# taz.de -- Wahl in Frankfurt: Keine grüne OB in Frankfurt | |
> Bei der Oberbürgermeisterwahl kommt es zur Stichwahl zwischen CDU und | |
> SPD. Entscheidend sein werden die WählerInnen der Grünen. | |
Bild: Uwe Becker (CDU, l.) und Mike Josef (SPD) gehen für die OB-Wahl in Frank… | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Als OB-Kandidat Mike Josef am Sonntag kurz vor 20 | |
Uhr den Frankfurter Römer betritt, begrüßen ihn seine SPD-GenossInnen schon | |
an der Pforte begeistert. Seinen Weg nach oben, über die Marmortreppe auf | |
die „OB-Ebene“ im ersten Stock des Rathauses, begleiten sie mit | |
rhythmischem Klatschen. | |
Nach der ersten Runde der Frankfurter OB-Direktwahl liegt Josef mit 24 | |
Prozent zwar nur knapp auf Platz zwei, vor der drittplatzierten [1][grünen | |
Mitbewerberin Manuela Rottmann] (21,3 Prozent). Doch Josef hat die | |
Stichwahl erreicht. Ein Erfolg, auch wenn er nur zweiter Sieger hinter dem | |
CDU-Favoriten, Ex-Kämmerer und Europastaatssekretär Uwe Becker (34,5 | |
Prozent) ist. Der Unionsmann, der sich im Wahlkampf mit Attacken gegen die | |
grüne „autofeindliche“ Verkehrspolitik profiliert hat, liegt nach der | |
ersten Runde klar vorn. Der sozialdemokratische Baustadtrat rechnet sich | |
gleichwohl gute Chancen aus, in drei Wochen in das Büro auf der OB-Ebene | |
umzuziehen. | |
Im zweiten Durchgang am 26. März kommt es auf die 40.000 WählerInnen an, | |
die am Sonntag der Kandidatin der Grünen ihre Stimme gegeben haben. Als | |
stärkste Fraktion im Stadtparlament regieren die Grünen Frankfurt in einem | |
Reformbündnis zusammen mit SPD, FDP und VOLT, gegen die CDU als größte | |
Oppositionspartei. „Josef ist trotz Platz 2 nun der Favorit“, titelt am | |
Montag denn auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die nicht im Verdacht | |
allzu großer Nähe zur SPD steht. | |
## Fast zwei Stunden bangen | |
Fast zwei Stunden lang hatten die GenossInnen zuvor bangen müssen. Gebannt | |
verfolgten sie die Ergebnisse der Auszählung, die das Wahlamt auf großen | |
Bildschirmen laufend aktualisierte. Josefs anfänglicher Vorsprung vor der | |
grünen Mitbewerberin Rottmann schrumpfte im Lauf des Abends zusammen, auf | |
zuletzt nur noch 3,7 Prozentpunkte. Auch in den eigenen Reihen hatte es bis | |
zuletzt Zweifel gegeben, ob es Josef wirklich in die Stichwahl schaffen | |
würde. | |
Schließlich ist die [2][unrühmliche Abwahl] seines Genossen und | |
langjährigen politischen Weggefährten Peter Feldmann, inzwischen parteilos, | |
gerade mal ein halbes Jahr her. In einem engagierten Straßenwahlkampf, mit | |
Hausbesuchen und unendlich vielen öffentlichen Auftritten, konnte Josef | |
offenbar die Querelen um den [3][gescheiterten Feldmann] bei vielen | |
WählerInnen vergessen machen. | |
Er werde ein neues Kapitel der Frankfurter Stadtpolitik aufschlagen, | |
kündigt Josef am Abend seines Erfolgs an, den er nur als „Zwischenschritt“ | |
ansieht. In den drei Wochen bis zur Stichwahl werde er alles geben und für | |
seine Themen kämpfen. „Damit die Stadt bezahlbar bleibt und bezahlbar wird, | |
dass wir eine Stadt bekommen, die Schulen vernünftig saniert und neue | |
Schulen baut: Bildungschancen dürfen nicht vom Geldbeutel der Eltern | |
abhängen“, sagt der 40-Jährige, der vor 35 Jahren als Kind syrischer | |
Christen als Flüchtling nach Frankfurt kam. | |
Die grüne Kandidatin, die Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann, die für | |
den OB-Wahlkampf in Frankfurt sogar ihr Amt als parlamentarische | |
Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium aufgegeben hatte, | |
zeigt sich im Römer erst lange nach den erfolgreicheren Konkurrenten. Bis | |
zuletzt hatten die Grünen gehofft, dass sie es in den zweiten Wahlgang | |
schaffen würde. | |
Sie sei nicht enttäuscht, versichert Rottmann und erklärt ihre Niederlage | |
mit dem „Bekanntheitsvorsprung“ der Konkurrenz. Die Zeit des Wahlkampfs | |
habe nicht gereicht, um diesen Vorsprung aufzuholen. Ihre ParteifreundInnen | |
trösten sie, noch nie habe eine grüne Kandidatin bei einer OB-Wahl in | |
Frankfurt so viele Stimmen erhalten wie sie. Am Montagabend wollen die | |
Grünen intern beraten, wie es nun weitergeht. | |
Eine Person aus der ersten Reihe der Grünen, die ihren Namen nicht in der | |
taz lesen will, sagt, dass er den Gremien nicht vorgreifen wolle, aber zum | |
Koalitionsvertrag stehe, den es in Frankfurt zwischen SPD, FDP und VOLT | |
gebe. „Legt man das Wahlprogramm des CDU-Kandidaten daneben, gibt es da | |
nicht viele Schnittmengen“, räumt er noch ein und erinnert lachend daran, | |
dass seine Partei mit Wahlempfehlungen für andere keine guten Erfahrungen | |
gemacht habe. | |
## 2012 triumphierte Feldmann | |
Damit spielt der Grünen-Politiker auf die OB-Wahl 2012 an. Vor elf Jahren | |
war mit dem damaligen Innenminister Boris Rhein ein CDU-Bewerber | |
angetreten, der sich zunächst in der Frankfurter Stadtregierung und später | |
als Landespolitiker in grün-schwarzen Bündnissen profiliert hatte. Mit 39,1 | |
Prozent lag er im ersten Wahlgang deutlich vor dem damals weitgehend | |
unbekannten [4][Sozialdemokarten Peter Feldmann], der gerade mal 33 Prozent | |
erreicht hatte. Mehr oder weniger deutlich plädierten führende Grüne des | |
damals regierenden Römerbündnis für Rhein als einem Garanten schwarz-grüner | |
Koalitionen. Doch am Ende triumphierte Feldmann. Grünen-Wähler hatten in | |
großer Zahl die Empfehlung der Parteigranden im Römer ignoriert. | |
Der damals unterlegene Boris Rhein ist inzwischen hessischer | |
Ministerpräsident und will im Oktober als Chef einer schwarz-grünen | |
Landesregierung wiedergewählt werden. In Nieder-Eschbach hat er am Morgen | |
selbst als Frankfurter Bürger seine Stimme Uwe Becker gegeben. „Er würde | |
der Stadt guttun“, sagt Rhein der taz am Abend im Römer. Im ersten Wahlgang | |
habe er selbst ja lediglich 6 Prozentpunkte vor Feldmann gelegen, rechnet | |
Rhein vor; Becker gehe mit mehr als 10 Prozentpunkten mit deutlicherem | |
Abstand in die Stichwahl. „Das ist zu schaffen“, macht Rhein dem | |
Parteifreund Mut. | |
Ein Erfolg der Sozialdemokrat:innen in seiner Heimatstadt wären für | |
den Ministerpräsidenten ein Fehlstart im Dreikampf um die hessische | |
Staatskanzlei bei der Landtagswahl am 8. Oktober. Ganz anders rechnet mit | |
denselben Zahlen SPD-Generalsekretär Christoph Degen, der den Wahlkampf für | |
Rheins [5][SPD-Konkurrentin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser], | |
organisiert. Er erlebe den Abend im Römer als Déjà-vu, sagt er der taz. | |
2021 habe der CDU-Mann Rhein im ersten Wahlgang mit fast 40 Prozent vorn | |
gelegen. In der Stichwahl habe ihn Feldmann trotzdem klar geschlagen: „Es | |
ist alles drin“, so Degen. | |
6 Mar 2023 | |
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[1] /Joschka-Fischer-bei-Aschermittwoch/!5917925 | |
[2] /Frankfurts-Oberbuergermeister-Peter-Feldmann/!5890173 | |
[3] /Umstrittener-OB-von-Frankfurt/!5893111 | |
[4] /Urteil-gegen-Peter-Feldmann/!5901200 | |
[5] /Nancy-Faeser-beim-Hessengipfel-der-SPD/!5913511 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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