Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Antikriegsfilm vom Giacomo Abbruzzese: Kämpfer wider Willen
> Abbruzzese verwebt Schicksale eines geflohenen Belarussen und eines
> nigerianischen Guerilla-Kämpfers. „Disco Boys“ läuft im Wettbewerb.
Bild: Franz Rogowski in „Disco Boy“ von Giacomo Abbruzzese
Körper liegen über Körpern. Kaum zu erkennen, wo der eine endet und der
andere anfängt. Die zwischen, über und unter ihnen verteilten
Maschinenpistolen weisen sie als kämpfende Körper aus. Nur das Fehlen von
Schusswunden lässt sie eher als Schlafende lesen denn als Tote.
Es ist eine einfache erscheinende, tatsächlich aber tief blicken lassende
Sequenz, mit der „Disco Boy“ eröffnet. Denn im Drama des italienischen
Filmemachers Giacomo Abbruzzese scheint grundsätzlich alles mit allem
verbunden zu sein.
Vor allem das Leid jener, die am Rande der Mehrheitsgesellschaft stehen und
für sie gesichtslos, damit austauschbar bleiben. Der Belarusse Aleksei
[1][(Franz Rogowski)] ist einer von ihnen. In einem Fanbus, in dem es vor
rot-weißen Farben wimmelt, sitzt er mit einem Freund auf dem Weg zu einem
Fußballspiel in Polen. Tatsächlich wollen sie von dort, zunächst über die
Oder, illegal nach Frankreich gelangen.
Der Fluss ist ein wiederkehrendes Motiv in „Disco Boys“. Neben Oder und
Seine ist der Niger zu sehen. Er wird zu einem metaphorisch aufgeladenen,
an den griechischen Styx erinnernden Schauplatz. Dann nämlich, wenn der
Film zum Ort des Auftakts zurückkehrt und Jomo (Morr Ndiaye) als zweite
zentrale Figur in den Blick nimmt. Auch er trägt rot-weiße Farben im
Gesicht, als Teil der „Bewegung für die Emanzipation des Nigerdeltas“, die
sich gewaltsam gegen die Zerstörung von Lebensgrundlagen [2][durch globale
Ölkonzerne] zur Wehr setzt.
## Künstlerische Finesse
Von den mal düster wabernden, mal schrillen elektronischen Klängen des
Techno-Musikers Vitalic begleitet, beginnt das Schicksal von Aleksei mit
dem von Jomos zu verschwimmen – und „Disco Boys“ nimmt zusehends
surrealistische Züge an. Aleksei, der sich der französischen Fremdenlegion
angeschlossen hat, um nach fünfjährigem Dienst als Soldat einen Pass zu
erhalten, soll von Jomos Rebellentruppe gekidnappte Franzosen zu befreien.
Bei der Inszenierung ihres Zusammentreffens läuft die Kamera von Hélène
Louvar zu Höchstformen auf, Wärmebildaufnahmen wechseln sich mit Close-ups
geängstigter Gesichter ab.
Mit Alekseis Rückkehr nach Paris verschreibt sich der Film dann endgültig
dem magischen Realismus. Betörend traumartige, beinahe halluzinatorische
Bildwelten erzählen bei aller künstlerischer Finesse überaus klar von den
tragischen Folgen der Gewalt.
Dank des klugen Perspektivwechsels ist „Disco Boys“ letztlich auch ein
kraftvoller Antikriegsfilm. Kaum zu glauben, dass es sich um ein
Langfilmdebüt handelt.
20 Feb 2023
## LINKS
[1] /Christian-Petzold-ueber-seinen-Film-Undine/!5692777
[2] /Panter-Preis-Gewinner-2022/!vn5894005
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
Debütfilm
Niger
Krieg
Soldaten
Schwerpunkt Pressefreiheit
Raubkunst
Ausbeutung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pressekonferenz der Berlinale: Das politische Festival
Ästhetische Risikofreude fördern will Claudia Roth, wie sie zum Auftakt der
Berlinale sagte. Jurymitglied Golshifteh Farahani sprach über den Iran.
Rückgabe von Beutekunst: Auf dem Weg zur Aussöhnung
Außenministerin Baerbock hat die ersten Beute-Bronzen an Nigeria
zurückgegeben. Für das westafrikanische Land ist das ein bedeutender
Schritt.
Internationale Klimapolitik: Menschenrechte und Natur
Klimaschutz ist Voraussetzung für mehr Gleichberechtigung. Er birgt aber
auch die Gefahr, bestehende Armut zu vergrößern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.