# taz.de -- Geberkonferenz in Ramstein: Ukraine aufrüsten, Russland bremsen | |
> Auf dem Ukraine-Gipfel in Ramstein wollen Kyjiws westliche Verbündete | |
> ihre Hilfe deutlich ausweiten, bevor Russland den Krieg erneut eskaliert. | |
Bild: Lässt Berlin die Leoparden frei? Die militärische Geberkonferenz in Ram… | |
BERLIN taz | Die Erwartungen sind hoch, denn mit rund 50 teilnehmenden | |
Ländern wird es die bislang größte militärische Geberkonferenz für die | |
Ukraine sein. Das für Freitag angesetzte Treffen der Alliierten der Ukraine | |
im Rahmen der „Kontaktgruppe für die Verteidigung-Ukraine“ auf dem | |
US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland könnte „ein Schlüsselmoment | |
der Zeitgeschichte“ werden, hofft der ukrainische Militärjournalist Ilia | |
Ponomarenko vom Kyiv Independent. So hätten die Entscheidungsträger jetzt | |
die Chance, „Anführer“ zu werden. | |
Dabei erhofft sich die Ukraine von dem Treffen unter Vorsitz des | |
US-Verteidigungsministers Austin nicht nur die bisher größte koordinierte | |
Zusage militärischer Unterstützung seit dem russischen Überfall vom 24. | |
Februar 2022. Es soll auch einen qualitativen Sprung geben: das Ende aller | |
Tabus. „Für das nächste Ramstein-Treffen erhoffen wir uns neue mutige | |
Schritte unserer Verbündeten, um die Kampfkraft der ukrainischen Armee | |
qualitativ zu steigern“, sagte Vizeaußenminister Andrij Melnyk den | |
Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dabei dürfe es auch für Deutschland | |
„keine roten Linien“ mehr geben. Der ehemalige Botschafter in Berlin | |
forderte „Kampfpanzer, Kampfjets, Kriegsschiffe, Mehrfachraketenwerfer, | |
Artillerie, Flugabwehr“ und „eine breite Panzerallianz“ des Westens, „d… | |
Kern die Leoparden, Abrams und Challenger bilden sollten“. | |
[1][Melnyk bezog sich damit auf die neue britische Zusage, 14 Kampfpanzer | |
des Typs Challenger 2 zu liefern – die erste Zusage westlicher | |
Kampfpanzer.] Abrams-Kampfpanzer aus den USA sind ebenfalls im Gespräch. | |
Vor allem wollen 13 europäische Länder, an erster Stelle Polen, Kampfpanzer | |
des deutschen Typs Leopard 2 übergeben. Sie brauchen dafür die Zustimmung | |
der Bundesregierung – Grüne und FDP sind dafür. | |
„Free The Leopards“ lautete der Slogan, mit dem Kyjiw dafür Werbung macht: | |
Gebt die Leoparden frei. Am Mittwoch verabschiedete das EU-Parlament in | |
Straßburg mit großer Mehrheit einen Antrag, der Bundeskanzler Olaf Scholz | |
namentlich dazu auffordert, „ein europäisches Konsortium relevanter | |
europäischer Länder zu initiieren, um ohne weitere Verzögerung | |
Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern“. Diese Formulierung hatte | |
der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer als Änderungsantrag zur | |
Verabschiedung des jährlichen Berichts über die gemeinsame Außen- und | |
Sicherheitspolitik der EU eingebracht. | |
## Zu wenig Zeit für eine große russische Winteroffensive | |
Die Idee: Nicht mehr die Lieferung von Kampfpanzern, sondern deren | |
Verweigerung gilt als deutscher „Alleingang“, also als etwas, was Scholz | |
ablehnt. „Wir müssen da vorangehen – und wir müssen im Geleitzug jetzt au… | |
die Leopard 2 liefern“, sagte im ZDF der Chef der Münchner | |
Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen. Härte sei jetzt „die einzige | |
Sprache, die Putin versteht“. | |
Denn die meisten Militäranalysten sind sich einig, dass der russische | |
Angriffskrieg in der Ukraine vor einer neuen Eskalation steht. Der | |
australische Militäranalyst Mick Ryan schreibt: „Russland muss Offensiven | |
durchführen, um das 2022 von Putin annektierte Gebiet zu erobern. Es muss | |
auch die eigene Öffentlichkeit vom Wert der Spezialoperation überzeugen und | |
die Mobilisierung von Personal und Industrie in den vergangenen Monaten | |
rechtfertigen. Zugleich will Russlands Militär die ukrainischen | |
Streitkräfte allmählich auslaugen.“ | |
Die höchsten Generäle der Ukraine rechnen mit einem erneuten Großangriff | |
Russlands für den Zeitraum um den 24. Februar 2023. Einen „sogenannten | |
finalen Vorstoß“ prognostizierte jetzt Oleksii Danilow vom Nationalen | |
Sicherheitsrat der Ukraine, vermutlich von Belarus aus. | |
Westliche Experten bezweifeln, dass Russland das so kurzfristig kann. Aus | |
Sicht von Mick Ryan sind die Angriffskapazitäten Russlands nach den | |
schweren bisherigen Verlusten geringer als sein Angriffswille. Für eine | |
große Winteroffensive sei die Zeit zu knapp, analysierte diese Woche Ben | |
Barty vom Londoner IISS (International Institute für Strategic Studies): | |
„Für eine solche Initiative wird Russland für mindestens mehrere Monate | |
nicht in der Lage sein.“ Damit eröffne sich aber ein Zeitfenster für die | |
Ukraine, um besetzte Gebiete zu befreien. | |
## Jede Woche setzten sich Politiker mit Putin an den berüchtigten langen | |
Tisch | |
Und man will vorbereitet sein, wenn Russland doch so weit ist. Die | |
russischen Vorbereitungen sind jedenfalls unübersehbar. Am Montag begannen | |
gemeinsame russisch-belarussische Manöver in Belarus, genau wie vor der | |
Invasion von 2022. Am Dienstag kündigte Russlands Verteidigungsminister | |
Sergei Schoigu eine Aufstockung und Neustrukturierung des Militärs an. Am | |
Mittwoch erklärte Präsident Putin: „Der Sieg ist sicher.“ Das „Institute | |
for the Study of War“ in den USA erwartet, dass Putin demnächst eine | |
Mobilmachung von 500.000 Mann verkündet. | |
Der Countdown ähnelt dem des Jahresanfangs 2022. Damals bemühte sich der | |
Westen noch, den drohenden Krieg mit Gesprächen abzuwenden. Jede Woche | |
pilgerten Politiker nach Moskau, setzten sich mit Putin an den berüchtigten | |
langen Tisch im Kreml oder ließen sich von Außenminister Sergei Lawrow | |
belügen. Genau vor einem Jahr, am 18. Januar 2022, war die damals noch | |
frische Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) an der Reihe. Sie | |
betonte die Bedeutung der deutsch-russischen Beziehungen und wurde von | |
ihrem unbeeindruckten russischen Amtskollegen Sergei Lawrow abgekanzelt. | |
Eine Woche später versprach die damalige Verteidigungsministerin Christine | |
Lambrecht (SPD) der Ukraine 5000 Helme als „ganz deutliches Signal“. | |
Jetzt, im Jahr 2023, will der Westen besser reagieren. [2][Die Ukraine wird | |
aufgerüstet, „wirksam, nachhaltig und eng abgestimmt“, so die | |
Bundesregierung] am Dienstag nach einem Telefonat zwischen Olaf Scholz und | |
Joe Biden. US-Außenminister Anthony Blinken sagte zugleich bei einem | |
gemeinsamen Auftritt mit seinem britischen Amtskollegen James Cleverly in | |
Washington, man wolle „die Ukraine in die bestmögliche Position versetzen, | |
wenn ein Verhandlungstisch auftaucht“. Er stellte klar: „Der schnellste | |
Weg, diesen Krieg gerecht und nachhaltig zu beenden, Diplomatie und | |
Verhandlungen zu erreichen, ist, der Ukraine die Oberhand auf dem | |
Schlachtfeld zu geben.“ | |
Am Montag hatte Großbritanniens Verteidigungsminister Ben Wallace im | |
britischen Parlament das neue britische Ukraine-Hilfspaket, darunter die | |
Challenger-Kampfpanzer, so vorgestellt: „Es ist eine wichtige Ausweitung | |
der Kapazitäten der Ukraine. Es bedeutet, dass sie vom Widerstand zur | |
Vertreibung russischer Streitkräfte von ukrainischem Boden übergehen | |
können.“ | |
## In Washington ist noch Luft nach oben | |
Auf 25 Milliarden US-Dollar (18,5 Mrd. Euro) wird die US-Militärhilfe für | |
die Ukraine seit Februar 2022 beziffert, rund die Hälfte aller Hilfen | |
weltweit. Großbritannien und Deutschland stehen auf den zweiten und dritten | |
Plätzen. In Washington ist noch viel Luft nach oben: Das im Mai | |
verabschiedete „Leih- und Pachtgesetz“ der USA für die Ukraine – ein | |
System, wonach die USA der Ukraine Rüstungsmaterial kostenlos zur Verfügung | |
stellt, theoretisch auf Leihbasis, analog zum „Lend-Lease“- Programm der | |
USA für Großbritannien im Zweiten Weltkrieg – ist bisher noch gar nicht | |
angewendet worden. Es könnte aber Lieferungen unbürokratisch vervielfachen, | |
während die Waffen formal US-Eigentum bleiben. Erwogen wird in diesem | |
Rahmen die Verlegung ganzer Luftwaffengeschwader. | |
18 Jan 2023 | |
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[1] /Waffen-fuer-die-Ukraine/!5908765 | |
[2] /Bundeskanzler-Olaf-Scholz-zu-Luetzerath/!5905418 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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