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# taz.de -- Protest gegen polnischen Spediteur: Wilder Streik zeigt erste Erfol…
> Die ersten streikenden Lkw-Fahrer auf der Raststätte Gräfenhausen haben
> ausstehende Löhne erhalten. Vorbei ist ihr Protest aber noch nicht.
Bild: Wollen ihren Lohn: Streikende LKW-Fahrer auf der Raststätte Gräfenhause…
Gräfenhausen/Berlin taz | Seit fast vier Wochen protestieren mehr als 60
georgische und usbekische Lkw-Fahrer auf der Raststätte Gräfenhausen West
bei Darmstadt wegen nicht gezahlter Löhne. Nun zeigt der Arbeitskampf erste
Erfolge: Die ersten Fahrer berichten von Zahlungseingang auf ihrem Konto am
Ende der zurückliegenden Woche.
Die Protestierenden fahren für den polnischen Fuhrunternehmer Łukasz Mazur.
Dieser hatte telefonisch sowohl gegenüber einzelnen Fahrern als auch den
polnischen Medien angekündigt, zahlen zu wollen. Damit gab er erstmals zu,
[1][den als Scheinselbstständigen ausgebeuteten Arbeitern Geld schuldig zu
sein]. Bis dato hatte Mazur stets behauptet, alles gezahlt zu haben – ohne
es jedoch belegen zu können.
Dazu jedoch hatte ihn der von den Fahrern bestimmte Verhandlungsführer
Edwin Atema von der niederländischen Gewerkschaft FNV mehrfach
aufgefordert. Gemeinsam mit dem Beratungsnetzwerk Faire Mobilität des
Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) unterstützt die FNV die Streikenden.
Der wilde Streik hatte international Aufmerksamkeit erregt. Das lag nicht
zuletzt an dem aggressiven Vorgehen Mazurs, der am Karfreitag versucht
hatte, mithilfe der Kampftruppe einer polnischen Privatdetektei – der
Rutkowski Patrol – die auf der Raststätte geparkten Lkws in seine Gewalt zu
bekommen. [2][Mazur war daraufhin festgenommen worden.]
## Ausbeuterische Transportkette
Auch der ökonomische Druck auf den Unternehmer dürfte hoch sein: durch
Vertragsstrafe wegen nicht ausgelieferter Waren, das Einbehalten der Lkws
sowie die Ankündigung mehrerer großer Kunden, die Zusammenarbeit mit dem
Unternehmen einzustellen. Dies hatten auf Anfrage der taz etwa die
Speditionen Sennder sowie Lkw Walter erklärt.
Die Streikenden hatten sich am Gründonnerstag mit einem offenen Brief unter
anderem an diese Speditionen gewandt. Im EU-Straßentransport ist es weit
verbreitet, dass extrem ausgebeutete Fahrer aus Drittstaaten von
osteuropäischen Firmen angeheuert werden, die wiederum Aufträge von großen
westeuropäischen Speditionen ausführen. Auch die Deutsche Post DHL hat laut
den Streikenden einen offenen Brief bekommen – wollte sich bislang jedoch
trotz mehrfacher Nachfrage der taz nicht zu dem Vorgang äußern.
Die Streikenden erhalten weiterhin Unterstützung von
Gewerkschafter*innen und Anwohner*innen aus der Region, etwa durch
Geld- und Sachspenden, Lebensmittel und Infrastruktur. Regelmäßig kommen
Trucker an der Raststätte vorbei und hupen oder applaudieren als Zeichen
der Solidarität. Aus Südkorea und den Philippinen meldeten sich in der
zurückliegenden Woche gewerkschaftlich organisierte Fahrer mit
Grußbotschaften zu Wort.
## Nur ein Teillohn ausgezahlt
Auch Vertreter*innen des georgischen Gewerkschaftsbundes GTUC waren am
Dienstag in Gräfenhausen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. In Polen
protestierte die anarchosyndikalistische Gewerkschaft OZZ Inicjatywa
Pracownicza am Freitag vor der deutschen Botschaft in Warschau unter dem
Motto „Mazur, pay the workers“. Dort war auch Krzysztof Rutkowski
aufgelaufen, Gründer der Rutkowski Patrol, um sich über die Behandlung
seiner Truppe in Deutschland zu beschweren.
Trotz der ersten Zahlungen setzten die Fahrer ihren Streik über das
Wochenende fort. „Es ist ganz klar: Der Protest geht weiter, bis alle alles
erhalten haben“, sagt Anna Weirich, Branchenkoordinatorin internationaler
Straßentransport bei Faire Mobilität. Einer der Fahrer sagte der taz am
Samstag, er habe zwar 2.300 Euro, aber noch nicht den vollen ausstehenden
Lohn in Höhe von 4.300 Euro erhalten.
Man habe inzwischen genügend Erfahrung mit falschen Versprechen Mazurs
gemacht, um auf reine Ankündigungen nicht hereinzufallen, betont Weirich.
Skepsis scheint auch deshalb angebracht, weil am Donnerstag die
Staatsanwaltschaft Darmstadt mitgeteilt hatte, Mazur habe Anzeige wegen
mutmaßlicher Unterschlagung von 39 Lkws erstattet. Ob den ersten Zahlungen
weitere gefolgt sind, wird sich Anfang der Woche herausstellen. Am Sonntag
stand bei den Streikenden in Gräfenhausen erst einmal das orthodoxe
Osterfest auf dem Programm.
16 Apr 2023
## LINKS
[1] /Lkw-Streik-auf-dem-Rastplatz/!5925578
[2] /Lkw-Streik-auf-der-Raststaette-Graefenhausen/!5926951
## AUTOREN
Nelli Tügel
Jan Ole Arps
## TAGS
Lkw
Wilder Streik
Streik
Arbeitskampf
Gewerkschaft
Ausbeutung
Verdi
Ampel-Koalition
Streik
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