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# taz.de -- Denkmalschutz mit Doppelstandards: Die Großen lässt man umbauen
> Es ist fachlich gut vertretbar, die Siedlung „Hamburg Bau“ in
> Poppenbüttel unter Schutz zu stellen. Trotzdem erbost das Vorgehen des
> Denkmalamts.
Bild: Auch die Kunst am Siedlungsbau ist in Poppenbüttel typisch 70er: Stele v…
Die Denkmalbehörde hat die Wohnsiedlung „Hamburg Bau“ in Poppenbüttel-Nord
unter Schutz gestellt. Fachlich liegt das nahe, auch wenn es einige
wundert, die dort leben, und es da so [1][schön nun auch wieder nicht
finden].
Die Siedlung stammt von 1978. Damals dachte selbst der zuständige
FDP-Bausenator dialektisch: Die Anlage sollte zwischen Individualität
(Grundrisse, Kubatur, Fassaden) und rot geklinkerter Einheitlichkeit
vermitteln – These, Antithese, Synthese.
Sie zeugt zudem von [2][einer wichtigen Etappe] in der Geschichte
[3][staatlicher Wohnungsbau-Subvention], in der durchs Zusammenspiel von
Bundes- und Landesförderprogrammen die Errichtung auch von
Zweifamilienhäusern für die Mittelklasse erschwinglich wurde.
Davon haben alle Eigentümer hier profitiert, durch niedrige Kaufpreise auch
die Zweitbesitzer. Und bestimmt ist ihnen bloß entfallen, dass die
Öffentlichkeit hier massiv mitfinanziert hat. Sonst könnten sie ja nicht,
von der auf Unzufriedenheitsdividende schielenden CDU bestärkt, guten
Gewissens in Mopo und Abendblatt [4][barmen], es wäre „Enteignung“, wenn
dieselbe Öffentlichkeit nun auch ein Interesse am Erhalt dieser Bauten
geltend macht. Sprich, sie in den Denkmalrang erhebt.
## Ein transparentes Verfahren wäre möglich
Wertverlust tritt dadurch nicht zwangsläufig ein, das mal vorweg. Und
schlechte Nachricht: Um-, An- oder Einbauten sind in Denkmalen zwar
genehmigungspflichtig, aber, gute Nachricht, dafür auch [5][rasant
steuerbegünstigt]. Die Behörde hätte also Ängsten begegnen und Chancen der
Unterschutzstellung benennen können.
Damit hätte sie doch das Wagnis eines transparenten Verfahrens mit
Unterrichtung und Beteiligung eingehen können. Doch stattdessen hat sie ab
2021 die Prüfung der Siedlung hinterm Rücken der Eigentümer*innen
betrieben, und ihnen nun die Entscheidung vor den Latz geknallt.
Das wirkt, als ob sich dieses Amt selbst in feudalen Denkweisen am wohlsten
fühlt. Oder doch zumindest so handelt. Heißt: Wo Zivilpersonen an ihrem
denkmalgeschützten Wohnraum etwas ändern wollen, auch im öffentlichen
Interesse, wie beispielsweise durch Einbau von Balkonkraftwerken, wird das
Amt gern puristisch-pingelig.
Da behandelt es dann die Frage der Genehmigungsfähigkeit [6][radikal
restriktiv]. Das ist ein Drama, denn in der Anpassung des Bestands liegt
der Schlüssel zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks von Wohnraum. Das darf
die Denkmalpflege nicht bremsen.
Und muss sie ja auch nicht. Das Fehlen der City-Hof-Hochhäuser, des
HEW-Zentrums, der Cremonbrücke, des Postamt 60, der Gewerbeschule, um nur
ein paar der gewichtigen Abgänge der letzten drei Jahre zu nennen, weist
darauf hin, dass die Behörde sehr flexibel sein kann: Wo Zentralgewalt und
Macht im Interesse einzelner Investoren einen Abriss fordern, ist Hamburgs
Denkmalpflege noch [7][stets zuverlässig untätig oder unwirksam geblieben].
Zwei Standards schlagen ach!, in ihrer Brust.
## Verständliche Sorgen
Dabei war ja die Besonderheit des Hamburger Denkmalschutzgesetzes, dass es
eben nicht nach preußischem Vorbild aus dem Geist der Reaktion zur
Bewahrung gotischer Herrschaftsbauten als Schönheitsideale entwickelt
wurde. Es ist aus dem modernen Bürgertum heraus entstanden.
Es sollte dem Schutz vor den Verheerungen eines entfesselten
Pfeffersackismus dienen, der Hamburg [8][laut Alfred Lichtwark] in eine
„Freie und Abrissstadt“ verwandelt hatte. Ein frommer Wunsch, der
Wunschtraum blieb.
Vor diesem Hintergrund werden die Sorgen der Poppenbütteler verständlich:
Wenn es darum geht, [9][eine beliebte und belebte Siedlung zu erhalten],
müssen auch die Änderungsbedürfnisse der Bewohner*innen berücksichtigt
werden.
Das heißt, den Rahmen sinnvoll der Gegenwart anpassen – das hätte ein
Beteiligungsverfahren leisten können. Zum Wohle aller. Denn Denkmalpflege
ist im Prinzip nachhaltig. Aber nur, solange sie nicht musealisiert.
5 Feb 2023
## LINKS
[1] /100-Jahre-Denkmalschutzgesetz/!5744178
[2] https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/67924/ssoar-2020-rin…
[3] /Sozialer-Wohnungsbau-in-Hamburg/!5880755
[4] https://www.mopo.de/hamburg/eigentuemer-auf-zinne-221-haeuser-ploetzlich-un…
[5] https://www.das-baudenkmal.de/wissenswertes/foerderung/steuern-abschreibung
[6] /Energiewende-in-Hamburg/!5874911
[7] https://www.denkmalverein.de/verluste
[8] https://www.deutsche-biographie.de/sfz51089.html
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Hamburg-Bau
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Denkmalschutz
Hamburg
Wohnungsbau
Schwerpunkt Stadtland
Denkmalschutz
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