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# taz.de -- Polnischer Ministerpräsident Morawiecki: Plädoyer für die Todess…
> Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki outet sich als Fan der
> Todesstrafe. Die Opposition reagiert empört, aber ihre Argumente sind
> dünn.
Bild: Inszeniert sich als Anhänger der Todesstrafe: der polnische Regierungsch…
Warschau taz | Polens Wahljahr 2023 beginnt mit einem Paukenschlag: In
einer zunächst harmlos wirkenden Neujahrs-Fragestunde mit polnischen
Wählern im Internet bekennt Premier [1][Mateusz Morawiecki] überraschend:
„Ich bin ein Anhänger der Todesstrafe. In dieser Frage folge ich als
Katholik nicht der Lehre der Kirche.“
Vor dem Hintergrund eines bunt leuchtenden Weihnachtsbaums und einer
polnischen Tischflagge sagt er: „Man hätte die Todesstrafe nicht voreilig
abschaffen dürfen, wie dies die westliche Welt in den neunziger Jahren und
früher getan hat. Meiner Meinung nach sollte die Todesstrafe für die
Ahndung der schwersten Verbrechen erlaubt sein. Ich bin ein Anhänger der
Todesstrafe, aber wir haben sie nicht.“
Ob Morawiecki das Nachbarland Belarus vor Augen hat, in dem Machthaber
Alexander Lukaschenko immer mal wieder eine Todesstrafe vollstrecken lässt,
oder Russland, in dem die zum Tod verurteilten Straftäter zwar durch ein
Moratorium vor der Vollstreckung geschützt sind, das aber jederzeit
aufgehoben werden kann, hat Morawiecki nicht erklärt. Auch nicht, ob sich
für ihn die zwei- bis dreitausend Todesurteile, die das kommunistische
Regime [2][in Polen] von 1944 bis 1989 verhängte und zum größten Teil auch
vollstreckte, „richtig“ anfühlten.
Polens Premier weiß in jedem Fall, dass Jarosław Kaczyński, der
Parteivorsitzende der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und
Gerechtigkeit (PiS), sich gern als großer Anhänger der Todesstrafe
inszeniert. Seit rund 20 Jahren beschwört der heute 73-Jährige – immer
wieder zu Wahlkämpfen – die angeblich enorme Gefahr herauf, der die Polen
durch Schwerverbrecher und „dunkle Mächte“ ausgesetzt seien, durch die
historischen Feinde Deutsche, Russen und Ukrainer. Und durch jüdische
Nachkommen von rund drei Millionen Schoahopfern, die vom polnischen Staat
eine Restitution oder Entschädigung für die Fabriken, Häuser und Wohnungen
fordern, die nach Krieg, deutscher Okkupation und NS-Massenmord an den
Juden von katholische Polen übernommen oder von polnischen Kommunisten
verstaatlicht wurden.
## Angstkampagnen zahlen sich aus
Zu anderen „Feinden“, vor denen sich die Polen angeblich fürchten müssten,
erklärte die PiS in den vergangenen Jahren muslimische Flüchtlinge und
Angehörige der LGBT-Community. Wahlanalysen zeigen, dass sich die
Angstkampagnen jedes Mal auszahlten. Rund 30 bis 40 Prozent der polnischen
Wähler stimmten in der Vergangenheit für Politiker, die im Wahlkampf mehr
Sicherheit versprachen sowie Schutz vor Mördern, Vergewaltigern, Fremden
und Feinden.
Die demokratische Opposition zeigt sich empört. Doch anstatt die
Parteipropaganda zu entlarven – führte Polen die Todesstrafe wieder ein,
flöge das Land in hohem Bogen aus EU und Europarat –, verweist sie
lediglich auf logische Fehler in der Argumentation der PiS.
Adrian Zandberg, der Vorsitzende der linken Partei Razem (Gemeinsam),
bemängelt, dass die PiS einerseits gegen Polens Richter hetze, ihnen nun
aber mit der Todesstrafe sogar Macht über Leben und Tod in die Hand geben
wolle. Das sei unlogisch, so Zandberg. Auch Rafal Grupinski von der
liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) beschränkt sich in seiner Kritik
auf Unstimmigkeiten zwischen der angeblich so katholischen PiS-Propaganda
und der eigentlichen Kirchenlehre.
PiS-Regierungssprecher Piotr Müller aber wiegelt freundlich lächelnd ab:
„Die Äußerungen von Premier Morawiecki zur Todesstrafe sind seine
Privatansichten.“
4 Jan 2023
## LINKS
[1] /EU-Gipfel-zum-Ukraine-Krieg/!5902903
[2] /Bundesregierung-weist-Forderungen-ab/!5906819
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
PiS
Todesstrafe
GNS
Singapur
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Polen
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