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# taz.de -- Polens Katzen sterben an Vogelgrippe: Hofkater Caesar aus Warschau
> Bereits mehr als 30 Katzen sind in unserem östlichen Nachbarland an der
> Vogelgrippe gestorben. Wie sich sich infizierten, ist bislang noch
> unklar.
Bild: Ob das hilft? Erstmal die Katze einsperren
Pan Piotr aus dem Obergeschoss meines Warschauer Mietshauses hält mir
traurig zwei Schälchen Katzenfutter hin. „Caesar ist krank, unser Hofkater.
Ich hatte ihm frische Hühnchenleber hingestellt, aber er hat sie nicht
angerührt.“ Er nickt in Richtung des grau-orange gestreiften Katers, der
gerade seltsam steif auf sein „Haus“ im Kellerfenster zuwankt.
„In Polen grassiert doch die Vogelgrippe unter den Katzen“, klagt Pan
Piotr. „Ich hab jetzt extra Dosenfutter mit Lachs gekauft. Teuer!
Hoffentlich frisst er das und wird wieder gesund.“
Pani Elena aus dem Erdgeschoss kommt in einem luftig-weiten Kleid und
Pantoffeln auf den Hof. Sie hat unser Gespräch durch das offene Fenster
mitgehört. „Im Radio haben sie gesagt, dass nur frei fliegende Vögel die
Krankheit verbreiten.“ Sie scheucht ein paar große schwarze Krähen auf. Die
70-Jährige sieht sich suchend um: „Wo ist denn unsere schwarze?“ Pan Piotr
deutet auf den angrenzenden Innenhof: „Bei den Nachbarn. Sie ist
quietschfidel.“ Er seufzt: „Ach, was wären wir ohne unsere Hofkatzen? Da
hätten wir hier sicher eine Mäuseplage und vielleicht sogar Ratten.“
Eine junge Familie mit zwei Kindern kommt mit Wasserball und Schwimmreifen
auf den Hof. „Wir wollen ins Freibad“, erklärt Pan Jan und schaut uns an:
„Was ist los?“ Pan Piotr: „Caesar ist krank. Wahrscheinlich Vogelgrippe.�…
Der junge Vater in khakifarbenen Shorts und weißem T-Shirt schließt den SUV
auf und lässt seine Kinder einsteigen. „Oh“, sagt er und zückt seine
Brieftasche. „Das hab ich auch schon gelesen. Rufen Sie den tierärztlichen
Notdienst. In Polen sollen schon 30, 40 Katzen an Vogelgrippe gestorben
sein.“
Er drückt Pani Elena 100 Złoty (knapp 25 Euro) in die Hand, bevor er ins
Auto steigt. „Ich beteilige mich natürlich auch an der Sammlung“, sage ich
schnell, ziehe einen 50-Złoty-Schein aus dem Portemonnaie und verabschiede
mich fürs Erste: „Ich muss jetzt zum Kiosk.“ Pan Piotr beugt sich derweil
zu einem der beiden Katzenhäuser hinunter, schiebt die Styroporwand mit dem
ausgesägten Eingang für Caesar beiseite und stellt dem matt daliegenden
Kater die Lachsdelikatesse hin. „Er lässt sich nicht anfassen“, erklärt er
noch kurz. „Sonst würde ich ihm das Gesichtchen abtupfen.“
Am Kiosk erzähle ich, dass wir den tierärztlichen Notdienst gerufen haben,
weil unser Hofkater eventuell Vogelgrippe hat. „Oh“, regt sich Pani Grażyna
auf: „[1][Hat so nicht auch Corona angefangen]? [2][Kriegen Menschen das
auch?] Und welche Vögel sind denn krank? Alle?“ Die Türklingel geht, und
ein 50-Jähriger im hellen Sommeranzug und mit dünner brauner Aktentasche
greift sich zwei Wirtschaftszeitungen und die konservative Rzeczpospolita.
„Panie profesorze“, spricht ihn die Kioskbesitzerin an. „Haben Sie schon
davon gehört? In Warschau grassiert die Vogelgrippe unter Katzen.“ Der
Professor lehrt an der Wirtschaftshochschule und ist Stammkunde. „Ja“, sagt
er. „Wir machen uns auch an der Uni großen Sorgen. Seit Juni wurde das
Virus in ganz Polen diagnostiziert, aber bislang nur bei Wildvögeln.“
Er legt die Zeitungen zum Bezahlen auf die Theke. „Bei den kranken Katzen
gibt es Hinweise auf infiziertes Hühnerfleisch. Was wir nicht wissen: Wo
wurde das gekauft? Auf dem Basar, in einer Metzgerei oder im Supermarkt?“
Er schiebt die Zeitungen in die Aktentasche. „Sollte sich herausstellen,
dass da ein Amtstierarzt geschlampt hat oder bestochen wurde und [3][das
Virus sich in einer Hühnerfarm ausbreiten konnte, wird das ein europäischer
Skandal.]“ Er wendet sich zum Gehen: „Aber wahrscheinlicher ist, dass ein
paar frei laufende Hühner sich bei Wildvögeln angesteckt haben. Wie sich
die Katzen das Virus eingefangen haben, wissen wir nicht.“ Damit verlässt
er den Laden.
Pani Grażyna steht der Schreck ins Gesicht geschrieben: „Wenn sich Katzen
[4][an Vögeln oder sogar Hühnerfleisch anstecken] können, dann irgendwann
vielleicht auch wir Menschen? Horror!“
23 Jul 2023
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## AUTOREN
Gabriele Lesser
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