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# taz.de -- Ausbildungsumlage in Bremen: Wer nicht ausbildet, soll zahlen
> Die rot-grün-rote Koalition will mithilfe eines Fonds mehr junge Menschen
> ausbilden. Unternehmen und Opposition sind gegen die geplanten Umlage.
Bild: Gehört zu den begehrtesten Ausbildungsberufen: KFZ-Mechatroniker*in
Bremen taz | Weniger unbesetzte Lehrstellen, [1][mehr Fachkräfte]: Die
Hoffnungen in den Bremer „Landesausbildungsunterstützungsfonds“ sind groß,
zumindest auf Seiten der rot-grün-roten Regierung. Ausbildende Betriebe im
Land Bremen sollen demnach bald für jede*n Azubi bezuschusst werden –
finanziert durch eine Abgabe der Unternehmen. Eine entsprechende
Gesetzesvorlage – nach eigenen Angaben bundesweit einmalig – hat der Senat
am Dienstag beschlossen. Das Gesetz soll im April von der Bürgerschaft
beschlossen werden und ab dem Ausbildungsjahr 2024/25 gelten.
Das Problem, das der Senat versucht zu bekämpfen, ist riesig: Es gibt viele
Menschen ohne Berufsqualifikation, [2][daneben fehlen jede Menge
Fachkräfte], die nicht zuletzt für Sanierungen im Rahmen des Klimaschutzes
dringend gebraucht werden. Über unbesetzte Ausbildungsstellen beklagen sich
auch die Unternehmen selbst. In der Erklärung des Senats heißt es:
„Insbesondere leistungsschwächeren jungen Menschen ist der Zugang zu
betrieblicher Ausbildung zunehmend erschwert.“
Doch was heißt „leistungsschwach“? – Fehlende Grundkenntnisse, zum Beisp…
in Mathematik, aber auch fehlende Sprachkenntnisse, sagt Kai Stührenberg,
Staatsrat bei der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. Das bedeute:
Für Unternehmen werde die Ausbildung aufwendiger – auch in dem Bereich,
„den man früher vielleicht als allgemeine Erziehung wahrgenommen hat“, sagt
Stührenberg.
Größere Firmen hätten für die Betreuung der Azubis eigenes Personal –
kleinere könnten genau das jedoch nicht bezahlen. Dabei müsse man auch
„Jugendliche in den Blick nehmen, bei denen die Herausforderungen größer
sind, um dem Fachkräftemangel zu begegnen“. Hier setze der Fonds an.
## Unternehmen dürfen Höhe der Umlage mitbestimmen
Pro Ausbildungsvertrag und Jahr sollen Unternehmen künftig 1.500 bis 2.500
Euro erhalten, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Das Geld
könne in pädagogische Betreuung fließen, Kommunikation oder Marketing.
Betriebe müssten sich anpassen, sagt Stührenberg. Es gebe zwar „viele tolle
Unternehmen, die viel investieren“. Aber beispielsweise sei nicht jeder
kleine Betrieb aufgestellt, [3][mit jungen Frauen in der Ausbildung
umzugehen.]
Um den Zuschuss zu finanzieren, müssen alle Unternehmen eine Abgabe zahlen,
die das Gesetz auf 0,3 Prozent der Bruttolohnsumme deckelt. Wie viel genau,
sagt Stührenberg, werde dann gemeinsam mit den Kammern und dem Deutschen
Gewerkschaftsbund Bremen ausgehandelt.
Von der Abgabe befreit werden können Unternehmen, die bereits in einen
Branchenfonds einzahlen – etwa in der Pflege oder im Bau. Auch
Ein-Mensch-Betriebe, die schlicht nicht ausbilden können, seien
ausgenommen, sagt Stührenberg. Wer ausbilden will, aber niemanden findet,
müsse dagegen trotzdem zahlen. Solche Betriebe könnten aber von anderen
Maßnahmen profitieren, die das Gesetz vorsieht: Der Senat will Kurse für
Unternehmen finanzieren: zu fachlichen Themen, aber auch dem Umgang mit
Kund*innen, Beratung, Betreuung oder zur Prüfungsvorbereitung.
Nicht nur die oppositionellen Parteien CDU und FDP lehnen das Gesetz ab,
auch die Firmen sind dagegen. In einer gemeinsame Erklärung beschweren sich
Handwerks- und Handelskammer sowie Unternehmensverbände, dass die Umlage
die Unternehmen, die „dringend nach Auszubildenden suchen, zusätzlich zu
der häufig ergebnislosen Suche finanziell und administrativ weiter
belastet“.
## Handelskammer will Entwurf juristisch prüfen lassen
Laut Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht basiere der Fonds auf
einer „völligen Fehleinschätzung“ der aktuellen Lage auf dem
Ausbildungsmarkt. Unternehmen benötigten kein Geld, sondern
„ausbildungsreife junge Menschen, die alle Grundlagen im Lesen, Schreiben
und Rechnen in ihrer Schulausbildung gelernt haben“. Auch juristisch halte
er den Plan für fragwürdig. Die Kammer werde den Gesetzesentwurf daher
prüfen lassen.
Dass die Unternehmen so massiv protestieren, kann Stührenberg nur in Teilen
nachvollziehen. Es gebe eine „allgemeine Zurückhaltung“ bei Einmischungen
durch den Staat. Zudem sei am Anfang vermittelt worden, dass es um
Strafzahlungen gehe. „Vielen war nicht bewusst, dass ein Großteil der
Unternehmen Geld bekommt“, sagt der Staatsrat.
Rational betrachtet hätten kleine und mittlere Betriebe keinen Grund für
Gegenwehr: „Sie zahlen ein und bekommen einen größeren Betrag zurück“,
erklärt Stührenberg. Bei großen Unternehmen sei das anders, aber hier habe
die Politik eben entschieden, dass diese einen solidarischen Beitrag für
die Gesamtgesellschaft leisten sollten.
Das Gesetz werde auf die Schnelle keine neuen ausbildungsfreudigen
Jugendlichen herbeizaubern können. Aber abzuwarten, bis alle verwandten
gesellschaftlichen Probleme von Bildung bis Integration gelöst sind, könne
man nicht, sagt Stührenberg. Die Unternehmen müssten ihren Aufwand jetzt
erhöhen, und die Regierung wolle dabei unterstützen.
2 Feb 2023
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## AUTOREN
Alina Götz
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