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# taz.de -- Spaniens Erbschaftssteuer: Steueroase Madrid
> Spanien hat die höchste Erbschaftsteuer Europas. Zumindest offiziell,
> denn in konservativ regierten Regionen werden Vermögende oft begünstigt.
Bild: Will wenig Abgaben für Vermögende: Juan Manuel Moreno, Ministerpräside…
Madrid taz | Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Das gilt auch
für die Erbschaftsteuer. Überall ist zu lesen, dass Spanien den höchsten
Steuersatz auf Nachlässe in Europa hat. Das stimmt – aber stimmt halt auch
nicht.
Erhoben werden mindestens 7,65 Prozent auf Erbschaften, der Prozentsatz
steigt bis zu 34 Prozent bei einem Nachlass von mehr als 797.555,08 Euro –
für unmittelbar Verwandte. Bei Familienfremden kann der Steuersatz in
Einzelfällen auf bis zu 81,6 Prozent steigen. Soweit das spanienweit
gültige Gesetz.
Doch dann kommt das Kleingedruckte. Die Erbschaftsteuer oder „Nachfolge-
und Schenkungsteuer“, wie sie im Juristenspanisch heißt, wird von den
Autonomen Gemeinschaften, vergleichbar mit den deutschen Bundesländern,
erhoben. Und dort macht jeder, was er will.
Paradebeispiel dafür ist die Hauptstadtregion Madrid, die seit Jahrzehnten
von der konservativen Partido Popular (PP) regiert wird. Sie verzichtet
zugunsten ihrer Bürger auf 99 Prozent des laut Gesetz fälligen
Steuerbetrags. Millionenerbschaften wechseln so für vierstellige Beträge
in die nächste Generation. So manch spanischer Großgrundbesitzer oder
Unternehmer hat wegen dieses Steuerdumpings offiziell einen Hauptwohnsitz
in der Hauptstadt.
## Wo Vermögende begünstigt werden
Keine Region setzt die Erbschaftsteuer so um, wie es geschrieben steht.
Alle passen sie an. Meist wird stärker gestaffelt als vorgesehen, und es
gibt Freibeträge in der Höhe von mehreren 100.000 Euro. Denn die
veranschlagten knapp 800.000 Euro als Grenze für den Höchstbetrag würde –
bei den heutigen Wohnungspreisen – längst auch die einfache Mittelschicht
treffen.
Andalusien hatte lange eine der höchsten Erbschaftsteuern, mit einem
Freibetrag von 1 Million Euro und einer anschließenden schnell anziehenden
Staffelung – bis nach 36 Jahren sozialistischer Regierung 2019 die
Konservativen ans Ruder kamen. Juan Manuel Moreno von der PP regierte
zuerst in Koalition mit den rechtsliberalen Ciudadanos und der
Unterstützung der rechtsextremen Vox, und jetzt, [1][nach vorgezogenen
Neuwahlen im Juni], in absoluter Mehrheit.
Und nachdem Moreno bereits zu Jahresbeginn das Erbschaftsrecht dem von
Madrid anpasste, um die großen Vermögen zu begünstigen, wollte er Anfang
Herbst noch einen Schritt weitergehen und Madrid bei den Abgaben auf
Vermögen unterbieten. „Das wird Investitionen anziehen und so die
Wirtschaftstätigkeit und Beschäftigung fördern“, erklärte er.
Steuergeschenke an Superreiche mitten in der derzeitigen Kette aus Krisen –
[2][von Inflation] über Covid bis zum Ukrainekrieg – und dann auch noch in
einer der ärmsten Regionen des Landes, wo es an allen Ecken und Ende für
Sozialpolitik fehlt?
## Reiche werden zur Kasse gebeten
Das rief die Zentralregierung auf den Plan. Am Erbschaftsrecht wurde zwar
nichts geändert, denn das hätte den Regionen Kompetenzen entzogen und das
Verfassungsgericht auf den Plan gerufen. Stattdessen führte die
Linkskoalition umgehend [3][eine „Reichensteuer“ für Vermögen von über 3
Millionen Euro ein.]
Wer ein Vermögen von 3 bis 5 Millionen Euro sein Eigen nennt, muss 1,7
Prozent ans Finanzamt abführen; 2,1 Prozent für 5 bis 10 Millionen und für
Vermögen darüber 3,5 Prozent. Außerdem wird die Steuerprogression für
Einkommen aus Kapital angehoben.
Gleichzeitig werden die Abgaben für Geringverdiener gesenkt. Die
„Solidaritätssteuer“ der Reichen, wie sie Finanzministerin María Jesús
Montero nennt, soll 1,5 Milliarden Euro jährlich in die Staatskassen
bringen, während die Steuersenkung für Geringverdiener knapp 1 Milliarde
Euro pro Jahr kostet.
Doch auch hier kommt natürlich wieder das Kleingedruckte: In Regionen, in
denen bereits eine Steuer auf Kapitaleinkommen und Vermögen besteht, wird
die neue „Reichensteuer“ gegen die dortigen Abgaben aufgerechnet. „In den
meisten Regionen wird die neue Steuer deshalb nicht fällig“, erklärte
Finanzministerin Montero. In Andalusien und Madrid können sie sich jetzt
aussuchen, ob sie eine regionale Steuer erheben und so die Einnahmen
behalten, oder ob der Zentralstaat verdient.
30 Dec 2022
## LINKS
[1] /Regionalwahlen-in-Andalusien/!5861998
[2] /Hilfspaket-der-spanischen-Regierung/!5901382
[3] /Madrid-belastet-Reiche-staerker/!5885000
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
Erbschaftssteuer
Reichtum
GNS
Schwerpunkt Abtreibung
Spanien
Inflation
Energiekrise
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