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# taz.de -- Deutsche auf Gran Canaria: Die glücklosen Reiter
> Im Urlaub auf Gran Canaria sind die Deutschen so, wie sie wirklich sind.
> Das fängt schon im Flugzeug an.
Bild: Kennt die Deutschen auch gut: Kamelbaby Silke 2021 im Tierpark Hagenbeck
Der Volksmund sagt: „Wenn man die Deutschen nicht auf Gran Canaria erlebt
hat, kennt man sie nicht!“ Ich sage: „Der Volksmund hat völlig recht!“
Deshalb beobachte ich die Passagiere während des Fluges nach Gran Canaria
in der Maschine ganz genau, um die Verwandlung später auf der Insel
deutlich registrieren zu können. Wie bei der Antifaltencreme-Werbung im
Fernsehen: der Vorher-Nachher-Vergleich.
Wer von diesen Leuten wird die größte Veränderung durchmachen? Diese
50-jährigen Eheleute direkt neben mir vielleicht? Die sich bereits jetzt –
das Flugzeug ist noch nicht mal gestartet – gegenseitig den Rücken mit
Sonnenmilch einreiben? Unter ihren Pelzmänteln tragen die beiden nämlich
nur noch Badehose und Bikini. Habe ich ein Glück, dass die beiden keinen
[1][FKK-Urlaub] gebucht hatten.
Oder dieser junge Mann vor mir, der jetzt von der Stewardess zum dritten
Mal ermahnt wird, die Luftmatratze doch erst in der Ankunftshalle
aufzublasen?
Immerhin: Ganz hinten sitzen sechs Lehrer-Ehepaare und unterhalten sich
angenehm leise über die Gründe des unglaublichen [2][Lehrermangels in
Deutschland] und wer Schuld daran hätte. Ich versuche die Rückenlehne zu
kippen, um ein paar Minuten zu schlafen. Aber keine Chance: Die seriöse
Lehrergruppe entwickelt sich während des Fluges zu einem asozialen
Säufertrupp.
„Hallo Schwester“, brüllt einer von ihnen in Richtung Stewardess. „Zwöl…
Jägermeister mit Cola für uns Schönen!“ Zum Glück kann der Pilot die
Maschine ohne weitere Zwischenfälle in Las Palmas landen.
Leider ist [3][Gran Canaria] klein. Am nächsten Tag treffe ich sie am
Strand – bei den Kamelen. Der trinkfesteste Lehrer des Säufertrupps, Hans,
will unbedingt Kamel reiten. Aber das stolze Tier lässt sich auf keinen
Fall überreden, den deutschen Touristen durch die Gegend zu schleppen.
„Herr Engin, nun helfen Sie mir doch mal. Als Orientale sind Sie doch
gewissermaßen verwandt mit diesem blöden Tier“, bittet er mich um Hilfe.
Ich brülle dem sturen Kamel mein gesamtes Arabisch ins Ohr: „Ya Habibi el
Deve el Kebap! Rafet el Roman, Jassir Arafat und Saddam!“
Aber nicht einmal meine grandiosen arabischen Sprachkenntnisse überzeugen
das Kamel.
„Dann machen Sie doch wenigstens ein paar Fotos von uns“, ruft der
glücklose Reiter.
Doch während ich Hans und seine Frau auf dem Kamel fotografiere, wirft es
die beiden ab – und setzt sich direkt auf sie. Mit aller Kraft versuche
ich, die beiden Touristen unter dem hinterhältigen Kamel hervorzuholen –
gerade noch rechtzeitig, bevor sie den Löffel und das für 14 Tage
reservierte [4][All-inclusive-Hotelzimmer] abgeben müssen, sind sie
befreit.
„Toll! Jetzt können wir uns für mindestens zwei Jahre arbeitsunfähig
schreiben lassen“, freut sich Hans.
Jetzt wissen wir, wer die Schuld am unglaublichen Lehrermangel in
Deutschland trägt: die kanarischen Kamele!
25 Jan 2023
## LINKS
[1] /FKK/!t5313694
[2] /Lehrkraeftemangel-in-Deutschland/!5906544
[3] /Gran-Canaria/!t5633843
[4] /Soziologe-ueber-Mobilitaet-und-Grenzen/!5810994
## AUTOREN
Osman Engin
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