur in Blogs wie
„[2][We, The Citizens]“ kundtun.
Was der langjährige Beamte, Minister verschiedener Portfolios und zuletzt
Vizepremier Wong mit Singapur vor hat, ist noch unbekannt. Seine gesamte
Karriere spricht einerseits für Kontinuität. Angesichts des Verlangens der
jungen Bevölkerung nach sozialen Reformen und der schwierigen Weltlage von
der Ukraine über Myanmar bis zum Machtanspruch Chinas über Taiwan und im
Südchinesischen Meer kann er aber nicht einfach so weitermachen.
Es wird erwartet, dass er noch für dieses Jahr Neuwahlen ausruft.
Spätestens dann muss Wong Farbe bekennen.
14 May 2024
## LINKS
[1] /Suedostasiatischer-Stadtstaat-Singapur/!5540549
[2] http://www.wethecitizens.net/
## AUTOREN
Michael Lenz
## TAGS
Singapur
Premierminister
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Singapur
Todesstrafe
Parlamentswahlen
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