Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Corsage“-Star angeklagt: Schwere Trennung von Franz Joseph
> Der Schauspieler Florian Teichtmeister ist für den Besitz von
> Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder angeklagt. Die Branche
> ringt mit dem Fall.
Bild: In „Corsage“ spielt Teichtmeister Kaiser Franz Joseph, der sich liebe…
Der nächtliche Reitausflug der Kaiserin Sisi (Vicky Krieps) mit ihrer
Tochter Valerie (Rosa Hajjaj) mag ein Abenteuer gewesen sein. Doch er hat
Folgen. Am Morgen liegt Valerie krank im Bett, sie hustet und hat fast 40
Grad Fieber. Ihr Vater, der Kaiser Franz Joseph, betritt mit sorgenvollem
Blick das Schlafzimmer des Kindes. „Papa“, ruft es leise. Franz schimpft
mit seiner Frau: „Ich sehe nicht, wie du die Gesundheit unseres Kindes aufs
Spiel setzen magst.“ Doch so streng er mit seiner Ehefrau umgeht, so
liebevoll und fürsorglich widmet er sich seiner Tochter, seiner
„Prinzessin“.
[1][Es ist einer dieser Szenen aus dem österreichischen Spielfilm
„Corsage“], die einen kurz zusammenzucken lässt und mit einem unguten
Bauchgefühl zurücklässt. Denn man sieht bei dieser Szene nicht die Figur
des Kaisers, sondern es drängt sich der Schauspieler davor, Florian
Teichtmeister. Seit dem 13. Januar ist bekannt, dass der 43-jährige
Schauspieler wegen Besitz von Darstellungen sexueller Gewalt gegen Kinder
angeklagt ist. Bei einer Hausdurchsuchung hatte die Polizei Dutzende
Datenträger beschlagnahmt, darauf wurden 58.000 Missbrauchsdarstellungen
Minderjähriger gefunden. Diese soll Teichtmeister zwischen 2008 und 2021
aus dem Darknet heruntergeladen haben.
Was im österreichischen Strafgesetzbuch im Paragraf 207a
[2][„pornographische Darstellung einer unmündigen Person“] heißt, bedeutet
in diesem Fall Tausende Fotos von Genitalien oder Missbrauchsszenen, das
geht aus dem Strafantrag hervor aus dem verschiedene Medien zitieren. Die
Opfer sind teilweise noch nicht einmal 14 Jahre alt. Medienberichten
zufolge soll Teichtmeister auch selbst Minderjährige an Filmsets
fotografiert und daraus Collagen erstellt haben.
Nun muss er sich ab dem 8. Februar für seine Taten vor einem Gericht in
Wien verantworten. Ihm drohen bis zu zwei Jahre Haft. Durch den
Medienanwalt Michael Rami lässt Teichtmeister verlauten, dass er geständig
sei, mit den Behörden kooperiere und sich seit zwei Jahren in
psychologischer Behandlung befinde.
## Hat die Branche die Augen verschlossen?
Juristisch geht nun alles seinen Gang, doch der Fall Teichtmeister ist
längst zu einem Politikum geworden, und das nicht nur in Österreich. Denn
seit Anfang Januar bekannt wurde, dass der Schauspieler sich vor Gericht
verantworten muss, werden zwei Fragen diskutiert: Hat die Branche die Augen
vor seinen Taten verschlossen? Und wie geht man nach dem
Schuldeingeständnis mit seiner Kunst um?
Um die erste Frage zu beantworten, muss man zurückgehen ins Jahr 2021. Im
August setzte die Ex-Freundin Teichtmeisters einen Notruf ab, sie
beschuldigte ihn der häuslichen Gewalt und lieferte einen Hinweis auf die
Missbrauchsdarstellungen von Minderjährigen auf seinem Handy. Die
Ermittlungen der Polizei begannen, einen Monat später sickerte die
Nachricht an verschiedene Medien durch. Die Krone und der Standard
berichteten über die Vorwürfe, allerdings ohne einen Namen zu nennen. Aus
heutiger Sicht ist klar: Viele in der Branche wussten, um wen es geht.
Einer von ihnen ist [3][Martin Kušej, Direktor des renommierten Wiener
Burgtheaters], in dem Teichtmeister zu dem Zeitpunkt Ensemblemitglied war.
Das Theater erfährt durch Medien im September von den Vorwürfen. [4][Im
Gespräch mit dem Standard ] erklärt Kušej heute, es habe damals Gespräche
mit Teichtmeister gegeben. Der stritt alle Vorwürfe ab und schob das Ganze
auf die Rachsüchtigkeit seiner Ex-Freundin. Ein Narrativ, dass das Theater
wohl zu glauben schien, nur der Regisseur Sebastian Brauneis rückte damals
von ihm ab.
Zu diesem Zeitpunkt war Teichtmeister der Polizei gegenüber schon geständig
und befand sich in Therapie. Weitere Schritte unternahm das Theater nicht,
weder verlangte es Einsicht in die Polizeiakte, noch beurlaubte sie den
Schauspieler bis zum Ende der Ermittlungen. Im Gegenteil: Teichtmeister
wurde seit September 2021 in mehreren Hauptrollen am Burgtheater besetzt,
zuletzt in der Inszenierung von Daniel Kehlmanns „Nebenan“. Erst am 13.
Januar diesen Jahres hat das Theater den Schauspieler entlassen.
Eine andere, die davon wusste, ist Marie Kreuzer, die Regisseurin von
„Corsage“. Auch Kreuzer hörte im September 2021 von den Gerüchten und ging
mit Teichtmeister ins Gespräch. Der Film ist zu dem Zeitpunkt schon
abgedreht, aber noch nicht fertig produziert. [5][In einem Statement von
ihr und den Produzent*innen des Films] heißt es nun, Teichtmaster habe
„auf dezidierte Nachfrage – nicht nur für uns glaubhaft – versichert, da…
die Gerüchte um seine Person falsch seien“. Sie glaubten ihm, Konsequenzen
gab es auch hier keine: Die Szenen mit Teichtmeister blieben im Film.
## Rausschneiden sei nicht möglich gewesen
In einer aktuellen ORF-Sondersendung zum Thema sagt Kreuzer, dass es
finanziell und organisatorisch nicht möglich gewesen wäre, Teichtmeister
rauszuschneiden oder die entsprechenden Szenen mit einem anderen
Schauspieler nachzudrehen. Doch Teichtmeister blieb nicht nur im Film, er
steht auch auf dem roten Teppich – wie beim Filmfestival in München.
Aus heutiger Sicht ist klar, dass Teichtmeister sich zwar den Behörden
gegenüber kooperativ gezeigt hat, seine Arbeitgeber und die Branche
allerdings lange belogen hat. Trotz geltender Unschuldsvermutung hätte die
Kulturbranche deutlich mehr Schritte unternehmen können, als sie es getan
hat. Nun ist es an den Verantwortlichen aufzuarbeiten, was schiefgelaufen
ist, um künftig besser zu reagieren, auch um die Menschen am Set schützen
zu können.
Mittlerweile ist die Frage der Schuld geklärt. Ein Gerichtsurteil steht
zwar noch aus, aber Teichtmeister ist geständig. Anhand der Reaktionen aus
der Branche lässt sich ablesen, dass viele die Karriere des Schauspielers
für beendet sehen. Was bleibt, ist eine alte Frage: Wie umgehen, mit Filmen
und Serien, die längst entstanden sind? Lassen sich Künstler*in und Werk
voneinander trennen?
Wer es sich einfach machen will, könnte sagen: Muss jede*r selbst für sich
entscheiden. Doch das setzt eine informierte und bewusste Entscheidung
voraus, die häufig nicht gegeben ist. Letztlich bleibt die
Entscheidungsgewalt bei Verantwortlichen der Kulturbranche, bei den Kino-
und Senderchef*innen, bei Filmverleihern und
Festivalorganisator*innen. Und deren Entscheidung, ob ein Film
oder eine Serie weiter gezeigt wird, hat eben nicht nur für den Täter
Konsequenzen, sondern auch für viele andere, die an der Produktion
beteiligt sind. Gerade deswegen ist das Ringen um diese Frage so wichtig.
## Künstlerische oder moralische Entscheidung?
Der ORF hat entschieden und alle Produktionen mit Teichtmeister aus seiner
Mediathek entfernt. Ähnlich sieht es beim ZDF aus. Am Mittwoch hätte die
neunte Episode von „Die Toten von Salzburg“ ausgestrahlt werden sollen,
Teichtmeister spielte in den vorherigen acht Episoden der Krimireihe den
Major Peter Palfinger. Die Ausstrahlung wurde kurzfristig verschoben, das
ZDF begründet das gegenüber der taz mit der Liveübertragung des
Handball-WM-Viertelfinales.
Der Krimi solle zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr gezeigt werden, dann
allerdings ohne Teichtmeister, die circa 40 Sekunden lange Schlussszene mit
ihm wurde rausgekürzt. Auf die Frage, ob es Wiederholungen der anderen
Episoden geben soll, schreibt das ZDF: „Nach Abschluss des
Gerichtsverfahrens werden wir über das weitere Vorgehen beraten.“
Bleibt der Umgang mit dem aktuellen Kinofilm „Corsage“. Teichtmeister hat
hier als Kaiser Franz durchaus keine kleine Rolle, doch steht er eindeutig
im Schatten der Sisi-Darstellerin Vicky Krieps. Die Kinokette Cineplexx
zeigt den Film nicht mehr in ihren Kinos. Die Regisseurin und das
verantwortliche Team hielten an ihm als österreichischen Kandidaten für
den Oscar fest.
Für diese Entscheidung bekamen sie prominente Unterstützung von den
Schriftstellerinnen Elfriede Jelinek und Eva Menasse sowie von Regisseur
David Schalko, die in einem offenen Brief forderten, den Film weiterhin zu
zeigen und im Oscar-Rennen zu lassen. Darin schreiben sie: „Wir sind
erschüttert, dass ein feministischer Film, der Machtverhältnisse und
Rollenbilder hinterfragt, der international für seine visuelle Kraft und
seinen Inhalt gewürdigt wird, wegen der Taten eines Mannes aus dem
Kinoprogramm genommen und dadurch dem Täter eine Macht gegeben wird, die
ihm nicht zusteht.“ Ähnlich argumentiert auch Kreuzer.
Für manche scheint diese Argumentation zu ziehen. Der
Arthouse-Streaminganbieter Mubi kürte den Film noch am 21. Januar zum Film
des Tages. Zwei Tage zuvor wurde er von den British Academy Film Awards für
den Preis des besten nicht englischsprachigen Films nominiert.
Am Dienstag wurde verkündet, dass „Corsage“ nicht zu den fünf Finalisten
gehört, die um den Auslands-Oscar konkurrieren. Ob das eine künstlerische
oder eine moralische Entscheidung war, ist nicht bekannt.
26 Jan 2023
## LINKS
[1] /Film-Corsage-in-den-Kinos/!5862588
[2] /Prozess-wegen-Kinderpornografie/!5765159
[3] /Direktorenwechsel-am-Wiener-Burgtheater/!5904199
[4] https://www.derstandard.at/consent/tcf/story/2000142579484/burgtheaterchef-…
[5] https://www.film-ag.at/
## AUTOREN
Carolina Schwarz
## TAGS
Burgtheater Wien
Österreich
Sexualisierte Gewalt
GNS
IG
Theater
Burgtheater Wien
Historienfilm
Kinderpornografie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Causa Teichtmeister: Kunst und Verbrechen
Die Aufregung über den Fall Florian Teichtmeister berührt auch die
Glaubwürdigkeit von Kunst. Es geht um Vertrauen, Hierarchien und Marketing.
Direktorenwechsel am Wiener Burgtheater: Die Burg bleibt männlich
Stefan Bachmann geht nach Wien und folgt Martin Kušej als
Burgtheaterdirektor. Den Wandel in der Theaterszene greift die Personalie
aber nicht auf.
Film „Corsage“ in den Kinos: Monarchin wider Willen
Die Regisseurin Marie Kreutzer erzählt das Leben der Kaiserin Elisabeth
neu. Mit dem Kitsch der „Sissi“-Filme hat „Corsage“ nichts mehr gemein.
Prozess wegen Kinderpornografie: Ganz unten
Zehntausende Fälle landen jedes Jahr bei den Behörden, die meisten bleiben
unbekannt. Nicht so bei dem Ex-Fußballstar Christoph Metzelder.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.