# taz.de -- Schwarz-Gelbe Energiepolitik: Schattige Zeiten für Solarenergie | |
> Schwarz-Gelb will "ökologische Fehlanreize" mit einem neuen | |
> "Energiekonzept" korrigieren. Die Vergütung beim Solarstrom soll gesenkt | |
> werden. | |
Bild: Es könnte so schön sein - aber Schwarz-Gelb will wohl nicht. | |
Ob erneuerbare Energie oder Atomkraft - viele energiepolitische | |
Entscheidungen will die schwarz-gelbe Koalition mit Verweis auf ein noch zu | |
erstellendes "Energiekonzept" in die Zukunft verschieben. Nur bei einem | |
Thema soll es schneller gehen: Bei der Förderung von Solarstrom, die Union | |
und FDP schon im Wahlkampf als überhöht kritisiert hatten. | |
Im Entwurf des Koalitionsvertrags findet sich nun die Formulierung, man | |
werde mit der Solarbranche darüber sprechen, "mit welchen Anpassungen | |
kurzfristig Überförderungen bei der Fotovoltaik vermieden werden können". | |
Das klingt zwar weniger scharf als frühere Entwürfe, die bereits konkrete | |
Daten für geringere Fördersätze genannt hatten. Dennoch ist nun klar, dass | |
der Solarbranche deutliche Einschnitte drohen. | |
Der Streit um die Vergütungssätze schwelt schon seit Monaten. Angeheizt | |
wurde er durch eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für | |
Wirtschaftsforschung (RWI). Demnach müssten die deutschen Stromkunden | |
allein für die in den Jahren 2000 bis 2008 installierten | |
Fotovoltaik-Anlagen insgesamt 35 Milliarden Euro zusätzlich bezahlen, | |
verteilt über einen Zeitraum von 20 Jahren. So lange gilt die gesetzlich | |
vorgeschriebene Vergütung für den Solarstom. | |
Während der Koalitionsverhandlungen hatte das RWI mit einem neuen Papier | |
nachgelegt. Die Stromproduktion auf Basis von erneuerbaren | |
Energietechnologien sei "mit enormen Kosten verbunden. Infolgedessen zählen | |
diese Technologien zu den am wenigsten effizienten Klimaschutzmaßnahmen", | |
heißt es darin. Die deutsche Art der Förderung der erneuerbaren Energien, | |
die ansonsten international oft als vorbildlich bezeichnet wird, dient dem | |
RWI zufolge als "Paradebeispiel für eine extrem verschwenderische Umwelt- | |
und Energiepolitik". | |
Derzeit liegt die Höhe der Einspeisevergütungen für Solarstrom je nach | |
Anlagengröße zwischen 32 und 43 Cent pro Kilowattstunde. Die Mehrkosten, | |
die gegenüber dem konventionellem Strom entstehen, werden auf die | |
Stromkunden umgelegt. Das EEG sieht jedoch auch vor, dass aufgrund | |
wachsender Effizienz der garantierte Strompreis für neue Anlagen jährlich | |
um 9 Prozent sinkt. Diese Degression wird zum einen regelmäßig überprüft | |
und gegebenenfalls weiter verstärkt, zum anderen ist sie dynamisch | |
angelegt: Wächst die Branche stärker als erwartet, beträgt die Degression | |
automatisch 10 statt 9 Prozent, fällt das Wachstum geringer aus, sinkt sie | |
auf 8 Prozent. | |
Die Solarindustrie lehnt die Forderung nach niedrigeren Sätzen ab - und | |
schießt mit ihren Zahlen zurück. Vom Wachstum der Solarbranche profitiere | |
nicht nur das Klima, sondern auch der Staat, argumentiert der Bundesverband | |
Solarwirtschaft und verweist darauf, dass sich allein 2008 Steuereinnahmen | |
in Höhe von knapp 3 Milliarden Euro aus der direkten und indirekten | |
Besteuerung deutscher Solarstromunternehmen ergeben hätten. Die im selben | |
Jahr über das EEG gewährten Zahlungen hätten hingegen rund 2 Milliarden | |
Euro betragen. | |
Der Geschäftsführer des Solarverbandes, Carsten König, erklärt zudem, dass | |
zwar die Produktionskosten gesunken seien, jedoch nicht so stark wie die | |
Preise. Vor allem ein Einbruch des spanischen Marktes habe zu einem großen | |
Überangebot geführt, da der europäische Südstaat kaum noch Anlagen | |
abgekauft hat. "Wegen des Wettbewerbsdrucks waren die Unternehmen | |
gezwungen, unter ihren Kosten zu verkaufen", sagte König. Aufgrund dieses | |
Preiswettbewerbs gebe es keinen Anlass, die Förderungsregelung | |
aufzubrechen. Die Unternehmen und die Forschung bräuchten verlässliche | |
Rahmenbedingungen. | |
Andreas Bett vom Fraunhofer-Institut für Solar Energiesysteme unterstützt | |
die Argumente des Verbandes. "Man hat die Entwicklung der Solarbranche | |
vorhergesehen. Dass die Preise so schnell runtergehen, hat man sicherlich | |
nicht vorgesehen." Deshalb sehe das EEG genau die richtige Maßnahme vor, da | |
die Vergütungen sowieso automatisch jährlich zurückgefahren würden. "Das | |
war sehr schlau gemacht von den Politikern", sagt Bett. Ob diese Kürzungen | |
insgesamt ausreichend seien, dafür wiederum, so findet Bett, sei es jetzt | |
noch zu früh. | |
Durch die derzeitig niedrigen Modulpreise habe sich lediglich eine | |
Verschiebung ergeben. Die Gewinnmarge für die Industrie sei geschrumpft, so | |
Bett; dafür erhielten die privaten Haushalte mehr Rendite. "Die | |
Modulhersteller haben geringere Renditen; das Wachstum hat sich | |
verlangsamt; Q-Cells entlässt Mitarbeiter - das ist ein normales | |
Marktgeschehen", sagt Bett. "Man sollte abwarten und gucken, wie sich das | |
weiter entwickelt." | |
Das sieht auch der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) so. "Es gäbe | |
sonst eine ständige Unsicherheit für Investoren", sagt Verbandssprecher | |
Daniel Kluge. Das Bundesumweltministerium erstelle ohnehin alle vier Jahre | |
einen Erfahrungsbericht, um eine eventuelle Über- oder Unterförderung zu | |
vermeiden. Diese Überprüfung soll nun allerdings nach Plänen der | |
schwarz-gelben Koalition häufiger durchgeführt werden: Alle zwei Jahre | |
statt wie bisher alle vier Jahre. | |
Viel entscheidender wird aber vermutlich sein, welches Ministerium dafür | |
zuständig ist. Die Wirtschaftspolitiker würden die erneuerbaren Energien | |
gern vom Umwelt- ins Wirtschaftsministerium verlagern, doch dieser | |
Machtkampf ist noch offen. | |
23 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Nadine Michel | |
Nadine Michel | |
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Technikfolgenabschätzung | |
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