| # taz.de -- Internationale Raumfahrt: Eine Uhrzeit für den Mond | |
| > Planen auf dem Mond ist gar nicht so einfach. Welche Zeitzone gilt dort, | |
| > wie schnell läuft die Zeit und vor allem: Wann trinkt man den 5-Uhr-Tee? | |
| Bild: Welche Uhrzeit nehmen wir auf dem Mond? | |
| Eine Szene durfte in actiongeladenen Filmen aus dem letzten Jahrtausend, in | |
| denen Bomben entschärft oder Raketen ins All geschickt wurden, nicht | |
| fehlen: der Uhrenvergleich. Meist mit einer Einstellung, die | |
| aneinandergehaltene Armbanduhren zeigte. | |
| Ob die Vertreter*innen von ESA, NASA und weiteren Weltraumagenturen, | |
| die sich vergangenen November im Europäischen Weltraumforschungs- und | |
| Technologiezentrum in den Niederlanden trafen, auch so einen Uhrenvergleich | |
| machten? Wahrscheinlich nicht. Immerhin synchronisieren heutzutage | |
| Smartphones ihre interne Uhr ständig mit der koordinierten Weltzeit. | |
| Das funktioniert aber nur, solange sich die Uhrenbesitzer*innen auf | |
| der Erde treffen. Bei den anstehenden Expeditionen zum Mond wird das | |
| schwieriger. Denn alle Mondmissionen, egal ob von der amerikanischen, | |
| europäischen [1][oder chinesischen Raumfahrtbehörde], bringen bisher ihre | |
| eigene Zeit mit in den Weltraum. Die anderen Nationen müssen nachrechnen, | |
| wer wann welches Shuttle nach oben schießt. | |
| Na gut, könnte man denken, sollen sie sich halt einen Kalender schnappen | |
| und miteinander die Routen und Termine absprechen, damit sich die | |
| Raumschiffe nicht in die Quere kommen. Aber da hat Einstein noch ein | |
| Wörtchen mitzureden. Wir erinnern uns: Zeit und Raum sind relativ. Aufgrund | |
| der geringeren Gravitation des Mondes im Vergleich zur Erde vergeht die | |
| Zeit dort ein klitzekleines bisschen schneller als bei uns. 56 | |
| Mikrosekunden in 24 Stunden, um genau zu sein. | |
| ## Langfristig braucht es einen internationalen Kompromiss | |
| Leute, zu deren besten Freund*innen die Snooze-Taste des Weckers gehört, | |
| mag eine solche Abweichung nicht weiter beunruhigen. Wer aber mit LunaNet | |
| Navigationssysteme mit mondumkreisenden Satelliten aufbauen will, hat ein | |
| Problem. Denn satellitengestützte Navigation, wie zum Beispiel GPS, | |
| funktioniert so, dass Satelliten ihre Position und Uhrzeit als Radiosignal | |
| zur Erde senden. Der Empfänger, zum Beispiel ein Handy, berechnet die | |
| Entfernung zu allen Satelliten, deren Signale er empfängt und ermittelt | |
| daraus seine Position. Um auf dem Mond eine ebenso exakte Navigation zu | |
| ermöglichen, braucht es also eine einheitliche Zeit – am besten unabhängig | |
| von der Erde. | |
| Aber welche Uhrzeit nehmen wir auf dem Mond? Die Coordinated Universal | |
| Time? Greenwich Mean Time? Und das alles mit 56 Mikrosekunden Abweichung? | |
| Sie sehen, es ist überfällig, dass der Mond seine eigene Zeit bekommt, | |
| damit sich niemand darüber streiten muss, ob nach dem Fünf-Uhr-Tee noch | |
| gelandet werden darf, oder der Moonwalk an einem stillen Feiertag erlaubt | |
| ist. Und natürlich geht es darum, die zahlreichen geplanten internationalen | |
| Mondmissionen zu koordinieren. Genauso wie sichergestellt werden muss, dass | |
| die Raumfähre auch nach zehn Jahren noch an der Landestelle aufsetzt, die | |
| dafür konzipiert wurde und nicht im Krater daneben. | |
| Und der Mond ist erst der Anfang: Wenn die Menschheit eines Tages zu | |
| weiteren [2][Expeditionen aufbricht und den Mars] oder die Jupitermonde | |
| besiedelt, müssen auch diese Himmelskörper eine eigene Zeit bekommen. | |
| Früher war es das Ideal der Könige, ein Reich zu beherrschen, in dem die | |
| Sonne niemals untergeht. Heute leben wir in einer Welt, in der es darauf | |
| ankommt, die eigenen Maßstäbe zurückzustellen und sich gemeinsam auf | |
| [3][einen vernünftigen Kompromiss] zu einigen, den die Wissenschaft | |
| vorgibt. Schon das hört sich utopisch an. | |
| 22 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Theresa Hannig | |
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