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# taz.de -- Schnee auf dem Rollfeld in Diyarbakir: Der verhinderte Abflug
> Unser Flugzeug nach Bremen konnte nicht starten, weil es schneite. Die
> Passagiere waren dabei, die Nerven zu verlieren. Da hatte der Pilot eine
> Idee.
Bild: Schnee auf dem Rollfeld gibt es nicht nur in Diyarbakir: Stimmungsbild au…
Einen Bekannten in Diyarbakir im Osten der Türkei habe ich besucht und
sitze nun seit fünf Stunden in meinem Flieger nach Bremen, der sich wegen
des starken Schneefalls nicht vom Fleck rühren kann. Plötzlich pflanzt sich
eine neugierige Tante neben mir auf und deponiert ihr sogenanntes
„Handgepäck“ unter meinen Füßen, weil sie die oberen Schränke bereits m…
jeder Menge Tüten und Säcken vollgestopft hat.
„Wohin fliegen Sie, Bruder?“, fragt sie mich.
„Heute fliege ich nach Kambodscha“, antworte ich genervt.
„Dieses Flugzeug fliegt aber nach [1][Bremen]“, sagt sie überrascht.
„Nach Bremen?“, tue ich genauso überrascht. „Und weshalb schleppen Sie d…
tonnenweise Bohnen, Käse, Tomatenmarkt und eingelegte Gurken mit? Ist in
Bremen Hungersnot ausgebrochen oder haben Sie Hausverbot bei [2][Aldi]?“
Sie schüttelt den Kopf. Ich kann mich wegen ihres Gepäcks nicht mehr
bewegen. Genau wie unser Flugzeug. Es schneit seit zwölf Stunden.
„Wir verdursten hier, gebt uns wenigstens etwas zu essen und zu trinken.
Wir werden schlimmer behandelt als Galeeren-Sträflinge“, brüllt jemand
völlig aufgebracht.
Meine nervige Nachbarin macht ihre Proviantsäcke auf und belegt mehrere
Brote mit Tomaten, Käse und Knoblauchwurst – mir gibt sie nicht mal eine
einzige Olive!
Endlich meldet sich der Pilot: „Liebe Leute, wir haben bereits fünf Stunden
Verspätung. Wenn wir das Risiko auf uns nehmen, dürfen wir starten. Die
Entscheidung überlasse ich Ihnen.“
Da sage noch einer, in der Türkei gäbe es keine [3][Demokratie]. Wir haben
sogar die Freiheit zu entscheiden, ob wir abstürzen wollen! Wir entscheiden
uns dafür, lieber vom Himmel zu fallen, als auf dem Boden zu verhungern.
Das Flugzeug versucht sich daraufhin startbereit zu machen. „Gleich werden
wir fliegen, ich will essen“, brülle ich. Endlich rücken die Stewardessen
mit den Snacks raus. Ich verlange die dreifache Portion.
Jedes Mal, wenn der Pilot Gas gibt, rutscht das Heck des Flugzeugs weg und
die Stewardessen knallen mit dem Kopf gegen die Schränke, worüber sich am
meisten die Kinder freuen.
Wir erreichen mit viel Mühe die Startbahn und werden als einziges Flugzeug
heute versuchen, doch noch wegzukommen. Draußen ist es bereits dunkel und
es schneit immer noch wie verrückt. Ich höre in dem Moment die
eigenartigste Startansage der Fluggeschichte:
„Wir sind startklar! Bitte halten Sie Ihre Tee- und Kaffeetassen gut fest
und sauen Sie nicht unsere teuren Sitze ein!“
Damit meint der Pilot aber nur sich selbst. Im Passagierraum ist niemand
startklar! Kein Mensch ist angeschnallt und alle haben massenweise Essen
und Getränke vor sich stehen.
Kurz danach tut das [4][Flugzeug] so, als würde es fliegen. Mehrere
Passagiere verbrühen sich die Beine und die Kinder, die im Durchgang
spielen, stürzen böse!
Und ich werde den Verdacht nicht los, dass dieses weiße Zeug, was da in der
Dunkelheit draußen schimmert, keine Wolken, sondern immer noch der
Flughafen-Schnee von Diyarbakir ist!
13 Mar 2024
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## AUTOREN
Osman Engin
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