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# taz.de -- Fachjournalist über Reichsbürger*innen: „Von Anbeginn radikal“
> Warum Reichsbürger*innen lange unterschätzt wurden und was für
> Menschen Teil der Szene sind: Ein Gespräch mit Andreas Speit zum taz
> Salon Bremen.
Bild: Reichsbürger erkennen den Staat nicht an: Hier der Fantasie-Ausweis eine…
taz: Andreas Speit, woran erkennt man Reichsbürger im Alltag?
Andreas Speit: Im Alltag kann es sein, dass man Reichsbewegte überhaupt
nicht erkennt, weil sie angefangen haben, sich zurückzuhalten – wegen des
strafrechtlichen Drucks und der zivilgesellschaftlichen
Auseinandersetzungen.
Warum sagen Sie „Reichsbewegte“ und nicht „Reichsbürger“?
In der Wahrnehmung des Rechtsextremismus und der Reichsideologie werden
Frauen oft ausgeblendet. Im Zuge des Zulaufs aus dem Querdenken-Spektrum
hat sich der Frauenanteil enorm verstärkt. Wir finden, dass man das
sprachlich auch abbilden sollte.
Ist das Milieu homogen?
Vereinfacht gesagt, haben wir vier Strömungen. Das eine sind tatsächlich
Rechtsextreme, die es auch gleich nach 1945 gegeben hat. In den
1980er-Jahren kommen die klassischen Reichsbewegten auf, die ernsthaft
versuchen, ein neues Preußen aufzubauen. Sie sind diejenigen, die beginnen,
eigene Fantasie-Dokumente anzubieten. In den 2000er-Jahren beginnen die
sogenannten Selbstverwaltenden. Sie rufen eigene Königreiche oder Staaten
aus. Das vierte Milieu sind die Souveränist*innen, die der Meinung sind,
die Bundesrepublik sei kein souveräner Staat.
Wie nah stehen die sich?
In den letzten Jahren haben sie sich trotz aller Differenzen angenähert,
weil sie zentrale Gedanken gemein haben. Einer ist, dass diese
Bundesrepublik kein legitimer Staat sei. Das wird unterschiedlich
begründet. Die einen denken, dass ein Deutsches Reich weiter besteht, die
anderen, dass die Bundesrepublik immer noch ein Konstrukt der Alliierten
ist. Andere denken schlicht und einfach, die Bundesrepublik sei eine Firma,
eine GmbH.
Das klingt alles ein bisschen absurd.
Wenn man Reichsbewegte erlebt, springen sie in ihrer Argumentation oft von
A nach C, von B nach D. Das wirkt manches Mal gehetzt, manisch oder auch
missionarisch. Das hatte zur Folge, dass es in den Behörden und
Verwaltungen einen Ordner gegeben hat, wo [1][draufstand „Irre und
Spinner]“, weil sie lange Briefe und Mails geschrieben haben, wo sie dann
erklärt haben, warum sie beispielsweise das Strafmandat nicht bezahlen
wollen. Man hat diese Bewegung eher pathologisiert und das radikale
politische Moment nicht so ernst genommen, wie es von Anbeginn war.
Woher kommt die Radikalität?
Aus ihrer Ablehnung des Staates leiten sie ein Recht auf Widerstand ab.
Wenn ich der Meinung bin, dieser Staat ist nicht legitim und er geht gegen
mich vor, weil er Steuern möchte, ich Bußgeldbescheide bezahlen soll oder
der Schornsteinfeger kommt, dann habe ich das Recht auf Widerstand. [2][Die
Militanz ist überhaupt nicht überraschend gewesen], auch wenn man 2016
erschüttert war, als ein Polizeibeamter bei einer Maßnahme erschossen
wurde.
Was sind das für Leute?
Auffällig ist, dass sie meistens Männer ab 45 Jahren sind. In den
Biografien stellt man fest, dass es Brüche gegeben hat. Das heißt nicht,
dass die ökonomisch abgestürzt oder familiär gescheitert sind, aber es gibt
für sie erlebte Brüche. Leider können dann Reichsideen mit [3][teils
antisemitischen Verschwörungserzählungen] Halt geben. Bei Männern ist da
natürlich auch noch der Benefit dabei: „Jetzt kann ich es auch wieder
Frauen erklären.“ Diese Selbstermächtigung und Selbsterhöhung ist nicht zu
unterschätzen. Es [4][beginnt jetzt auch ein Projekt in Norddeutschland],
wo man das versucht, genauer empirisch zu erfassen.
7 Feb 2023
## LINKS
[1] /Einschaetzung-von-Attentaetern/!5903469
[2] /Ausschreitungen-in-Grevesmuehlen/!5911731
[3] /Symposium-zur-documenta15/!5910506
[4] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/Wie-…
## AUTOREN
Franziska Betz
## TAGS
Rechtsextremismus
Bremen
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Radikalenerlass
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