# taz.de -- Die Kernfusionsträumereien der FDP: Phantomkraftwerke | |
> Fusionskraftwerke könne es schon in zehn Jahren geben, sagt die | |
> FDP-Forschungsministerin. Das ist naiv oder unredlich. Es werden noch | |
> Jahrzehnte vergehen. | |
Bild: Illustration zur Kernfusion aus der Jetztzeit | |
Wie bitte? Da versteigt sich die Forschungsministerin Bettina | |
Stark-Watzinger im ZDF auf die Frage, wann das erste deutsche | |
Fusionskraftwerk ans Netz gehen könnte, doch tatsächlich zu der Aussage: | |
„In zehn Jahren.“ Vielleicht, räumt sie dann zwar ein, könne es auch noch | |
„etwas länger“ dauern, aber man dürfe eben keine zu geringen Ambitionen | |
haben. | |
Doch solche Prognosen sind nicht ambitioniert – sie sind vielmehr entweder | |
naiv (wenn die Ministerin es tatsächlich nicht besser weiß) oder aber | |
unredlich. Denn Forscher, selbst jene in den USA, denen der große Erfolg im | |
Labor gerade gelang, würden so absurd kurze Zeiträume nie und nimmer in den | |
Raum stellen. Sie wissen schließlich, was es bedeutet, einen so | |
hochkomplexen Prozess, den man bislang noch immer in der Kategorie | |
Grundlagenforschung verorten muss, praxistauglich zu machen. | |
Also warum dann solche abstrusen Aussagen einer Ministerin? Womöglich | |
vorsätzlich als energiepolitische Nebelkerze. Es ist durchaus denkbar, dass | |
die [1][FDP-Politikerin den Eindruck zu erwecken versucht, man könne | |
angesichts des technologischen Durchbruchs die verbliebenen deutschen | |
Atomkraftwerke vielleicht ja doch noch als „Brücke“ nutzen] – bis sie in | |
naher Zukunft nahtlos durch Fusionskraftwerke abgelöst werden. | |
Doch vor solchen energiepolitischen Schlussfolgerungen sollte man sich | |
hüten. Jeder Energiepolitiker tut gut daran, die jüngste Meldung aus den | |
USA als das zu betrachten, was sie ist: wissenschaftlich zwar | |
hochinteressant, aber energiepolitisch einstweilen irrelevant. Das gilt | |
zumindest für all jene Entscheidungen der Energiepolitik, die im laufenden | |
Jahrzehnt anstehen. Denn auch die neuesten Meldungen ändern nichts daran, | |
dass die Umstellung auf eine CO2-arme Energieversorgung national wie | |
international nicht darauf warten kann, dass aus der Kernfusion tatsächlich | |
eine unerschöpfliche Energiequelle wird. Zumal man eines Tages die | |
ökonomischen Fragen stellen müsste. | |
Sollte irgendwann die heute schon [2][spottbillige Solarstromerzeugung] | |
auch noch ebenso billige Speicher zur Seite gestellt bekommen, könnte die | |
Fusion auch schlicht daran scheitern, dass sie nicht konkurrenzfähig ist. | |
Denn dass ein Fusionsreaktor enorm aufwendig konstruiert sein müsste, davon | |
ist auszugehen. | |
Deswegen: Freuen wir uns mit den Forschern über ihren Durchbruch. Freuen | |
wir uns darauf, dass auch die Fusionsforschung noch so manche | |
wissenschaftliche Erkenntnis bringen wird, deren Tragweite wir heute noch | |
nicht kennen. Aber lassen wir uns in der Energiepolitik nicht von einem | |
Phantomkraftwerk irritieren. | |
14 Dec 2022 | |
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Bernward Janzing | |
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