# taz.de -- Galeria-Insolvenz und Stadtplanung: Was kommt nach dem Kaufhaus? | |
> Am Montag entscheidet die Gläubigerversammlung von Galeria Karstadt | |
> Kaufhof über den Insolvenzplan. Drei Stimmen, was danach kommen kann. | |
Bild: Was soll aus den alten Kaufhäusern werden? | |
## Treffpunkt mal ohne Konsum | |
„Ich rechne damit, dass uns Kaufhäuser als städtische Ankerpunkte erhalten | |
bleiben – aber mit einem anderen Innenleben, als wir es heute kennen. Das | |
liegt nicht nur an der Krise der Warenhäuser, sondern auch am | |
[1][spekulativen Immobilienmarkt]. Als Städte und Kommunen, ja als ganze | |
Gesellschaft brauchen wir dringend Flächen für unkommerzielle | |
Nutzungsarten, nicht für Büroimmobilien oder Luxuswohnungen, wie es | |
renditeträchtige Immobilienverwerter planen. Wir müssen unsere | |
Innenstädte, also auch Shoppingmalls und Warenhäuser, neu definieren. Denn | |
in besten Innenstadtlagen bieten die Gebäude ideale Voraussetzungen, um | |
auch Orte für Sorgearbeit zu sein, die ja in unserer Welt einen viel zu | |
geringen Stellenwert hat. Diese Arbeit würde damit sichtbar gemacht und | |
bessere Bedingungen geschaffen werden. | |
Sorgezentren können Treffpunkte für pflegende Angehörige sein oder | |
Alternativen zum Spielplatz, die sich gut mit Betreuung und Bildung | |
verknüpfen lassen, [2][Tauschläden] oder Reparaturwerkstätten. Auch | |
gesundheitliche Nahversorgung, etwa Arztpraxen passen dazu. Insgesamt | |
sollen es Orte sein, die Begegnungen auch ohne Konsum ermöglichen, die | |
Nachbarschaften zusammenbringen. Bei dem Entscheidungsprozess, was in einem | |
konkreten Gebäude passieren soll, braucht es unbedingt die Beteiligung der | |
Menschen vor Ort. Doch es ist auch ein Engagement der Stadtregierungen | |
nötig, denn sie haben die Planungshoheit, nicht die Investoren. | |
Dafür gibt es Stadtplanungsinstrumente wie das Ausweisen von | |
Sanierungsgebieten, Bebauungsplanverfahren oder das Vorkaufsrecht, und die | |
müssen die lokalen Regierungen nutzen. Und das muss schnell passieren: Bei | |
Galeria Karstadt Kaufhof müssen die Warenhäuser jetzt gesichert werden, | |
damit sie nicht an Immobilienhaie fallen. Natürlich gibt es immer wieder | |
die Befürchtung, dass so tiefgreifende Transformationen nicht zu bezahlen | |
sind. Aber es gibt unter anderem auf EU-Ebene Fördermittel für lebendige | |
Innenstädte, und auch der Bund kann Gelder bereitstellen. Das Geld darf | |
also kein Argument gegen Veränderungen sein.“ | |
Katalin Gennburg ist stadtentwicklungspolitische Sprecherin der | |
Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. | |
## Grüne Innenstadt für Jugendliche | |
„In vielen Städten wird [3][nach den Kaufhaus-Schließungen] eine andere | |
Innenstadt kommen. Eine, die nicht nur vom Einkaufen, sondern von mehr | |
Aufenthaltsqualität geprägt sein wird. Wenn wir uns anschauen, dass unter | |
30-Jährige zum Shoppen praktisch nicht mehr in die Innenstadt gehen, dann | |
zeigt sich, dass wir neue Perspektiven brauchen. Die Situation bei Galeria | |
Karstadt Kaufhof beschleunigt also einen Prozess, der ohnehin stattfindet: | |
den Umbau der Innenstädte. Momentan ist da häufig zu viel Parkplatz, zu | |
viele Flächen sind versiegelt, es ist zu wenig Grün da und zu wenig Leben. | |
Also zu wenig Dinge, die ein Gefühl von „Hier will ich sein“ schaffen. | |
Nun gibt es bei diesem Transformationsprozess natürlich Hürden. Eine große: | |
Die Immobilien gehören in der Regel nicht der Stadt selbst. Im besten Fall | |
gehört einer Inhaberin oder einem Inhaber der selbst geführte Laden direkt, | |
im ungünstigsten Fall ist zum Beispiel ein australischer Finanzinvestor der | |
Eigentümer. Und dem ist ziemlich egal, was in einer mittelgroßen deutschen | |
Stadt passiert, der will einfach nur seine Rendite. Als Stadt muss man also | |
verschiedene, teilweise sich widersprechende Interessen und Perspektiven | |
zusammenbringen: die Immobilieneigentümer, die Händler vor Ort, aber vor | |
allem auch die Menschen, die die Innenstadt nutzen. Deshalb ist das | |
Wichtigste: eine Idee. | |
Eine Idee dafür, was ich als Stadt und Gesellschaft eigentlich tun will mit | |
diesen unheimlich attraktiven Flächen. Und wenn ich sage, ich will mehr | |
Grün haben und weniger Beton, [4][ich will weniger Autos] und Parkplätze, | |
aber dafür etwas Wasser und Orte, die für Belebung sorgen – vielleicht eine | |
Kita oder auch Wohnungen – dann kann ich damit arbeiten. Die Kernfrage | |
sollte sein: Wo fühlen wir uns wohl? Und in der Regel fühlen wir uns da | |
wohl, wo auch andere Menschen sind, wo Leben ist. Wir müssen also einen | |
Raum schaffen, über den die Menschen sagen: Hier möchte ich gerne sein.“ | |
Helmut Dedy ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. | |
## Ein Haus für Bildung | |
„Seit knapp zwei Jahren steht das alte Kaufhausgebäude bei uns in der | |
Innenstadt leer. Vor etwa einem halben Jahr haben wir dann das Gebäude | |
gekauft: Wir werden daraus ein Haus für Bildung machen, das von Gymnasien, | |
Hochschulen und auch Start-ups genutzt wird. Momentan sind wir in der | |
Konzept- und Entwicklungsphase und beteiligen unter anderem Schülerinnen | |
und Schüler und Akteure von den Hochschulen und Start-ups daran. Die | |
Nachnutzung wurde schon ziemlich kontrovers diskutiert, und auch andere | |
Nutzungsarten waren im Rennen: Eine museale Nutzung oder Altenpflege unter | |
anderem, aber auch eine Diskothek. Wir setzten darauf, dass wir mit dem | |
neuen Konzept eine zusätzliche Belebung der Innenstadt und einen neuen | |
Anziehungspunkt in der Altstadt schaffen. So kann es beispielsweise auch | |
eine große, teilweise öffentlich zugängliche Dachterrasse geben, die | |
Besucher etwa in den Nachmittagsstunden dazu einladen wird, bei Musik auf | |
die historischen Kirchtürme zu gucken. | |
Im bundesweiten Vergleich steht Lübeck zwar noch recht gut da, was | |
Attraktivität und Ansiedlungsbereitschaft angeht. Trotzdem haben wir | |
vereinzelt Leerstände und wollen uns nicht auf der vergleichsweise | |
komfortablen Situation ausruhen. Insofern kann das, was wir machen, auch | |
ein Vorbild sein für andere Städte. Der großflächige Einzelhandel in | |
Warenhausstruktur wird nicht die Zukunft sein. Dabei muss es nicht für jede | |
Stadt das Richtige sein, auf Bildung als Nachnutzung zu setzen. Aber dass | |
man [5][aus großflächigen Warenhäusern andere, kleinteilige und flexiblere | |
Nutzungen macht], das wird in vielen Städten passieren. Wichtig sind drei | |
Dinge. | |
Erstens: Man sollte sich niemals damit zufriedengeben, das Gebäude einfach | |
dauerhaft zu schließen. Zweitens: Die Stadtplanung muss in öffentlicher | |
Hand bleiben – es werden sich zwar viele Akteure mit vielen Ideen finden, | |
die meisten münden aber darin, wie sie selbst viel Geld machen können. | |
Drittens: Am Geld wird es dennoch nicht scheitern. Wenn die Idee gut und im | |
Sinne der Bürgerinnen und Bürger ist, dann werden sich auch Geldquellen | |
finden.“ | |
Jan Lindenau (SPD) ist Bürgermeister von Lübeck. | |
26 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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