# taz.de -- Zoo-Tierarzt über Umgang mit Vogelgrippe: „Schnabel auf, Tupfer … | |
> Der Berliner Zoo ist wegen der Vogelgrippe geschlossen. Ein Gespräch mit | |
> Zoo-Tierarzt Andreas Ochs über Sinn und Unsinn einer EU-Verordnung. | |
Bild: Ein Hammerkopf in freier Wildbahn in Südafrika | |
taz: Herr Ochs, [1][der Berliner Zoo ist seit dem 18. November | |
geschlossen,] weil ein Hammerkopf Vogelgrippe hatte. Haben Sie so eine | |
Situation schon mal erlebt? | |
Andreas Ochs: Ich bin seit 32 Jahren Tierarzt im Zoo und habe einiges | |
mitgemacht, aber das übertrifft alles. Seuchenprävention in Form von | |
Aufstallungen hat es immer mal wieder gegeben … | |
… dass Tiere in den Stall kommen und von den Besuchern ferngehalten werden. | |
Aber das betraf nur einzelne Tiere. Dass man behördlicherseits gesteuert | |
wird und einem alle Maßnahmen praktisch von oben auferlegt werden, das ist | |
für uns alle hier eine völlig neue Erfahrung. | |
Sie und ein Kollege haben inzwischen alle der rund 1.200 Vögel auf das | |
Virus getestet. Wie muss man sich das vorstellen? | |
Mit der ersten Runde sind wir jetzt durch, nach 21 Tagen erfolgt eine | |
zweite Testung. Der Ablauf richtet sich nach der Vogelart. Bei den meisten | |
Vögeln haben wir einen Tupfer genommen, so wie beim Coronatest. Also | |
Schnabel auf und Tupfer rein. Da muss man aufpassen, es gibt Vögel, die | |
sehr scharfe Schnäbel haben und einem den Tupfer abbeißen, wenn man ihn | |
nicht schnell genug wieder rauszieht. Sie können einen auch in den Finger | |
beißen, mir ist das mit einem Gänsegeier passiert. Mit demselben Tupfer | |
geht man dann noch einmal in die Kloake. | |
Den Begriff kennen nicht alle. | |
Das ist der Darmausgang bei den Vögeln. Auch dort wird ein Abstrich | |
genommen. Bei Vögeln in der Freiflughalle, an die man nur sehr schwer | |
rankommt, haben wir Sammelkotproben genommen. Man guckt, wo sie ihre | |
Kotplätze haben, und nimmt dort mehrere repräsentative Proben. | |
Wie sind Sie bei den Straußen verfahren? | |
Auch beim Strauß haben wir Kotproben aufgesammelt. Er lässt sich schlecht | |
festhalten und verfügt über starke Möglichkeiten der Abwehr. | |
Sind jetzt wirklich alle Vögel in den Ställen eingesperrt? | |
Ja. Die meisten Vögel haben neben Außenvolieren auch Innenunterkünfte, dort | |
sind sie jetzt. Die Kleinen, die aus exotischen Gefilden kommen, sind im | |
Winter ohnehin selten in den Außenvolieren. Natürlich gibt es auch Vögel, | |
die die ganze Zeit draußen sind. Zum Beispiel die Geier, der Andenkondor | |
oder die Wasservögel. Für diese Tiere mussten wir teilweise provisorische | |
Unterkünfte etablieren. Die Geier befinden sich jetzt in einer kleineren | |
Voliere, die von oben mit einer Plane abgedeckt werden kann, damit ein | |
Viruseintrag von freifliegenden Wildvögeln vermieden wird. | |
Wie fängt man einen Greifvogel ein? | |
Die Gänsegeier, ein Zuchtpärchen, hatten sich in ihrer Höhle verschanzt. Da | |
mussten große Anstrengungen unternommen werden mit mehreren Leitern und | |
Schutzmaßnahmen, sprich Helmen und Gesichtsvisieren, weil die Tiere die | |
Pfleger natürlich auch angreifen. Nur unter Mühen konnten sie aus dieser | |
Höhle herausgetrieben werden. Das ist eine zeitaufwendige und | |
verletzungsträchtige Angelegenheit auf beiden Seiten. Wir sind froh, dass | |
alles glatt gelaufen ist. Unsere Tierpfleger können die Tiere sehr gut | |
einschätzen. Sie wissen, wie man sie am besten greift und festhält. | |
Haben Sie nach der Umsetzung bei den Vögeln Verhaltensveränderungen | |
beobachtet? | |
Die Geier fressen alle ordentlich, sie scheinen zufrieden zu sein. Die | |
lokal stark bedrohten Bartgeier hatten gerade mit Brutaktivitäten begonnen. | |
Sie waren dabei, ein Nest zu bauen. Das ist durch den Umzug unterbunden | |
worden. Das wird wohl dieses Mal nichts mit dem Nachwuchs. Wir wildern den | |
Nachwuchs der Bartgeier normalerweise in den österreichischen, | |
französischen und spanischen Bergregionen aus. Daher kommt es bei diesen | |
Geiern, die in einigen Regionen einst ausgerottet waren, auf jedes Küken | |
an. | |
Was haben Sie mit den Wasservögeln gemacht? | |
Wir sind in Wathosen in die Teiche gestiegen und haben das Wasser | |
abgelassen. Das dauert ein paar Tage, und dann versuchten wir sie | |
einzufangen. Das ist nicht ohne, die sind ja alle schwimm- und tauchfähig | |
und können Käschern gut entkommen (lacht). Die Eiderenten sind es gewohnt, | |
in sehr sauberer Luft auf dem Wasser zu leben. Wenn die jetzt längere Zeit | |
im Stall sind, kann es sein, dass sie Atemwegsprobleme bekommen. Momentan | |
sind aber alle fit. Es macht keiner der Vögel Probleme in Hinblick auf die | |
Symptomatik der Vogelgrippe. | |
[2][Der Hammerkopf] ist nach wie vor der einzige Fall. Was ist das für ein | |
Vogel? | |
Das ist ein afrikanischer storchenartiger. Er heißt so, weil sein Kopf | |
einem Hammer ähnlich sieht, der durch die Federsilhouette gebildet wird. Er | |
ist gar nicht so selten. Wir hatten ihn tot im Gehege gefunden und zur | |
Untersuchung gebracht, was bei allen hier gestorbenen Vögeln passiert. Und | |
dann hatten wir den Salat. | |
Haben Sie eine These, wie er sich angesteckt hat? Die 86 anderen Vögel in | |
seiner Voliere sind wohlauf. | |
Die Voliere ist stark überflogen von freifliegenden Vögeln. Graureiher und | |
Kormorane setzen sich auch oben drauf und lassen Kot unter sich. Stare und | |
Spatzen fliegen rein und raus. Da ist es nicht ausgeschlossen, dass sich | |
ein Vogel in der Voliere ansteckt. Aber wir wissen es nicht. | |
Dass es keinen weiteren Infektionsfall gab, müsste Sie optimistisch | |
stimmen. | |
Im Prinzip schon. Da der gesamte Zoo aktuell jedoch als ein gemeinsamer | |
Vogelbestand gilt, obwohl die einzelnen Vögel keinen Kontakt miteinander | |
hatten, sind die erforderlichen Maßnahmen so weitreichend. Wir agieren also | |
so, als ob der gesamte Bestand potenziell infiziert wäre. | |
Grundlage ist eine relative neue weitreichende EU-Verordnung, das | |
sogenannte Animal Health Law. Bei nur einem einzigen Fall von Vogelgrippe | |
droht die Keulung des gesamten Bestands. Der Zoo würde damit genauso | |
behandelt wie ein Geflügelmastbetrieb. | |
Genau das ist das Problem, wir sind im aktuellen Fall an übergeordnete | |
Verordnungen gebunden. In der Verordnung wird davon ausgegangen, dass alle | |
Vögel betroffen sein könnten, solange nicht klar ist, wie die Infektion | |
zustande gekommen ist. Das herauszufinden ist aber sehr schwierig. Es gäbe | |
prinzipiell auch die Möglichkeit einer Übertragung durch Futtermittel, aber | |
auch das haben wir schon überprüft. Wir haben keine Hinweise auf | |
kontaminierte Futtermittel feststellen können. | |
Wie sich der Hammerkopf angesteckt hat, bleibt also mysteriös? | |
Angesichts der vielen Enten und Reiher, die hier herumfliegen, kann man das | |
eigentlich nicht sagen. Wenn man im Tiergarten oder an der Krummen Lanke | |
Enten beproben würde, wären da womöglich auch positive dabei. Das ist nicht | |
zu vermeiden. Die Prävention ist da sehr schwierig. Wir können kein | |
Überflugverbot für Wildvögel über den Zoo aussprechen. Da hält sich leider | |
keiner dran (lacht). | |
Der Zoo kämpft jetzt um eine Ausnahmegenehmigung, um den Vogelbestand | |
erhalten zu können. Folgt man den Signalen, die die zuständigen Berliner | |
Behörden am Mittwoch ausgesendet haben, sieht es gut aus. | |
Wir tun alles, um eine weitere Ausbreitung zu vermeiden, auch durch | |
entsprechende Nachuntersuchungen. | |
Damit kennen Sie jetzt vermutlich jeden Vogel im Zoo? | |
Das ist das einzig Gute, man hat jetzt einen richtigen Überblick. Wir haben | |
bei der Gelegenheit auch mal alle Ringe abgelesen, die zum Teil schon sehr | |
alt sind. Die Nummern sind verblasst, auch die Prägung hat sich glatt | |
geschliffen im Laufe der Jahre. Gerade die großen Vögel werden teils sehr | |
alt. | |
Was heißt das für einen Vogel? | |
Greifvögel können durchaus 30 bis 40 Jahre alt werden, der Andenkondor | |
sogar noch älter. Aber der Älteste ist der Flamingo Ingo. Er kam 1948 aus | |
dem Zoo Kairo. | |
Wie geht es Ingo? | |
Gut, aber er hat auch schon einiges mitgemacht. Vor fünf Jahren, als bei | |
einem dieser großen Stürme die Eiche im Gehege abgebrochen ist, hat es eine | |
Reihe der jüngeren Flamingos erwischt. Sie hatten unter dem Baum Schutz | |
gesucht. Die älteren sind raus auf den Teich geschwommen. Auch der Fuchs | |
ist eine permanente Bedrohung auf dem Gelände. Ingo gehört zu den Vögeln, | |
die wissen, wie man sich in Sicherheit bringt. | |
12 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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schließen. Wie lange, ist unklar. Alle Vögel würden nun getestet. |