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# taz.de -- Parlamentswahlen in Finnland: Adieu für den „politischen Rocksta…
> Finnland wählt am Sonntag und für Sanna Marin sieht es nicht gut aus.
> Fest steht: Eine Fortsetzung wird es für die Koalition nicht geben.
Bild: Laut Meinungsumfragen ist Sanna Marin populärer als ihre Partei
Stockholm taz | Alle fünf Parteien der finnischen Regierungskoalition haben
weibliche Vorsitzende, vier von ihnen sind erst Anfang 30. Sanna Marin mit
ihren 37 Jahren ist nicht nur die jüngste Ministerpräsidentin Finnlands,
sondern auch gleich die jüngste weltweit. In ihrem Kabinett führen Frauen
11 der 18 Ministerien. Als eine Mitte-Links Koalition aus Marins
Sozialdemokraten, den Linken und den Grünen, sowie den liberalen Parteien
Zentrum und Schwedische Volkspartei [1][im Dezember 2019 die
Regierungsgeschäfte in Helsinki übernahm], erregte Finnlands
„Frauenregierung“ auch international Aufsehen.
Was schon vor der Parlamentswahl am Sonntag feststeht: Eine Fortsetzung
wird es für diese Konstellation nicht geben. Die Zentrumspartei möchte
nicht mehr Teil einer solchen Regierung sein. Je nach Wahlergebnis will sie
sich entweder statt nach links nach rechts orientieren oder auf der
Oppositionsbank Platz nehmen. Die besten Aussichten, am Wahlabend knapp die
Nase vorne zu haben, werden der konservativen Sammlungspartei eingeräumt.
Und nach der politischen Tradition des Landes würde es dann deren
Vorsitzender Petteri Orpo sein, der Anspruch auf das Amt des
Regierungschefs erheben kann.
Mit 19,5 Prozent, nur drei Zehntel hinter den Konservativen, sahen die
Meinungsumfragen vom Donnerstag die Partei Wahre Finnen. Die
Rechtsaußenpartei hat ihren flüchtlingsfeindlichen Kurs noch verschärft,
lehnt Arbeitskrafteinwanderung als Lösung für Finnlands
Arbeitsmarktprobleme ab, plädiert für einen EU-Austritt und kritisiert die
„überambitionierten Klimaziele“ des Landes. Sie punktet damit vor allem bei
Männern und in der Gruppe der ErstwählerInnen, bei denen sie mit 28 Prozent
mehr als doppelt so erfolgreich abschneidet wie die Sozialdemokraten.
Und warum liegen die Sozialdemokraten mit prognostizierten 18,7 Prozent
hinter diesen beiden Rechtsparteien nur auf Platz 3? Zwar hat Sanna Marins
Regierung tatsächlich – auch, aber nicht nur coronabedingt – manche ihrer
Versprechungen nicht gehalten, vor allem im Bereich der Sozial- und
Klimapolitik. Aber wirtschaftlich steht Finnland gar nicht so schlecht da
und die Regierung ist dabei, das unter Dach und Fach zu bringen, was einer
großen Mehrheit der FinnInnen in den letzten Monaten besonders wichtig war:
die Mitgliedschaft in der Nato.
## Innenpolitische Themen können die Wahl beeinflussen
Aber über die Sicherheitspolitik besteht im Parlament breite Einigkeit. Die
Analysen zeigen, dass sie an der Wahlurne deshalb kaum mehr eine Rolle
spielen wird, viel wichtiger sind den WählerInnen innenpolitische Themen.
Die Frage der Staatsverschuldung ist in den letzten Wochen ganz nach oben
geklettert. Auf über 71 Prozent des BIP ist sie gestiegen.
Die relative Staatsschuld liegt damit an der Spitze aller
EU-Ostseeanrainerstaaten und ist mehr als doppelt so hoch wie in Schweden
oder Dänemark – den Ländern, mit denen sich Finnland sonst gerne vergleicht
und auf deren Verschuldungsniveau man sich bis vor 15 Jahren auch bewegt
hatte. Die Staatsschuldenrate liegt auch deutlich über der von der
Regierung Marin selbst angepeilten Marke von 57 Prozent. Für den Anstieg
seien Corona und die Ukraine nur ein Teil der Erklärung, sagt
beispielsweise Aki Kangasharju vom Konjunkturforschungsinstitut ETLA: Die
letzten Regierungen hätten ganz einfach über ihre Verhältnisse gelebt,
unter Marin habe sich die Entwicklung noch verstärkt.
Oppositionsführer Orpo und seine Sammlungspartei haben sich erfolgreich auf
das Schuldenthema eingeschossen. Marins Regierung habe die
„Wahnvorstellung“ gehabt, Schulden spielten keine Rolle, doch nun würde die
Zinstilgung bereits dem Jahresbudget für Finnlands Polizei entsprechen.
Orpo verspricht sparsameres Wirtschaften, will Finnland wieder auf den
„rechten Weg“ bringen und sammelt damit offenbar Punkte.
## Sanna Marin als „politischer Rockstar“
Laut Meinungsumfragen ist Sanna Marin populärer als die Partei, die sie
selber leitet, und zieht WählerInnen an, die sonst nicht sozialdemokratisch
stimmen würden: „Sie wird entscheidend für das Ergebnis ihrer Partei sein�…
meint der Staatswissenschaftler Göran Djupsund. Aber sie sei eben auch so
etwas wie ein [2][„politischer Rockstar“, der polarisiere], sagt Petri
Korhonen, Chefredakteur der sozialdemokratischen Zeitung Demokraatti. Für
Konservative der Generation 50plus „ist sie zu jung, zu selbstbewusst, zu
smooth auf Instagram und international definitiv zu beliebt“. Die Folgen:
„Wenn du ein bestimmtes Genre, in dem ein Star singt und spielt, nicht
magst, neigst du dazu, auch kein Fan dieser Person zu sein“, [3][so
Demokraatti].
Problematisch sind auch [4][Marins spontane Alleingänge]. Vor drei Wochen
stellte sie bei einem Besuch in der Ukraine Wolodimir Selenski eine
mögliche Lieferung von Kampfflugzeugen der finnischen Luftwaffe in
Aussicht. Dann musste sie sich gefallen lassen, dass der Außen- und der
Verteidigungsminister, der Armeeoberbefehlshaber und der Staatspräsident
sie deshalb öffentlich zurechtwiesen: Das sei nicht nur niemals diskutiert
worden, sondern auch nicht möglich. Denn Finnland brauche jedes Flugzeug
selbst.
31 Mar 2023
## LINKS
[1] /Neue-Ministerpraesidentin-in-Finnland/!5645073
[2] /Finnlands-Regierungschefin-Marin/!5876028
[3] https://demokraatti.fi/sanna-marin-kokoomuksen-tyoelamalinjaukset-kylmia-li…
[4] /Finnland-Schweden-und-die-Allianz/!5848585
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Finnland
Parlamentswahlen
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Frauenpolitik
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Nato
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