# taz.de -- Humanitäre Katastrophe im Kongo: Über sechs Millionen auf der Flu… | |
> Hilfswerke schlagen Alarm. Die Vertriebenenzahlen im Ostkongo sind auf | |
> eine Rekordzahl gestiegen, die Nothilfe ist unterfinanziert. | |
Bild: Großstädte in Weiß: Ein Vertriebenenlager am Rande von Ituris Provinzh… | |
BERLIN taz | Die humanitäre Notlage in den Kriegsgebieten der | |
Demokratischen Republik Kongo wird immer dramatischer. Zehn Millionen | |
Menschen benötigten dringend Unterstützung zum Überleben, zugleich nehme | |
die Gewalt zu, warnten am Dienstag in einer [1][gemeinsamen Erklärung] die | |
Hilfswerke Oxfam, Care und Danish Refugee Council. Am Montag sprach | |
[2][Ärzte ohne Grenzen] in Bezug auf die am schwersten betroffenen Provinz | |
Nord-Kivu im Osten des Landes von einer „humanitären Katastrophe“ und | |
nannte die internationale Reaktion darauf „völlig unzureichend“. | |
Noch während die Hilfswerke Alarm schlugen, erwiesen sich ihre eigenen | |
Daten als veraltet. Die Erklärung vom Dienstag nennt die Zahl von 5,8 | |
Millionen Binnenflüchtlingen und Vertriebenen in dem Land mit rund 95 | |
Millionen Einwohnern. Am gleichen Tag veröffentliche das humanitäre | |
UN-Koordinierungsbüro OCHA [3][neue Zahlen]. Es seien jetzt über 6,2 | |
Millionen: Allein seit Dezember 2022 seien 538.000 neue Vertriebene | |
registriert worden. Trotz 199.000 registrierter Rückkehrender sei die Zahl | |
damit auf einen Rekordwert gestiegen. | |
Im Februar hatte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR noch 6,06 Millionen | |
Binnenvertriebene gezählt. Meist sind es Bauernfamilien, die auf ihren | |
Feldern oder auf den Wegen zum Markt von Bewaffneten angegriffen und | |
bestohlen oder getötet werden und daher Zuflucht und Schutz woanders | |
suchen. | |
Ein Hauptgrund für die rapide Zunahme der jüngsten Zeit ist die Ausweitung | |
des Krieges der Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März), geführt von | |
kongolesischen Tutsi, in Nord-Kivu. Sie haben die Provinzhauptstadt Goma | |
faktisch umzingelt und vom Umland abgeschnitten. Anti-Tutsi-Milizen, die | |
mit dem Segen der Armee gegen die M23 vorgehen, sorgen für zusätzliche | |
Unsicherheit im Umland. Zwar ist eine ostafrikanische Eingreiftruppe | |
präsent, aber sie hat weder den Krieg beendet noch den auf diplomatischer | |
Ebene vereinbarten Dialogprozess vorangebracht. | |
Nach [4][Berechnungen der UN-Migrationsorganisation IOM] stieg die Zahl der | |
durch den M23-Krieg vertriebenen Menschen in Nord-Kivu zwischen November | |
2022 und März 2023 von 180.000 auf über 900.000, obwohl im gleichen | |
Zeitraum fast 270.000 wieder nach Hause gingen. Weiter nördlich in | |
Nord-Kivu sorgen die regelmäßigen Terrorangriffe der ursprünglich | |
ugandischen Miliz ADF (Allied Democratic Forces), die sich zum globalen | |
„Islamischen Staat“ zählt, für massives Elend. Und [5][in der nördlichen | |
Nachbarprovinz Ituri] sind seit Jahren zahlreiche ethnische Milizen aktiv, | |
in keiner anderen kongolesischen Provinz sind prozentual so viele Menschen | |
auf der Flucht – 1,6 Millionen, ein knappes Drittel der Gesamtbevölkerung. | |
[6][Beim jüngsten Massaker] an einer Hauptstraße im Süden Ituris töteten | |
mutmaßliche ADF-Kämpfer in der Nacht zum Dienstag mindestens 31 Menschen. | |
Bereits im Januar schlug Ärzte ohne Grenzen Alarm: Die Bevölkerung des | |
Vertriebenenlagers Rhoe nahe der Stadt Drodro in Ituri habe sich auf 70.000 | |
Menschen verdoppelt, es gebe nicht genug Wasser für alle. Manche zogen | |
weiter. [7][Jetzt meldet OCHA], allein in der Woche vom 20. bis 26. März | |
seien 28.000 weitere Menschen nach Rhoe gekommen, dort lebten nun 84.000. | |
„Die Unsicherheit behindert Hilfsaktionen“, warnen die drei Hilfswerke in | |
ihrer gemeinsamen Erklärung. Zugleich sei der UN-Hilfsappell für die | |
Demokratische Republik Kongo für das Jahr 2023 in Höhe von 2,25 Milliarden | |
US-Dollar nur zu rund 10 Prozent finanziert. | |
Die weltweit gestiegenen Lebensmittelpreise wirken sich zusätzlich auf die | |
Versorgung nicht nur der Vertriebenen aus. Das unabhängige Family Early | |
Warning System, das für UN und Weltbank Hungerdaten weltweit ermittelt, | |
meldet in seiner letzten Erhebung für Ostkongo vom Februar 2023 eine | |
Stabilisierung der Preise, aber auf hohem Niveau – 24 Prozent mehr als vor | |
einem Jahr. Die Demokratische Republik Kongo zählt laut UN ohnehin schon | |
26,4 Millionen Menschen in „Ernährungsunsicherheit“, die Vorstufe zur | |
Hungerkrise. Es dürften in diesem Jahr – für Kongo ein Wahljahr – noch me… | |
werden. | |
5 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/10-million-people-de… | |
[2] https://www.msf.fr/communiques-presse/rdc-msf-appelle-a-une-mobilisation-ma… | |
[3] https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/republique-democrati… | |
[4] https://reliefweb.int/attachments/e7eecc6a-b7aa-484e-86c1-b86026874e69/Cris… | |
[5] https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/rd-congo-situation-h… | |
[6] https://7sur7.cd/2023/04/05/rdc-une-trentaine-de-civils-tues-par-des-adf-en… | |
[7] https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/democratic-republic-… | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Ostkongo | |
Nord-Kivu | |
Ituri | |
GNS | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Kongo | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Massaker eines Soldaten: Die eigene Familie ermordet | |
Ein Soldat in der kongolesischen Bürgerkriegsprovinz Ituri kommt vor | |
Gericht: Er hat seine Frau, Schwiegermutter und Kinder erschossen. | |
Milizengewalt in der DR Kongo nimmt zu: Auch Kenner verlieren den Überblick | |
In der Demokratischen Republik stehen immer mehr Eingreiftruppen. Die Lage | |
ist kaum zu überblicken. Aber ein afrikanischer Gipfel soll alles klären. | |
UN-Expertenbericht zu Milizen in Kongo: IS-Netzwerk für Afrikas Terror | |
Unterstützer von Somalia bis Südafrika haben Kongos Terrormiliz ADF erneut | |
stark gemacht. Dies enthüllt ein neuer UN-Expertenbericht. | |
Klimakatastrophe in der DR Kongo: Starkregen fordert Hunderte Tote | |
Im Distrikt Kalehe im Ostkongo haben schwere Regenfälle mehrere Dörfer | |
verwüstet. Die Regierung ruft Staatstrauer aus, aber steht in der Kritik. | |
Rebellen im Kongo: Teilrückzug über die Baumgrenze | |
In der Demokratischen Republik Kongo sollen die M23-Rebellen ihre Kontrolle | |
abgeben. Sie verschwinden von den Straßen und formieren sich dann neu. | |
Gewalt gegen Tutsi in Kongo: So werden Warnsignale ignoriert | |
In der Demokratischen Republik Kongo mehren sich brutale Übergriffe gegen | |
Tutsi. Beobachter erinnert das an den Völkermord von 1994 in Ruanda. | |
Wahlvorbereitung im Kongo: Das Kreuz mit den Wahlen | |
In der Demokratischen Republik Kongo wächst die Sorge um die nächsten | |
Wahlen. Vor allem die Kirchen warnen vor Unregelmäßigkeiten und Krieg. | |
Massaker in Ostkongo: Mit Messern und Macheten | |
Über 40 Menschen werden im Ostkongo von der islamistischen ADF ermordet. | |
Sie gilt als brutalste der vor Ort operierenden Milizen. |