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# taz.de -- Förster über Gefahren im Wald: „Äste der Buche brechen wie Gla…
> Vor Totholz, Zecken und Waldbränden warnt Förster Axel Henke aus Boppard
> am Rhein. Er rät Besuchern, auch mal nach oben zu schauen.
Bild: Blick in die Baumwipfel
taz: Herr Henke, Sie warnen vor neuen Gefahren in unseren Wäldern. Haben
Sie jetzt Wölfe im Pfälzer Wald?
Axel Henke: Ach, Wölfe! Es gibt ein paar standorttreue Rudel in
Rheinland-Pfalz, aber die kennt die Bevölkerung und weiß mit ihnen
umzugehen. Durchziehende Wölfe stellen kaum Gefahr für Waldbesucher dar,
eher für die Verkehrsteilnehmer.
Wovor warnen Sie dann?
Vor neuen [1][Gefahren in Folge des Klimawandels]. Durch die Dürre und
Hitze der vergangenen Jahre hat in einigen Regionen fast jeder Baum tote
Äste. Äste und abgestorbene Bäume sind eine riesengroße Gefahr für
Waldbesucher. Wenn ein Sturm aufzieht oder es Windböen gibt, kommen die
Bäume in Schwingung, die Äste fallen runter oder Bäume um.
Gab es schon Unfälle in Ihrem Wald?
Bei Waldbesuchern nicht, aber bei Waldarbeitern. In den vergangenen Jahren
hatten wir drei Todesfälle im Land, weil trockene Äste unerwartet
herabgestürzt waren. Waldarbeiter haben einen lebensgefährlichen Job. Ihr
Risiko, sich zu verletzen oder gar tödlich zu verunglücken, steht übrigens
in keinem Verhältnis zur Bezahlung. Besonders gefährlich sind die Grün-Äste
bei Douglasien und Fichten. Das Holzgewebe ist abgestorben, aber es sind
noch Nadeln dran, man sieht das nicht. Oder aber Äste oben in der Krone der
Buche, die brechen wie Glas. Es gibt es einen Knall und sie fallen runter.
Was raten Sie Waldbesuchern?
In Deutschland – weltweit eine Ausnahme – gibt es ein freies Betretensrecht
für den Wald. Eine tolle Sache, wir laden die Menschen ein, ihre Freizeit
im Wald zu verbringen. Gerade deshalb rate ich ihnen, dass sie sensibler
für die Totholz-Problematik werden, dass sie auch mal nach oben gucken und
sich nicht an abgestorbene Bäume anlehnen. Sie können sich im Wald nicht
bewegen wie in einem Park, in dem totes Holz ständig herausgeschnitten
wird. Wird es windig, dann raus aus dem Wald.
Müssen die Waldbesitzer doch das Totholz entfernen?
Das brauchen wir doch, es ist wichtig für die Biodiversität. Abgesehen
davon – auf einen toten Baum dürfen sich Waldarbeiter nur auf Baumlänge
nähern, den können sie nicht einfach absägen. Wenn also mehrere [2][tote
Stämme] herumstehen, können sie dort nicht mehr arbeiten. Wir müssen die
Stämme vorsichtig mit Maschinen umziehen.
Wie lange steht ein toter Baum?
Kommt darauf an. Eine tote Eiche bleibt 20 Jahre stehen, die hat ein sehr
hartes Holz. Die Fichte vielleicht 5 bis 10 Jahre, die Buche vielleicht nur
ein Jahr. Sie kann innerhalb von 6 Wochen absterben und verrottet sehr
schnell durch Bakterien und Pilze. Darum stellt sie auch die größte Gefahr
dar, und wir sind hier Buchenland.
Wer haftet für Schäden?
Erst einmal die Waldbesitzer, häufig auch die verantwortlichen Förster.
Allerdings müssen Wanderer wissen: Die Haftung besteht nur auf öffentlichen
Wegen und Straßen, an Wanderparkplätzen, Schutzhütten, überall dort, wo der
Waldbesucher eingeladen wird. Auf Wanderwegen gilt keine Haftung.
Die sichern Sie nicht extra?
Das haben wir bisher gemacht, aber jetzt nehmen die kranken Bäume und
abgestorbenen Äste so sehr zu, dass das nicht mehr möglich ist. Wir müssten
den halben Wald fällen. Rund um Waldkindergärten, an einigen besonderen
Besucher-Hotspots, da gucken wir noch zwei Mal im Jahr nach gefährlichen
Stellen und beseitigen sie. Mehr geht nicht.
O. k., aufgepasst auf fliegende Äste. Was kommt noch?
Es kommen neue Insekten, einheimische vermehren sich stärker. Beide
profitieren von der Wärme. Das gilt etwa für den Borkenkäfer, der die
Fichte schädigt, für den Eichenprachtkäfer oder den
Eichenprozessionsspinner. Der bildet Härchen, die Allergien und Asthma beim
Menschen auslösen können. Die Nester an Eichen tauchen immer häufiger auf,
aber nur in der Nähe von Kindergärten oder Spielplätzen können sie entfernt
werden. Das sind einige Gruppen von Insekten, die sich jetzt besser
vermehren, das gilt auch für Zecken. Früher war Zeckenzeit von April bis
Oktober, inzwischen sind sie im Winter ab 5 Grad aktiv. Außerdem gibt es
neue Arten, etwa die bis zu zwei Zentimeter große Hyalomma-Zecke aus den
Tropen, die neue Krankheiten überträgt. Wir hoffen, dass sie sich nicht
ausbreitet, aber wahrscheinlich ist sie schon auf dem Vormarsch.
Na toll. Totholz, Zecken – sonst noch was?
[3][Klar, die Waldbrandgefahr ist extrem gestiegen]. 95 Prozent der
Waldbrände sind durch Menschen verursacht. Also bitte, Rauchen ist im Wald
verboten, Feuer machen sowieso. Da haben wir alle eine riesige
Verantwortung.
7 Apr 2023
## LINKS
[1] /Zustand-des-Waldes/!5920160
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[3] /Feuer-im-Nadelwald/!5880731
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Forstwirtschaft
Schwerpunkt Klimawandel
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Schwerpunkt Klimawandel
Natur
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Waldsterben
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