# taz.de -- Berliner Wahl und die Sonnenallee: Zurück auf Los | |
> Am Sonntag steigt die erste Wiederholungswahl der Republik. Wer diese | |
> Stadt verstehen will, sollte erst versuchen, die Sonnenallee zu | |
> verstehen. | |
Bild: Blick in ein Fenster einer Bar auf der Sonnenallee | |
BERLIN taz | Schaut man von ferne auf diese Stadt, auf dieses Berlin, dann | |
kann man schon mal denken: Was machen die da eigentlich in der Hauptstadt? | |
Wenn Neukölln nach den Coronajahren [1][mal wieder Silvester feiert], | |
[2][hat gleich] die [3][ganze Republik] eine Debatte über [4][Jugendgewalt] | |
inklusive [5][Friedrich Merz] am Hals. Und eine Wahl kriegen sie irgendwie | |
auch nicht unfallfrei hin, diese Berliner*innen. | |
Die Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am Sonntag [6][findet | |
deshalb statt], weil das Chaos in den Wahllokalen im Herbst 2021 so groß | |
war, dass hinterher niemand mehr durchblickte: Sitzen da jetzt tatsächlich | |
die richtigen Leute im Parlament? Noch mal von vorne, zurück auf Los, sagte | |
deshalb das Landesverfassungsgericht im Herbst 2022. | |
Wer über dieses Berlin schon immer milde erstaunt den Kopf geschüttelt hat | |
– am liebsten tun das übrigens die Berliner*innen selbst –, braucht | |
also bloß bis Silvester zurück- und bis zum Sonntag vorauszublicken. Oder | |
unseren Autor*innen auf die Sonnenallee zu folgen. | |
Auf kaum einer anderen Straße in Berlin kommt so viel Wunderbares und | |
Schreckliches zusammen wie hier in Neukölln: Silvesterrandale, schlechte | |
Radwege, guter Döner. Ein überdimensioniertes Warenhaus, das bald noch viel | |
überdimensionierter aussehen soll. Eine schmerzlich vermisste | |
Mietpreisbremse. Die Sonnenallee beschäftigt diese Stadt eigentlich immer. | |
Manchen bleibt sie für immer fern, wie dieses Berlin überhaupt, anderen | |
wird sie Heimat. | |
## Franziska Giffey und ihr Neukölln | |
Wer genau hinschaut, entdeckt natürlich all die Grautöne hinter der | |
plakativen Schwarz-Weiß-Malerei, die bei der Sonnenallee immer naheliegt. | |
Franziska Giffey, die Regierende Bürgermeisterin und SPD-Spitzenkandidatin | |
für die Wahl am Sonntag, weiß das. Sie war hier erst Schulstadträtin, dann | |
Bezirksbürgermeisterin, bevor sie Bundesfamilienministerin wurde. | |
Als die Debatte über die Silvesterrandale hochkochte, als der | |
[7][CDU-Bundesvorsitzende Merz über „kleine Paschas“ schwadronierte], denen | |
man mal die Meinung geigen müsste – da versenkte sie diese überhitzte, | |
teils unerträglich rassistisch geführte Diskussion schnell in einen | |
Arbeitskreis zum Thema Jugendgewalt. | |
Dass das nicht nur Wahlkampftaktik war – Giffey, die Durch-Regierende, die | |
Macherin – wurde klar, als auch viele Akteure aus der Jugendhilfe sagten: | |
Guter Ansatz, macht Sinn, müssen wir eh mal drüber sprechen (und am besten | |
nicht nur zu Silvester). | |
Erstaunlich war für viele politische Beobachter*innen: [8][Giffey konnte | |
ihr souveränes Agieren nicht in gute Umfragewerte vor der Wahl ummünzen]. | |
Im Gegenteil, die CDU liegt inzwischen mit [9][je nach Umfrageinstitut] 24 | |
bis 26 Prozent deutlich vor SPD und Grünen, die gleichauf jeweils zwischen | |
17 und 21 Prozent Zustimmung bekommen. | |
## Kein Verständnis für die Sonnenallee von der CDU | |
Platt rassistisch hatte die Berliner CDU-Fraktion nach Silvester die | |
Vornamen der vermeintlichen Täter von der Innenverwaltung erfragen wollen. | |
Offensichtlich denkt die Berliner CDU über einen Mehmet anders als über | |
einen Markus. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner distanzierte sich nicht klar | |
von dieser Vornamenabfrage. Der [10][potenzielle Wahlsieger am Sonntag], er | |
ist vermutlich auch so einer, der die Sonnenallee nie verstehen wird. | |
Leider verstehen wiederum erstaunlich viele Berliner*innen Kai Wegners | |
CDU. | |
Ob dieses Mal nach der Wahl dann die „richtigen“ Leute im Abgeordnetenhaus | |
sitzen? Schön ist: die Sonnenallee wird bleiben, wo sie ist. Der Döner wird | |
gut bleiben. Mehr Fahrradwege wären toll. | |
9 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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